Dortmund Opernhaus – Der Rosenkavalier
Premiere 25. Januar 2015 – Wiederaufnahme am 12. März 2016 als Jubiläumsaufführung 50 Jahre Opernhaus
Emily Newton, Ileana Mateescu. Copyright: Thomas Jauk/ stage picture
Am vergangenen Samstag hatte der Opernfreund in Dortmund die Qual der Wahl: Im Konzerthaus fand statt eine halbszenische Aufführung von George Benjamin´s Oper „Written on Skin“ mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Leitung des Komponisten.
Gleichzeitig feierte das Opernhaus sein 50-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung, einem Festakt und der Wiederaufnahme der Komödie für Musik von Hugo von Hofmannsthal „Der Rosenkavalier“ mit der Musik von Richard Strauss. Mit ebendieser Oper unter der musikalischen Leitung des als GMD schon länger dort tätigen Wilhelm Schüchter – nunmehr zusätzlich künstlerischer Leiter der Oper auf Lebenszeit – in der Inszenierung von Werner Kelch und der prächtigen unvergessenen Ausstattung von Ita Maximowna wurde das Opernhaus am 3. März 1966 eröffnet.
Emily Newton, Ileana Mateescu, Karl-Heinz Lehner. Foto: Thomas Jauk/stage picture
Auch später bestimmten vor allem die Dirigenten, erwähnt seien Marek Janowski, Hans Wallat, oder Jac van Steen, das Niveau des Opernhauses. Dieses setzten nahtlos fort die Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von GMD Gabriel Feltz bei der Jubiläumsaufführung. In etwa befolgte der Dirigent die von Strauss ja zum grossen Teil mit Metronomangaben bestimmten Tempi. Die melancholische Walzerseligkeit, das sentimentale Portato der Streicher, die ironisch-schrillen Bläsereinwürfe, die thematische Verflechtung, alles das gelang und bereitete dem Zuhörer grosse Freude. Das Zusammenspiel mit der Bühne klappte prima, z.B. selbst bei einer rhythmisch so schwierigen Stelle wie die Meldung der vier Lakaien an die Marschallin am Ende des ersten Aufzugs. Die vielen instrumentalen Soli lohnten das Hinhören, als Beispiel für alle seien die Violinsoli gelobt..
In Dortmund gelang es auch immer wieder, junge Sängerinnen und Sänger vor Beginn einer grösseren Karriere zu verpflichten, als Beispiele für weit mehr seien genannt Waltraud Meier mit wohl ihrer ersten Kundry, Wolfgang Schmidt zuerst als Siegmund, Petra Lang damals noch Mezzo, Michaela Kaune oder die leider kürzlich verstorbene Jayne Casselman.
Auch da konnten die Mitwirkenden der Jubiläumsaufführung bestens mithalten.. Als Baron Ochs überzeugte stimmlich und schauspielerisch in jeder Nuance sehr beweglich Karl-Heinz Lehner mit je nach Situation wechselnder Stimmfärbung, mit textverständlichem wienerischem Parlando und wenn nötig das grosse Orchester mühelos übertönendem Baß.. Auch die gefürchteten ganz tiefen Töne seiner Partie traf er genau, sogar das sechs Takte zu haltende ganz tiefe „lang“ am Ende des zweiten Aufzugs. Die „Marschallin“ hatte nun Emily Newton übernommen, bei ihr keine ältere Diva, sondern von Stimme und Aussehen her eine immer noch jugendliche Frau, aber doch ganz Fürstin, so, wie Hofmannsthal und Strauss sie sich wohl vorgestellt haben. Das teils sehr laute Orchester macht es ihr an einigen Stellen schwer, so beeindruckte sie besonders mit den lyrischen Teilen der Partie und verfügte dafür bis in tiefere Töne über ein berückendes Piano, um den Verzicht auf Oktavians Liebe auszudrücken.
