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Diana HALLER (Mezzosopranistin). Perfektionistin mit Herz und Gefühl

15.12.2017 | Sänger

Im Portrait: Mezzosopranistin  D I A N A    H A L L E R

Perfektionistin mit Herz und Gefühl

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Diana Haller. Copyright: Martin Sigmund

Große Namen des klassischen Gesangs zieren ihre Studienzeit und begleiten sie weiterhin in ihrem Berufsleben: die 1986 im kroatischen Rijeka geborene Diana Haller hat sich für ihren stimmlichen Aufbau bewusst vokal so unterschiedlich ausgerichtete Persönlichkeiten wie Gloria Scalchi und Cinzia de Mola in Triest, Anne Howells in London, (ihre Landsmännin) Dunja Vejzovic in Stuttgart und als heute beständigste Lehrerin Brigitte Fassbaender ausgesucht, um mit möglichst verschiedenen Richtungen und Einflüssen des Gesangs für einen flexiblen Einsatz ihrer Stimme vorbereitet zu sein.

Dabei studierte Diana Haller zuerst Klavier, doch als ihre Lehrerin meinte, sie müsse mal zu einer Gesangslehrerin gehen, um Bögen, die am Klavier nicht möglich sind, zu singen, riet ihr diese den Gesang weiter zu verfolgen. Unterstützt durch ihr erstes Opernerlebnis in Rijeka, eine „Traviata“, zu der sie ihre Opern liebende Großmutter mitgenommen hatte, folgte sie diesem Rat und spürte bald, dass sie ihr Temperament im Gesang besser umsetzen, genauer gesagt artikulieren könnte. In der Tat, wer sie bereits auf der Bühne in einer ihrer großen Partien erleben konnte, spürt die bei aller Feinheit ihrer Interpretationen dahinter stehende Glut. Aus Sizilien stammende Vorfahren mögen ihr ebenso die Gene dafür gegeben haben, wie die generelle Nähe ihrer Heimat zu Italien, zumal im südlichen Kroatien, wo Italienisch die erste Fremdsprache ist.

 

Vielseitige Ausbildung

Der Vater, ein Mediziner, hätte sie gerne auch als Ärztin gesehen (diesenWunsch erfüllten dann ihre beiden jüngeren Geschwister), doch die Eltern unterstützten sie letztlich hundertprozentig in ihrem Bestreben, Sängerin zu werden. Dafür sollte ihr zunächst die renommierte Landsmännin Dunja Vejzovic den Weg weisen, wobei sie gar nicht genau weiß, auf welchem Weg ihre Mutter an sie heran gekommen war, damit Diana bei ihr vorsingen konnte. Der Vortrag einer Arie aus Händels „Rinaldo“ überzeugte jedenfalls die hauptsächlich im deutschen Fach bekannt gewordene Gesangspädagogin, und so setzte Frau Haller ihre Studien am Staatlichen Musik-Konservatorium Giuseppe Tartini in Triest in der Klasse von Gloria Scalchi fort. Auf diese Belcanto-Spezialistin folgte mit Cinzia de Mola, unter deren Leitung sie ihren Bachelor-Abschluss machte, eine Kontra-Altistin. Mit Anne Howells, in deren Klasse an der Londoner Royal Academy of Music sie den Master of Arts absolvierte, gewann sie Einflüsse einer universellen Mezzosopranistin, ehe sie an der Stuttgarter Musikhochschule in der Opern- und Liedklasse von Dunja Vejzovic, einer ausgeprägt dramatischen Stimmfach-Vertreterin, weitere Studien anhängte.

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„La Cenerentola“ (mit Morsch, Palka). Copyright: A.T.Schaefer

Durchbruch in Stuttgart

Mit dieser bemerkenswert alle Fachausrichtungen ausgeschöpften Ausbildung kam Diana Haller zur Spielzeit 2009/2010 ins Stuttgarter Opernstudio, von wo aus sie in kleineren Partien u.a. in „Katja Kabanova“, „Les dialogues des Carmélites“ und „Luisa Miller“ auf sich aufmerksam machte. Als jüngstes Mitglied wurde sie danach ins Ensemble der Stuttgarter Oper übernommen und bald mit umfangreicheren Partien betraut: Prinz Orlovsky, Cherubino, Dorabella, Rosina. Spätestens jetzt, wo sie sich als gleichfalls technisch versierte wie vokalen und darstellerischen Ausdruck herausragend in Übereinstimmung bringendes Talent mehrfach bewiesen hat, war klar, dass ihr getrost eine Premiere mit einem Rollendebut anvertraut werden konnte. Rossinis „Cenerentola“ brachte sodann 2013 ihren Durchbruch als Künstlerin. Eine große Verantwortung sei ihr da 26jährig übertragen worden. Umso größer war die Freude, als sie damit eine Initialzündung für ihre bis heute am häufigsten interpretierte Rolle legte, die Eltern ohne ihr Wissen zur Premiere anreisten und zufällig am gleichen Tag Kroatien in die EU aufgenommen wurde!

