Filmstart: 16. März 2017
DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
Beauty and the Beast / USA / 2017
Regie: Bill Condon
Mit: Emma Watson, Dan Stevens, Luke Evans, Kevin Kline, Josh Gad u.a.
Die Etymologie des neuesten Disney-Musicals ist lang: Zuerst war da eine französische Kinderbuchautorin des 18. Jahrhunderts, Jeanne Marie Leprince de Beaumont, von der das Märchen „La Belle et la Bête“ ursprünglich stammte. Die Verfilmung durch Jean Cocteau 1946 ist ein Klassiker des poetischen Films. 1991 schuf der Disney-Konzern den Zeichentrickfilm, der ein Kunstwerk für sich wurde. Und so populär, dass ein potentes Team ein Musical daraus machte, unter Verwendung der Musik von Alan Menken (die schon den Film begleitet hatte).
Die Uraufführung fand 1994 am New Yorker Broadway statt, und in Wien war man damals sehr schnell: Schon im September 1995 gab es die österreichische Erstaufführung im Raimundtheater, und einige unsagbar köstliche Besetzungen hat man nicht vergessen, etwa Heinz Zuber als die „Uhr“ (Herr von Unruh) oder Viktor Gernot als der „Kerzenleuchter“ (Lumière).
Dass diese „Menschenrollen“ nun in der Disney-Verfilmung des Musicals dank der Trickkiste äußerst lebendige Gegenstände sind (und erst nach der Entzauberung kurz Menschengestalt bekommen), ist schade – hat aber natürlich auch seinen eigenen Reiz. Dabei ist diese Menschen-Verfilmung der Zeichentrick-Musical-Kombination dermaßen nostalgisch märchenhaft, wie man es 2017 fast nicht für möglich gehalten hätte.
Nun spielt Emma Watson, in einem Rückfall in die Harry-Potter-Lieblichkeit, die ganz entzückende Belle, die schlichte Uhrmacherstochter in einem kleinen französischen Dorf. Sie kann stellenweise so hinreißend lächeln wie Maria Schell, und das ist wohl ein bisschen zu viel, aber bei ihr wird Belle auch zum wirklich gescheiten Mädchen (Stammgast in der Leihbibliothek, man glaubt es) und zum selbstbewussten, energischen, klugen Geschöpf. Also nicht nur ein hübsches Gesicht, die meiste Zeit im schlichten Gewand, bis sie dann im schwingenden gelben Prinzessinnen-Kleid so hinreißend mit ihrem „Biest“ tanzt, wie es die Musical-Tradition verdankt…
Dieses Biest war einmal ein schöner, aber total verdorbener Prinz, der von einer Fee in ein hässliches tierartiges Geschöpf verwandelt wurde – und seine ganzen Bedienten mutierten zu Gegenständen, während das Schloß in düstere Einsamkeit versank.
Man kennt die Geschichte, Belles Vater (Kevin Kline als nur halb verwirrter Alter) verfährt sich, gerät in den Bann des Schlosses, niemand rettet ihn als Belle, die sich dem „Biest“ als Ersatz anbietet – und das haarigen Monster nach und nach „zähmt“. Dan Stevens, fast eine Spur zu alt für die Rolle, zeigt im schaurigen Ambiente so etwas wie Herz und ist würdig, von Belle gerettet zu werden.
Im übrigen laufen die Szenen auf zwei Ebenen parallel – mit dem komischen, hier „animierten“ Schloßpersonal (das in Menschengestalt auf der Musicalbühne zu stärkerer Wirkung kam) und die Geschehnisse im Dorf, wo der ekelhaft-eitle, blöde-arrogante Gaston der Mann ist, der Belle um jeden Preis heiraten will und sie, ätsch, natürlich nicht bekommt.
Und hier bricht dann auch das Jahr 2017 durch. Nicht nur, dass sich in einem französischen Dorf des 18. Jahhrunderts ungewöhnlich viele Farbige finden (der Bibliothekar ist schwarz, was unter der weißen Perücke lustig aussieht), man war – für Disneys Verhältnisse – noch kühner: Ob Gaston selbst schwul ist, man weiß es nicht (Luke Evans hat gelegentlich den Hüftschwung dafür), aber mit Sicherheit ist es sein ständiger Begleiter LeFou (Josh Gad spielt es eindeutig, aber mit unendlichem Humor) – und prompt ist das den Disney-Leuten sehr schlecht bekommen. Nicht nur die Russen überlegen sich, ob sie den Film deshalb nicht zeigen werden (!), auch in den puritanischen Trump-Regionen Amerikas hat man gegen den Film gewettert wie einst Frauenvereine gegen Filmstars mit damals anfechtbar scheinender Moral (die arme Ingrid Bergman)… man glaubt es nicht, aber es ist so.
Von derartigem Zeitgeist-Unsinn abgesehen (im Grunde auf beiden Seiten, denn das Schwulität-Motiv bringt eigentlich nichts als die Verbeugung von der politischen Korrektheit), hat Regisseur Bill Condon die ideale Mischung aus Musical, Märchen und Komödie geschaffen, die am Ende für Freunde großer Schauspielernamen noch ein paar beglückende Momente haben – wenn Madame Teetasse sich in Emma Thompson verwandelt, die Uhr in Ian McKellen, der Kerzenleuchter in Ewan McGregor und das Klavier in Stanley Tucci… schade drum. Sie sind die längste Zeit nur Stimmen und hätten viel Schönes spielen können, wären sie nicht vor allem aus dem Computer gekommen.
Es wird gesungen, es wird getanzt, die Gefühle wabbern ganz dick (warum nicht in diesem Zusammenhang?), alle spielen ganz entzückend – ehrlich, was will man mehr? Die Disney-Vorgabe wurde hingestellt und voll und ganz erfüllt. Außer natürlich für Leute, die im Märchen keine Farbigen und keine Schwulen wollen. Aber da besteht in Europa ja hoffentlich keine Gefahr.
Renate Wagner