DIANA HALLER: Leidenschaft in allem: Stimmfachwechsel, Regie, Unterricht und kulturelles Ehrenamt

Diana Haller . Foto: Mateo Levak
Sie war 2009 eine der ersten Absolventinnen des damals neuen Opernstudios der Staatsoper Stuttgart, kam ein Jahr später bereits fix in deren Ensemble und gilt spätestens seit ihrem Debut als Cenerentola 2013 als besondere Publikumsfavoritin. In einem Portrait 2017 wurden bereits ihr Werdegang, ihr bis dato aufgebautes Repertoire sowie ihre besonderen stimmlichen Merkmale und Vorzüge vorgestellt. Inzwischen ist Diana Haller Kammersängerin der Staatsoper Stuttgart geworden, hat eine Unterrichtstätigkeit an der Musikhochschule Stuttgart begonnen und einen Stimmfachwechsel zum Sopran begonnen. Letzteres hatte sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren schon bemerkbar gemacht. Vor Ort hat sich das zwar bislang nur in der Partie der Elettra in Mozarts „Idomeneo“ im November 2024 konkretisiert, doch haben gute Ohren schon eine Weile eine Aufhellung des Timbres registriert. Und das unter Beibehaltung einer zuverlässigen Tiefe sowie dunkler Farben, was es ihr erlaubt, künftig Partien beider Fächer einzustudieren. Wie sie im auch jetzt wieder lebhaft interessierten Gespräch erläutert, hat sie sich intensiv mit Traktaten über die Sänger und die Gesangskunst der Belcanto-Zeit beschäftigt. Ein wesentlicher Aspekt der Gesangsstimmen im 19.Jahrhundert bilden die damals nicht so klar nach Stimmfächern unterschiedenen Partien. Am Beispiel von Giuditta Pasta erklärt sie, wie eine Sängerin über drei Stimmen verfügen konnte, die z.B. wie sie parallel eine Kontra-Altpartie wie den Tancredi und die dramatischere Koloraturrolle der Semiramide bewältigen konnte.
Um diesen Spagat in gewisser Weise zu erreichen, hat sie sich schon lange ihre Disziplin als auch studierter Pianistin angeeignet, so viele Stunden wie möglich konzentriert zu üben, und zwar nicht nur die Töne, sondern die Technik. Dabei hat sie gelernt nur mit Luft zu singen, um in der Bruststimme keinen Druck zu erzeugen, sie einerseits zu verlängern und zu vergrößern, aber auch in der Höhe immer weiter auszubauen. Als Ergänzung zum Verständnis der menschlichen Stimme studierte sie noch Anatomie-Bücher.
Zum Glück ist ihre Stimme robust, weshalb eine Norma jetzt im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegt. Um solche Herausforderungen einzuschätzen und auszuloten benötigt es eines ausgezeichneten Sänger-Coachs wie Dorothea Schwarz von der Stuttgarter Oper, die die alte Schule kennt und ihr eine unschätzbare Hilfe ist.
Im Sopran-Bereich hat Diana Haller bereits als Madame Cortese in „Il viaggio à Reims“, als Leonora in „Il trovatore“ und der Desdemona in Rossinis „Otello“ erste Schritte unternommen. Gerade letztere war insofern sehr wichtig, weil sie Gelegenheit gab, auch das speziell lyrische Element eines Soprans zu berücksichtigen, das sie von Natur aus nicht hat und sich deshalb erarbeiten musste. Über weitere Belcanto-Partien gedenkt sie dann weiter ins Verdi-Repertoire, darauf aufbauend in den Verismo und irgendwann auch ins Wagner-/Strauss-Fach vorzudringen. So lange wie möglich wünscht sie sich allerdings auch das Mezzo-Reservoir zu bedienen und weiterhin eine Eboli, einen Octavian oder Komponist zu verkörpern, wobei nicht übersehen werden darf, dass so manche Mezzo-Partie phasenweise höher notiert ist als im Sopran-Feld. Eine Rolle wie die Amneris in „Aida“, die sie jetzt auszugsweise in einem Konzert in Hamburg probiert hatte, traut sie sich jedoch aufgrund der teilweise verlangten voluminösen Tiefe (Gerichtsszene) nicht zu. Schließlich müsse man als Musiker auch bescheiden sein und sich eingestehen im Auftrag der Komponisten zu handeln.
Vorprogrammiert ist aktuell die Maria Stuarda, obwohl deren härtere, mit dunkleren Farben behaftete Gegenspielerin Elisabeth I.genauso gut in ihrem Bereich liegen würde. Wichtig wäre es dann beide gut in ihren Unterschieden zu erarbeiten. Es ist alles auch eine Frage der Einteilung und des Abstandes zwischen den Auftritten. Üben und proben kann sie das relativ dicht aufeinander, aber zwischen Aufführungen beider Stimmfächer müßten mindestens zwei bis drei Tage liegen. Nicht zuletzt hängt die Flexibilität auch vom gesundheitlichen Zustand ab.