 

Internationale Erfolge + Auszeichnungen

2014 folgte ein erster internationaler Höhepunkt, als sie aufgrund eines Vorsingens in Wien für die New Yorker Metropolitan Opera zum Cover für Rosina und Angelina ausgewählt wurde. Auch wenn sie letztlich keine Vorstellung übernehmen musste, betrachtet sie die dort gewonnenen Erfahrungen während der Anwesenheit von drei bis vier Monaten für die komplette Probenzeit der gesamten Notfall-Besetzung als unschätzbare Praxis-Hilfe, zumal sie  von Joyce Di Donato, ihrer renommierten Angelina-Kollegin, auch im persönlichen Gespräch viel lernen konnte.

Im gleichen Jahr trat sie auf bedeutendem Festspiel-Parkett in Salzburg als Ines in „Il trovatore“ neben Größen wie Anna Netrebko und Placido Domingo in Erscheinung und machte obendrein noch mehr von sich reden, als sie ebenda für die erkrankte Elina Garanca mit anderen Kollegen einen Liederabend übernahm und sich mit Hugo Wolf –Liedern vorstellte. Ihre besondere Neigung zu diesem Komponisten, dessen Liedschaffen ebenso von Klugheit wie Ironie geprägt sei, und wo sich der tiefere Sinn nicht nur aus den Texten, sondern vor allem aus dem Klavierpart erschließt, überzeugte denn auch die Jury beim Internationalen Hugo Wolf-Wettbewerb 2012 in Stuttgart, ihr den 1. Preis zu verleihen.

Bereits ein Jahr zuvor wurde sie mit dem International Belcanto Award beim Rossini-Festival in Bad Wildbad ausgezeichnet, wo sie in einer sogenannten Salon-Oper (die Begleitung ist lediglich für zwei Klaviere eingerichtet), Balducci’s „Il noce di Benevento“ aufgetreten war.

Besonders freut sie sich auf die beiden Preise (einmal für herausragende musikalische Leistungen, einmal als beste junge Musikerin des Jahres 2013), die ihr in Kroatien zuteil wurden, denn im eigenen Land folgt der Ruhm in der Regel erst nach dem Renomee im Ausland. Doch Diana Haller erhielt schon bald Einladungen nach Zagreb, wo u.a. der Nationale Rundfunk mit ihr die erste CD mit einem Liedprogramm (Wolf und Schumann) veröffentlichte. Ebenfalls in ihrem Heimatland feierte sie Debuts als Dido in Purcells früher Oper und als Händels Giulio Cesare. Der maßgebliche Barock-Komponist wurde sodann neben Rossini zu ihrem wesentlichen Repertoire-Standbein, als sie mit Ruggiero in „Alcina“ außer in Stuttgart auch in Köln und Dresden gastierte und im vergangenen Frühjahr die Titelrolle in „Ariodante“ übernahm.

Beide bieten herrlichen Belcanto und sind im Zugang doch so unterschiedlich. Während bei Rossini trotz aller Zierwerk-Freiheiten das Wesentliche genau vorgeschrieben ist, müsse sie bei Händel jeweils einen passenden Ton finden und im Rahmen eines großen Gestaltungsraumes, der durch die nicht so genaue Kenntnis des Originals gegeben ist, nur den richtigen Stil einhalten.

