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Die zweite musikalische Hälfte der Wiener Festwochen 2019 als ein SENSITIVE–PUZZLE mit sozialen Aspekten

13.06.2019 | Themen Kultur

Die zweite musikalische Hälfte der Wiener Festwochen 2019 als ein SENSITIVE–PUZZLE mit sozialen Aspekten

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Die musikalische Erbauung, die Freude an klangvollem Erleben hat sich auch in der zweiten Hälfte der Wiener Festwochen 2019 in Grenzen gehalten. Da gab es mit David Martons „Narziss und Echo“, sehr frei nach Ovid, eine ‚Road Opera‘ in Kleinformat zu sehen. Die Musik: eine digitale Geräuschkulisse im Mix mit Barock und Avantgarde. Digitaler Sound war nicht wenigen der kleinen Festwochen-Performances, Kurzgastspielen oder diversen Statements unterlegt. Johann Sebastian Bachs „Sechs Brandenburgische Konzerte“ dagegen, zwei Stunden lang in der choreographischen Deutung von Anne Teresa De Keersmaeker und ihrem Ensemble Rosas, sind jedenfalls der Publikumshit gewesen. Choreographie als eine Aneinanderreihung von an Linien, Kreisen, anderen geometrischen Formeln orientierter minimalistischer Elemente. Oder die TänzerInnen werden einzelnen Instrumenten zugeordnet, brechen aus ihren Formationen aus. Es ist ein harmonisches Bewegungsspiel mit flüssigen Abläufen, ironisierend komplementiert mit einem Nummern-Boy oder einem verschämten Hündchen auf der Bühne zu den Jagdhörnern des 1. Konzertes.

Auch Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur war in einer Tanzperformance der Gruppe des brasilianischen Tänzers Marcelo Evelin zu hören – doch was gab es zu diesen seraphischen Klängen zu bewundern? Im Kreis, andauernd im Kreis, in Uhrzeigersinn, sind acht phantasievoll maskierte Männer und eine Frau, allesamt splitternackt und keine Schönheit, gelaufen. Ununterbrochen, schließlich gelegentlich auch auffallend mit einem Hang zu Spaßetteln. Das Motto dazu, auf abgebranntem brasilianischen Boden gewachsen: Soziale Hilflosigkeit, ein Widerstand ohne Hoffnung.

Manch anderes Verwunderliches war gegeben. Die Stadtpolitiker preisen in ihren Werbekampagnen Wien gern als eine weltoffene Stadt an. Das grelle Drumherum von Life Ball oder EuroPride ist in diesen Tagen jedenfalls in ein weit, weit größeres Blickfeld gerutscht als die Wiener Festwochen. Deren vielen kleinen, kaum übersichtlichen Performances, kurzen Gastspiel oder diversen Statements mögen sehr wohl positiv unter sozialem Licht zu betrachten gewesen sein, mit Empathie und von gesellschaftlichen Gesichtspunkten aus. Ein eigenes musikalisches Herz scheint allerdings zu fehlen, da im Angebot der diversen künstlerischen Netzwerken die unterschiedlichsten Events eingekauft und nach Wien geholt worden sind, doch kein einziges eigenständiges stilbildendes Projekt sich entfalten konnte. Ein Sensitive-Puzzle hat sich geformt, welches rasch wieder auseinander gefallen ist.

Meinhard Rüdenauer

 

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