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Die Brahms-Sinfonien mit dem Konzerthausorchester Berlin unter Christoph Eschenbach bei Berlin Classics erschienen/

Alexander Walther

03.10.2021 | cd

Die Brahms-Sinfonien mit dem Konzerthausorchester Berlin unter Christoph Eschenbach bei Berlin Classics erschienen/

Kompaktes Klangbild

Johannes Brahms: Symphonien Nr.1-4 (4 CDs) – jpc

Schon in seiner Zeit in Houston 1988 hat Christoph Eschenbach sämtliche Sinfonien von Johannes Brahms eingepielt. Es habe seither keinen Bruch in seiner Sichtweise gegeben. Es gebe vielmehr eine Weiterentwicklung in vielen Details, eine Weiterentwicklung in der Psychologie und damit verbunden auch in der Farbigkeit. Aber es sei keine fundamental andere Sicht, betont er. Er sei in seinem hohen Alter sehr froh, dass es immer Weiterentwicklungen gebe, wenn man sich intensiv mit der Musik beschäftige. Während die Sinfonien 1 und 3 im ausverkauften Konzertsaal zu hören waren, wurden die Nummern 2 und 4 pandemiebedingt im leeren Saal aufgezeichnet. Man habe die Bühne wegen der Abstandsregeln weiter in den Saal hineingezogen. Auch wenn er leer sei, sei der Saal akustisch einfach ideal. Die Tontechnik konnte das sehr gut ausbalancieren, so Eschenbach. Deshalb gebe es keine großen Unterschiede zwischen den Live-Aufnahmen und den Studio-Aufnahmen. Christoph Eschenbach habe Brahms sehr gut durchdacht, betont Solo-Klarinettist Ralf Forster.  Am besten ist bei dieser Aufnahme die erste Sinfonie in c-Moll op. 68 gelungen, deren im Kopfsatz mit schmerzlicher Gewalt auseinanderbrechenden Linienzüge offen zutage treten. Die starren Schläge in Bässen und Pauke gewinnen aber durchaus Transparenz. Und auch die Halbtonschritte des Themas besitzen klare Strukturen. Mit verbissener Energie drängen sie hier hervor. Gewinnende Wärme zeichnet die Wiedergabe der zweiten Sinfonie in D-Dur op. 73 aus, deren pastoraler Charakter hervorragt. Das Motiv der leisen Posaunen-Akkorde wirft  reizvolle Schatten, aber das unbeschwert aufstrebende Violinthema setzt sich im Kopfsatz mit Impulsivität durch. Die Cello-Melodie der Adagio-Melodie erreicht ungeahnte Ausdruckskraft – und das thematische Material gipfelt in einer „Hymne an die Natur“. Unpathetische Gelassenheit herrscht bei der Wiedergabe der dritten Sinfonie in F-Dur op. 90 vor. Tatkraft und idealistischer Schwung zeichnet den Kopfsatz aus. Die knappe Durchführung mit ihrer Klarinettenweise beschwört eine leidenschaftliche Glut. Auch die Klarinettenmelodie im zweiten Satz kann hier überzeugen. Der Strom des Gefühls überträgt sich auf das gesamte Orchester, in den tiefen Streichern erfolgt ein geheimnisvoll klingendes tiefes Echo. Und auch im dritten Satz ist das Motto mit sanfter Gewalt wirksam. Die düster drängende Unruhe des Finales wird überzeugend herausgearbeitet, leidenschaftliche Energien besitzen hier elektrisierende Leuchtkraft. Die „lyrische Fanfare“ führt dabei zu einem Ausgang voll ruhiger Gelassenheit. Im Kopfsatz der vierten Sinfonie in e-Moll op. 98 schließlich taucht das Motiv in den verschiedensten Verwandlungen durchaus klangfarbenreich auf. Die kunstvolle Variierung der thematischen und harmonischen Eigenheiten des Barock behaupten sich impulsiv und nirgends schleppend. Träumerische Besinnlichkeit beherrscht den zweiten Satz Andante moderato, dessen altertümlich-holzschnittartiger Charakter aber nicht übermäßig betont wird. Sehr überzeugend wird dabei die anschwellende Cello-Melodie gestaltet, das ritterliche Motv des ersten Satzes blitzt auf. Dämonisch heiter erscheint der  dritten Satz in seiner seltsamen Ausgelassenheit. Im vierten Final-Satz hat Brahms die Form der Sonate mit jener der Chaconne verbunden – und der Passacaglia-Charakter hellt sich nach Dur auf. Da dirigiert Eschenbach das Orchester sehr zielsicher. Die unerbittliche Stimmung zeigt sich auch in den Holzbläsern, wird aber wirkungsvoll abgefedert.

Alexander Walther 

 

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