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DIE DIREKTION DOMINIQUE MEYER – WAS BLEIBT DAVON

INFOS DES TAGES (DIENSTAG, 30. JUNI 2020

DIE DIREKTION DOMINIQUE MEYER – WAS BLEIBT DAVON

Mir ist die Ehre widerfahren ... - e-shop der Wiener Staatsoper

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Es war eigentlich ganz anders geplant. Der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wünschte sich, dass sein Freund, der Tenor Neil Shicoff, Nachfolger von Joan Holender als Staatsoperndirektor werden soll. Er hatte hier zumindest einen Teil der Boulevardpresse hinter sich. Noch am Tag der Bestellung, dem 7.6.2007,  titelte eine der Boulevardzeitungen „Heute wird Neil Shicoff neuer Staatsoperndirektor“. Hier sollte offenbar Druck auf die zuständige Ministerin Claudia Schmied ausgeübt werden. Allerdings waren die Würfel bereits anders gefallen. Ministerin Schmied hat offenbar erkannt oder wurde von ihren Beratern darauf hingewiesen, dass es einfach nicht geht, dass man Herrn Shicoff auf Kosten der Steuerzahler Staatsoperrndirektor lernen läßt.

Schon in den Tagen vor der Bestellung machte in Wien das Gerücht die Runde, dass sich die Ministerin für den Direktor des „Theátre des Champs-Elysées“, Dominique Meyer, entschieden habe. Bei der Präsentation wurde dann neben Meyer der österreichische Dirigent Franz Welser-Möst als Generalmusikdirektor präsentiert, wobei es diese Position an sich gar nicht gibt. Allerdings wurde offenbar im Vorfeld verabsäumt, klar die Kompetenzen bzw. die Zuständigkeiten der beiden Herren abzuklären, sodass es am Beginn der Saison 2014/15 zum Bruch kam.

Mit heutigem Tag endet also die Direktionszeit von Direktor Meyer tatsächlich, auch wenn sie infolge der Schließung des Hauses wegen der Corona-Krise bereits am 9. März dieses Jahres zu Ende war. Es ist also Zeit Bilanz zu ziehen und darüber nachzudenken, was von der Direktion Meyer bleiben wird.

Wenn man die Direktion Meyer im Rückblick betrachtet, so muss man sie als unauffällig bezeichnen. Es gab nur wenige Höhepunkte, wie die Abende unter Christisan Thielemann und hier insbesonders sein leider nur einmaliges Dirigat von Wagners „Ring“ die Premiere von „Anna Bolena“ mit Anna Netrebko und Elina Garanca und die Aufführungsserie von „Adriana Lecouvreur“ mit Anna Netrebko, Elena Zhidkova und Pjotr Beczala. Auf der anderen Seite gab es keinen wirklichen „Skandal“. Missfallenskundgebungen nach Premieren, meistens in Hinblick auf die Inszenierung, gehören letztlich zur Normalität in einem Opernhaus eines demokratischen Landes.

Neuinszenierungen haben einerseits die Aufgabe das Repertoire zu erweitern, andererseits weniger geglückte vorhandene Inszenierungen zu ersetzen. Was das erste betrifft, so gab es hier durchaus interessante Projekte. Da waren in erster Linie die Werke aus der Frühzeit der Operngeschichte, egal wie man letztlich zu ihnen steht. Es war nur schade, dass diese auf Händel und Gluck beschränkt waren und auf Monteverdi vergessen wurde. Dass man für die Aufführung der Händel-Opern Spezielensembles engagiert hat, war vertretbar, nicht zu akzeptieren war dies bei den Gluck-Opern, diese hätte das Staatsopernorchester besser gespielt. Ebenso positiv ist die Erweiterung des Janacek-Repertoires und die Produktion einiger Werke des 20. und 21. Jahrhunderts inkl. zweier Uraufführungen.

Leider waren jedoch viele dieser Neuinszenierung nicht nachhaltig, d.h. sie sind nach der Premierenserie wieder vom Spielplan verschwunden. Ich denke hier z.B. an „Vec Markropulos“, „Der Spieler“ oder „Samson et Dalila“. Ähnliches musste man bei Wiederaufnahmen älterer Produktionen festellen.

Die Neuinszenierung von Werken, die im Repertoire vorhanden waren, ist hingegen mit ganz wenigen Ausnahmen (Macbetto, Falstaff) missglückt iund hat uns zum Teril absolut unzulängliche Neugestaltungen beschert. Die schlimmsten Machwerke waren hier zweifelsohne „La Traviata“, „Lohengrin“, „Parsifal“, „Lucia“ und – besonders schmerzhaft – die drei Mozart-Opern „Don Giovanni“ „Figaro“ und „Zauberflöte“.

Beim Engagement von Regisseuren hatte Direktor Meyer nur selten eine gkückliche Hand. Er wollte es hier eine pragmatische Linie verfolgen und ist damit gescheitert.  