Als Dortmunder Mädchen für Hosenrollen (in dieser Saison schon Rinaldo und Cherubino) überzeugte Ileana Mateescu wiederum in der riesigen Titelpartie. Seit vorigem Jahr ist ihr der spielerische Wechsel zwischen „jungem Herrn aus grossem Hause“ und Kammerzofe sicherer geworden. Dies gilt auch stimmlich, wobei sie sich zum Schluß zu steigern wußte. Unverändert muß man rückhaltlos bewundern Ashley Thouret als jung aussehende Sophie, erst furchtsam, dann energisch spielend, sicher im Parlando und mit leuchtenden Spitzentönen die Ensembles überstrahlend. So wurde das grosse Terzett der drei Damen zum Schluß eine wahre Wucht!
Das Niveau einer solchen Aufführung zeigt sich auch in den ganz vielen mittleren und kleinen Partien. Die konnte man in Dortmund alle passend besetzen. Beispielhaft für viele seien nochmals gelobt Sangmin Lee als Faninal mit mächtiger Stimme – nicht nur beim Wort „Blamage“, Dortmunds Startenor Lucian Krasznec mit strahlenden Spitztönen als „Sänger“,Fritz Steinbacher und Maria Hiefinger als Intrigantenpaar,letztere z. B. mit absteigendem Akkord und wieder aufsteigender Tonleiter bei „die Kaiserin“ im dritten Aufzug, oder Carl Kaiser mit mächtiger Gestalt und Stimme als Polizeikommissar.
Wie im Vorjahr begann und endete die Regie von Jens-Daniel Herzog in einem grossen Bett – dasselbe Bett, derselbe Herr mit einer jüngeren Dame, dazwischen der nicht besonders gelungene zweite Aufzug. Wieder versank und bröckelte im Bühnenbild von Mathis Neidhardt das Prunkzimmer der Marschallin vom ersten Aufzug bis zum Schluß immer mehr – darüber und über die Kostüme von Sibylle Gädike wurde aus Anlaß der ersten Aufführungen ausführlich berichtet.
Bei einem solchen Jubiläum durften vorweg Ansprachen der Politik nicht fehlen. Dortmunds OB Sirau erkannte, daß vor 50 Jahren dieses Opernhaus mit mehr als eintausend Plätzen finanziell und vom vermuteten Publikumsinteresse her passend gewesen sei, nun sei es aber vielleicht eine Nummer zu groß. Noch-Intendant Herzog wies darauf hin, daß ein Theaterbau ja kein Selbstzweck sondern Zweckbau eben für Theater sei. Er erinnerte an die Schwierigkeit, in einem Haus, das für das grosse Repertoire des 19. und frühen 20, Jahrhunderts konzipiert sei, intimere Opern wie sogar Mozart, oder Werke aufzuführen, die man „alte Musik“ nennt. Als Vertretung der zuständigen Ministerin sprach ein Staatssekretär, der u.a,. darauf hinwies, daß er ja für Kultur und Sport, also in Dortmund für BVB und Opernhaus zuständig sei. Natürlich durften auch bei allen angesichts der internationalen Zusammensetzung des Personals eines Opernhauses Bemerkungen gegen Fremdenfeindlichkeit nicht fehlen.
Vom OB und bei der vorangegangenen Eröffnung einer Ausstellung über die Baugeschichte des Opernhauses wurde auch dessen demokratischer Anspruch erwähnt – Opernhaus für alle! Dazu paßte nicht so sehr, daß die erste Pause auf knapp eine Stunde verlängert wurde, damit die Prominenz unter den Besuchern im für die alle anderen gesperrten Theaterrestaurant ein Festessen zu sich nehmen konnte. Die Mitwirkenden mußten warten, „normale“ Opernbesucher mußten sich dann oben unter dem Dach ein Plätzchen zum Essen suchen. Für manche Prominente genügte auch der erste Aufzug samt Festessen, denn nach der ersten Pause blieben vorher von ihnen besetzte Plätze leer.
Das verbliebene Publikum, auch nicht regelmässige Opernbesucher, verfolgten mit Interesse und Aufmerksamkeit die Vorstellung. Der Beifall war herzlich mit Bravos für die Darsteller der Hauptpartien, den Dirigenten und das Orchester – er hätte angesichts der Leistung durchaus etwas länger ausfallen können, aber hinterher gab es Freibier!!
Sigi Brockmann
13. März 2016