Aufgrund ihrer zweifachen Stimmbedienung sind sogenannte Hybrid-Rollen besonders gut für Diana Haller geeignet. So kann z.B. die Donna Elvira in „Don Giovanni“ sowohl von einem Sopran als auch von einem Mezzo bewältigt werden. Physisch und musikalisch betrachtet bezeichnet sie diesen Part als Achterbahnfahrt. Sehr kurz, aber treffsicher auf den Punkt muss eine andere Partie dieser Kategorie, die Fremde Fürstin in „Rusalka“ erfüllt werden. Ein Zwitterpart, einerseits ein dramatischer Sopran deutscher Natur, aber andererseits mehr der italienischen Oper nahe – eine „kleine Abigaille“ nennt sie Diana Haller. So etwas muss sich leicht anhören, ansonsten sei man technisch nicht gut vorbereitet.
Möglichst gut präparieren möchte sie auch ihre Schüler, mit einer gewissen Härte, um zu vermitteln wie schwer dieser Beruf ist, aber immer mit Respekt. Manche träumen, aber es muss ihnen auch bewusst gemacht werden, dass es nach dem Studium gleich weitergehen sollte, um nicht auf der Straße zu stehen, schließlich sollen sie davon ja auch leben.
Und als ob sie der Beruf als Sängerin und Lehrerin noch nicht genug auslasten würde, betreibt sie derzeit ein Fernstudium in Kultur-Management in Hamburg. Denn sie möchte außer singen und unterrichten auch Jobs für Studenten schaffen, ihnen im Rahmen ihrer ersten Jahre nach dem Studium Auftrittsmöglichkeiten vermitteln. Dazu passt nun ihre neueste Aufgabe als Vorsitzende des Vereins Kammeroper Weißenhorn in der gleichnamigen Kleinstadt südöstlich von Ulm. Der seit 1974 bestehende Verein hat seinen langjährigen Vorstand verloren und sie nun als Nachfolgerin bestellt. Doch wie kommt sie zu einer solchen Position? Im Gespräch stellt sich schnell heraus, dass Diana Haller schon seit vielen Jahren (2011) diesem kleinsten bespielbaren Theater in Bayern verbunden ist. Einerseits als Sängerin und – eines ihrer weiteren Betätigungsfelder – als Regisseurin. Angefangen hat es mit szenischen Arrangements von Arien und Opernszenen, dann wurden es ganze Werke, wobei die Besonderheit dieser Kammeroper darin besteht, aufgrund ihrer bescheidenen räumlichen Möglichkeiten Aufführungen nur mit Klavier oder Salonorchester-Besetzungen sowie ohne Chor, deren Part in den Ensembles teilweise von den Solisten übernommen wird, durchführen zu können. In diesem Zuge hat sie bereits Telemanns „Pimpinone“, Glucks „Orfeo ed Euridice“ sowie Bellinis „Norma“ und „I Capuleti e i Montecchi“ auf die Bühne gebracht und selbstredend in einer der Hauptrollen debutierend mitgewirkt. Auf diese Rollen angesprochen, meint sie, den Gluck’schen Orfeo wohl aufgrund der zu tiefen Lagen nicht mehr singen zu können, sehr wohl aber den Bellini’schen Romeo.
Außer ihren vokalen Engagements wird sie dort im Zuge der allgemeinen Schwächung kultureller Förderung verstärkt um mehr private Sponsorenschaft kämpfen, Neugier wecken auch in der Umgebung, speziell auch in den Schulen und nicht zuletzt der Stadt bewußt machen, in dieses Theater zu investieren, Spenden zu sammeln, um es zu erhalten. Es gilt neues Publikum zu gewinnen, speziell für Familien vergünstigte Preise anzusetzen, aber auch neue Formen von Veranstaltungen zu finden wie derzeit als Auftakt mit einem ungewöhnlichen Liederabend, in dem Goethe-Texte in jeweils drei verschiedenen Vertonungen vorgestellt werden, wobei das Publikum den jeweiligen Favorit wählen darf, aber erst am Ende darüber aufgeklärt wird, wer die dazu gehörenden Komponisten sind. Moderieren wird dieses originelle Format kein Geringerer als der populäre Schauspieler und Showmaster Harald Schmidt.
Für dieses Ehrenamt brennt Diana Haller wie für alle ihre Einsätze, denn Kunst, Theater und speziell Musik muss bewegen, die Sinne anregen, Probleme außen vor und einen Stein wegfallen lassen. Wie bescheiden sie auch ist, hat sich z.B. gezeigt, als sie in der vorletzten Spielzeit in ihrer Heimatstadt Rijeka Donizettis „Anna Bolena“ inszeniert und zudem deren Kontrahentin Giovanna Seymour interpretiert, aber die Premiere der alternativ angesetzten Kollegin überlassen hatte, die viel mehr in den musikalischen Probenprozess einbezogen war.
Zuletzt besteht die Frage, wie sie das alles schafft, unter einen Hut zu bringen. Ihr als Kroatin naheliegendes italienisches Temperament in Verbindung mit ihrer schon erwähnten Disziplin hilft ihr wohl dabei, all ihren Engagements gerecht zu werden. „Positiv bleiben, auch in Problem-Situationen“, lautet ihre Devise.Wir wünschen weiterhin so viel Leidenschaft, Kraft, Begeisterung und vorbildliche Haltung und dürfen gespannt auf alle kommenden Taten sein.
Udo Klebes / November 2025

