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DIOR UND ICH

30.08.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmCover Dior und ich~1

Ab 4. September 2015 in den österreichischen Kinos
DIOR UND ICH
Dior and I / Frankreich / 2014
Regie: Frédéric Tcheng

Gut möglich, dass Produzenten, die diesen Film in die Kinos bringen, ein wenig auf Irreführung setzen. Es hat Yves Saint-Laurent kürzlich auf der Kinoleinwand gegeben. Warum also nicht auch Christian Dior als Reizwort? Nun, weil der Film über Saint-Laurent ein geradezu meisterliches Biopic war. Und weil „Dior und ich“ eine schwache Dokumentation ist, die arte am besten in der Nacht verstecken sollte.

Der Klassiker der französischen Modeklassiker, Christian Dior (1905-1957), Inbegriff französischer Luxus-Elegance schon vor dem Krieg und erst recht danach, als er ein Imperium gründete, kommt selbst nur in ein paar schwarzweißen Rückblenden vor, Dokumentationsmaterial zum Aufputz dieses Films von Regisseur Frédéric Tcheng, der anhand des neuen Chefdesigners des Hauses Raf Simons vergessen lassen sollte, dass dessen Vorgänger John Galliano sich unbeliebt gemacht hatte.

Nun folgte man Simons quasi Schritt für Schritt bei der Erstellung seiner ersten Kollektion für Dior, und schon das ist Etikettenschwindel – denn Simons, der immer wieder erklärt, wie scheu er sei und unfähig, sich beobachten zu lassen (er würde ohnmächtig, wenn er auf dem Laufsteg erscheinen und den Applaus entgegen nehmen müsste, erklärt er vielfach – und tut es natürlich doch), steht nichtsdestoweniger immer wieder brav im Mittelpunkt. Und mit „versteckter Kamera“ ist das wohl nicht gefilmt worden.

Der Film läuft dreisprachig: Interessanterweise spricht Simons, Jahrgang 1968, in Wien bekannt, wo er ein paar Jahre an der Universität für angewandte Kunst lehrte, auch eng verbunden mit dem Namen Jil Sander, wo er als Kreativdirektor wirkte, nur Englisch – ein Belgier muss doch, auch wenn er Flame ist, Französisch können! Er bleibt bei Englisch (was schwer zu begreifen ist). Die Dior-Crew, offensichtlich die meisten alt gedient und Großsiegelbewahrer des Mythos, die ihn augenscheinlich freundlich aufnimmt (man ist bei der Vorstellung und dem wohlwollenden Lächeln der älteren Damen dabei), bleibt strikt bei ihrem Französisch, ein Italiener unter ihnen plaudert unerschütterlich in seiner Muttersprache – multikulti. Und in Eile: Simons wurde im April 2012 zum Dior-Chefdesigner gekürt, am 2. Juli 2012 ging seine erste Dior-Kollektion über den Laufsteg.

Was sieht man nun? Offen gestanden: das Übliche, und in den wahren kreativen Prozeß steigt man ja doch nicht ein. Dafür darf man immer wieder – wie oft? – den souveränen Damen beim Zuschneiden zusehen, den gewandten Herren beim Nähen, dem Herbeischaffen von Stoffen, dem Annadeln dieser an den lebenden Damen anstelle der Stoffpuppen (weil Simons so arbeitet, nicht mit Hilfe von gezeichneten Entwürfen). Man hätte sich den Blick hinter die Kulissen um einiges interessanter und ein bisschen glamouröser vorgestellt. Dazwischen gibt es Statements wie in jeder soliden Dokumentation, die mit spürbarer Mühe auf das eineinhalbstündige Kinoformat aufgebläht wird.

Das ist außerordentlich unspannend gestaltet, nur als der Chef ausflippt und die Räume für die Präsentation durchwegs in Blumenmustern ausstaffiert haben will (da passiert wenigstens etwas!), gibt es eine Ahnung von den Verrücktheiten der Branche. Dann wandern schließlich die Models über den Laufsteg, während unten die Promis sitzen: Raf Simons hat vielfach die „tonnenartigen“ Modelle Diors nachgebildet, die in den fünfziger Jahren elegant waren und heute eher lächerlich wirken. Andererseits, wer „trägt“ schon Haute Couture? Die ist ja ohnedies eher aus dem Gesichtspunkt der modernen Kunst und irgendwelcher Zeitgeist-Verrenkungen zu betrachten…

Aber wie die Haute Couture entsteht – das fängt dieser Film eher mühselig ein. Da hätte man doch besser ein Biopic über den alten, legendären Christian gedreht…

Renate Wagner

 

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