 

Kreativität und Offenheit

Beim Lied wiederum legt sie größeren Wert auf die Interpretation des Textes als auf eine perfekte Technik, die Behandlung jedes Liedes als ein kleiner Diamant erfordere jedoch mehr Konzentration als ein Operneinsatz, wo es längere Gestaltungsbögen gibt. Wie auch einst ihre derzeitige private Lehrerin Brigitte Fassbaender pendelt sie ständig zwischen beiden Bereichen, wozu auch noch Auftritte im Konzert zählen, sowohl weltlicher wie geistlicher Natur. Dass sie auch da das Gespür für den richtigen Tonfall hat und sich obendrein neue Aufgaben schnell aneignen kann, offenbarte die zufällige Begegnung mit ihr bei einem Kirchenkonzert, wo sie kurzfristig für eine Studienkollegin eingesprungen war und ihre stilistische wie interpretatorische Einfühlsamkeit in zwei eilends gelernten Bach-Kantaten bewies, nachdem sie am Vorabend noch als Angelina im Münchner Gärtnerplatztheater aufgetreten war. Dies erfordere und fördere gleichzeitig den flexiblen Einsatz der Stimme wie auch die Kreativität. Ein Künstler muss kreativ sein, bekennt Diana Haller bestimmt, er muss sich einlassen auf ungewöhnliche Rollenzugänge, die heutzutage von Regiehand gefordert werden.

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„Ariodante“. Copyright: Christoph Kalscheuer

Vokale Entwicklung und Zukunftsmusik

In Abstimmung mit Frau Fassbaender verfolgt sie ihre stimmliche Entwicklung ganz genau, um zum richtigen Zeitpunkt das Repertoire entsprechend zu erweitern. Die Tiefe ist inzwischen fülliger, die Mittellage noch stabiler und die Höhe durchsetzungskräftiger geworden. So probiert sie nach der Enrichetta in „I Puritani“ in Stuttgart mit der Adalgisa  in Rijeka eine weitere Bellini-Partie aus, denkt so langsam an dessen und Donizettis etwas dramatischeres Belcanto-Fach. Während sie die ihr schon mehrfach angebotene „Carmen“ aufgrund deren eingleisigem und somit für sie uninteressantem Charakter trotz herrlichster Musik weiterhin ablehnt, denkt sie eher an die deutsche Oper, in die sie mit dem Hänsel in der Stuttgarter Neuproduktion erstmals eingestiegen ist und eine andere, weniger von Virtuosität geprägte Seite von sich zeigte. Einerseits Octavian, andererseits mal eine Fricka – so könnte die Zukunft der Diana Haller ebenso ausschauen wie die Erarbeitung des Verdi-Faches mit einer Lady Macbeth als Höhepunkt. War bei ihren letzten Vorstellungen ein nach und nach hellerer, zum Sopran neigender Klang in der oberen Lage sowie im Spitzenbereich aufgefallen, so bestätigt sie prompt nicht abgeneigt zu sein, wie viele Fachkolleginnen auch, mal ein paar Ausflüge ins höhere Stimmfach zu machen, wenn sie sich reif dafür fühlt. So gut es irgendwie geht, möchte sie jedoch immer zu leichteren Partien zurück kehren können, um die Geschmeidigkeit zu bewahren und ihren Beruf letztlich möglichst lange ausführen zu können. Diesbezüglich ist ihr Fachkollegin Helene Schneiderman ein großes Vorbild, mit der sie zusätzlich die schöne Parallele verbindet, dass die Stuttgarter Kammersängerin rund 30 Jahre vor ihr ebenfalls als Angelina ihren Durchbruch hatte.

Ein bemerkenswert klares Bekenntnis ist ihre Ablehnung der Einstudierung moderner Kompositionen, bevor sie sich nicht die Musikgeschichte über den Weg der Spätromantik erarbeitet und für ihre Stimme erforscht hat. Und ihrer überzeugenden Einstellung, dass trotz der Wichtigkeit des Stils und der Technik das Herz und Gefühl an erster Stelle stehen sollten, dürfte sie auch den großen Publikumszuspruch zu verdanken haben. Bei aller Perfektionierung, die sie anstrebt, müssen diese beiden Parameter immer die tragenden Stützen sein. Nur so kann Gesang dem Publikum etwas vermitteln, ihn nahe bringen und emotional erlebbarer machen. Gerade in Kroatien, wo sie bei ihren Gastspielen ein weitaus überalterteres Publikum feststellt als bei uns, sieht sie genau diesen Zugang in Verbindung mit der schon erwähnten Kreativität und Flexibilität als Grundvoraussetzung für die Gewinnung jüngerer Besucher.

Diana Haller als Gesamtkunstwerk aus künstlerischer Überzeugungskraft und menschlicher Hingabe sollte jedenfalls ein Vorbild für die nachrückenden Generationen sein.

Udo Klebes

 

 

 

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