 

Über die gesamten Saisonen hinweg war der Spielpan im Verghleich zu anderen Opernhäusern durchaus respektabel, denn es wurden immer 48-50 Werke pro Saison aufgeführt. Das Problem lag im Detail. Direktor Meyer reizte die blockweise Aufführung von Opern, was heute internationaler Standard ist, insofern extrem aus, als auch Standardwerke des Repertoires darunter fielen und man diese dann oft nur in einer Serie sehen konnte und nicht, wie früher, über die ganze Saison verstreut jedes Monat ein- oder zweimal. Auch war die Zusammenstellung der Monatsspielpläne oft etwas einseitig, die richtige Mischung die alle Besucher gleichermaßen angesperochen hätte, fehlte. Besonders schmerzlich war die geringe Anzahl der Werke Richard Wagners. Sicher es gab fast jede Saison eine Aufführung des kompletten „Rings“, aber dafür fehlten andere Werke. Von den „Meistersingern“ gab es z.B. in den zehn Jahren gerade einmal vier Aufführungen. Dazu einmal befragt gab Meyer die Schuld den Tourneen der Wr. Philharmoniker, die ja einen großen Teil des Staatsopernorchesters ausmachen. Von seitens des Orchester wurde andererseits geklagt, dass man verärgert darüber sei, dass man nicht mehr Wagner und auch Richard Strauss spielen könne.

Kommen wir nun zu den Dirigenten und Sängern, dem wichtigsten in der Oper. Bei den Dirigenten konnte man bedingt zufrieden sein, auch wenn es z.B. bei Mozart doch ziemliche Probleme gab. Dass man einen Mann wir Christoph Eschenbach zwei Mozart-Premieren dirigieren ließ, war der Tradition die das Haus diesem Komponisten gegenüber verpflichtet ist, nicht angemessen. Dagegen hatte man für das italienische Fach einen verlässlichen Mann wie Marco Armiliato.

Mehr Abende hätte man sich von Christian Thielemann, dem heute wohl wichtigsten Wagner- und Strauss-Dirigenten gewünscht.

Was die Sänger betrifft, so muss man feststellen, dass die Spitzensänger unserer Zeit nur in einem ziemlich bescheidenen Ausmaß in Wien aufgetreten sind. Oft waren sie – wenn überhaupt – nur in einer Rolle pro Saison in einer Serie von 3-4 Vorstellungen zu hören, manche sogar nur über mehrere Saisonen hinweg in immer in der gleichen Rolle in nur zwei Aufführungen. Jetzt weiß man natürlich, dass die absoluten Spitze heute einigermaßen kleiner ist als früher, wesentlich mehr Opernhäuser sich bemühen, diese Sänger zu bekommen und diese wiederum weniger komplette Opernabende bestreiten möchten und oft die wesentlich lukrativeren Soloabende oder Freiluftkonzerte vorziehen, aber es liegt dann halt am Geschick des jeweiligen Direktors, diesen Sänger entsprechende Angebote zu machen. Rollendebuts wichtiger Sänger fanden fast immer wo anders statt. Dieses Manko muss man Direktor Meyer anlasten, denn ich könnte mir vorstellen, dass man z.B. Anna Netrebkos Debut in „Forza del destino“ oder jenes von Elina Garanca in „La Favorite“ bei entsprechenden Verhandlungsgeschick in Wien hätte stattfinden lassen können, zumal die Ressourcen, wenn auch in nicht unproblematischer Form, vorhanden waren.

Der Repertoirealltag war eher durchwachsen. Durchaus erfreulichen Vorstellungen folgten Abende, die man besser gleich wieder vergessen sollte. Unter den Neuengagements befanden sich ohne Zweifel Sängerinnen und Sänger die sich als Stützen des Repertoires behaupteten, in Premieren aber oft nicht reüssieren konnten, aber auch solche, für die ein Engagement an der Staatsoper zu früh gekommen ist, und die besser beraten gewesen wären, sich zunächst in kleinen und/oder mittleren Häusern ein  Repertoire aufzubauen. Bei manchen Sängerinnen – und bitte, mir das jetzt nicht als sexistisch auszulegen – mußte man leider feststellen, dass ihre gesanglichen Leistungen nicht mit ihrem attraktiven Aussehen mithalten konnten.

Nun, was bleibt von der Direktionszeit von Dominique Meyer? Ich fürchte, nicht all zuviel. Man wird sich erinnern, dass es eine Zeit ohne wirklichen Skandal war, aber auch mit nur wenigen Höhepunkten. In den Wiener Operngeschichtsbüchern wird über die Direktion Meyer – und ich habe das schon in der Einleitung meiner Kritik zu Olga Neuwirths „Oralando“ geschrieben – wahrscheinlich nur stehen, dass unter seiner Direktion erstmals ein abendfüllendes Werk einer Komponistin uraufgeführt wurde.

Allerdings, wer die Wiener Opernfreunde kennt, weiß, dass manche Meyer bereits nach wenigen Wochen des neuen Direktors nachweinen werden.

Heinrich Schramm-Schiessl  

 

 

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