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Deutsche Oper Berlin: Vom Regen in die Traufe. Die Deutsche Oper Berlin kürt Aviel Cahn zum neuen Intendanten

10.02.2023 | Themen Kultur

Vom Regen in die Traufe

Die Deutsche Oper Berlin kürt Aviel Cahn zum neuen Intendanten

Ein Kommentar

Von Kirsten Liese

Der 48-jährige Schweizer Aviel Cahn, aktuell noch Intendant in Genf, wird 2026 Intendant an der Deutschen Oper Berlin. Mir bereitet diese Personalie großes Unbehagen, da ich den Namen mit einer miserablen künstlerischen Ausrichtung verbinde.

Ich muss vorausschicken, dass ich mich gerade in das Genfer Opernhaus verliebt hatte, kurz bevor Cahn dort 2019 Intendant wurde. Eine fulminante Aufführung von Wagners Ring zur Wiedereröffnung nach der Sanierung des Hauses und eine ebenso sehr ansprechende Neuproduktion von Verdis Maskenball waren das Einzige, was ich dort noch unter der trefflichen Intendanz von Tobias Richter erwischen konnte.

Der Spielplan, den Cahn dann zu seinem Einstand auf einem Presselunch in der Schweizer Botschaft in Berlin präsentierte samt seiner Ausführungen weckten bei mir allerdings schon derart ungute Gefühle, dass ich mich nicht dazu durchringen konnte, auch nur eine dieser Produktionen erleben zu wollen. Denn Politik ist Cahn weit wichtiger als die Kunst, weshalb ihn vermutlich auch der linke Berliner Kultursenator Klaus Lederer für sich als idealen Kandidaten ausgemacht hat. Und genau das hat der Schweizer nun auch für Berlin angekündigt: Politischer, jünger und diverser will er das Opernhaus machen.

Ausgewählte Rezensionen zu den Produktionen in Genf übertrafen dann fast noch meine schlimmen Befürchtungen. Ein paar Zitate daraus mögen einen Vorgeschmack geben, wohin die Reise nun wohl auch in Berlin gehen wird.

So schrieb Charles Ritterband in dem Blog Klassik begeistert 2020 über die offenbar komplett entstellte Entführung:

„Mir persönlich ist der gute, alte, anachronistisch-barocke, von mir aus xenophob-sexistische Mozart dann doch hundert Mal lieber als der Murks einer politisch korrekten, zeitgenössischen Interpretation“.

Eine türkische Menschenrechtsaktivistin hatte zu dieser Inszenierung von Luk Perceval ein komplett neues Libretto geschrieben. „Die Texte in denen es zumeist um die unterdrückte Kindheit einer jungen türkischen Frau geht“, meint Ritterband, „klingen doch etwas bemüht, belehrend – und etwas larmoyant, so gut sie auch formuliert sein mögen.“ Zudem erschien es ihm als eine „Respektlosigkeit Mozart gegenüber“, dass diese Texte noch über die Musik gesprochen wurden.

En passant bemerkte der Kollege noch, dass viele Plätze  leer blieben, „was bei einer der beliebtesten Mozart-Opern in einer Schweizer Metropole doch eher erstaunlich ist.“ Und weiter: „Die Sache stieß beim […]  Genfer Publikum doch ziemlich weitgehend auf Unverständnis. Jedenfalls war dies den unverhohlenen Kommentaren des Publikums beim Verlassen des Saales und den vereinzelten, aber deutlich vernehmbaren Buh-Rufen zu entnehmen.“

Kaum vielversprechendere Worte fand Jan Brachmann 2021 in der FAZ über das Regie-Debüt von Milo Rau in Genf, der sich mit seiner Deutung von Mozarts Titus wohl ebenfalls mehr als Aktivist denn als Regisseur einbrachte. Jedenfalls holte er gleich einen ganzen Pulk an Genfer Migranten als Komparsen auf die Bühne.  

Die Musik wurde dabei zur „Nebensache“, resümiert Brachmann: „Wenn die großartige, innig glühende Anna Gorjatschewa als Sextus oder der fast visionär predigende Bernard Richter als Titus singen, wird die Bühne geflutet mit Videos und Kommentaren zur Biografie der Darsteller. Der Dirigent und Pianist Maxim Jemeljanytschew […] muss die Degradierung der Musik zur Zweitrangigkeit kompensieren, indem er die Begleitung der Secco-Rezitative zu freien Fantasien aufbauscht und das Klangbild des Orchester … dauerhaft aufrauht.“

Gewiss, bei diesen Pressestimmen handelt es sich um Einzelmeinungen, aber die „künstlerische Ausrichtung“- ganz gleich wie man sie bewerten mag – vermittelt sich doch darüber unweigerlich sehr plastisch.

Schon der amtierende Intendant Dietmar Schwarz brachte an der Deutschen Oper kaum „Nennenswertes“ hervor, von dessen Ära Manuel Brug in der „Welt“ passend als einer „bleiernen Opernzeit“ spricht.

Nur wage ich zu bezweifeln, dass Aviel Cahn unter den genannten Vorzeichen der Richtige ist, um den Kurs entscheidend zu ändern. Ich befürchte eher, dass er den künstlerischen Niedergang noch beschleunigen wird. Und hoffe, dass ich mich täusche. Denn wiewohl ich schon längst ein seltener Gast geworden bin, hängt doch mein Herz an diesem Opernhaus, dessen glanzvolle Zeiten ich in meiner Kindheit noch erleben durfte. Und es erschreckt mich, wie das Publikum ohne ein Wörtchen mitreden zu können, mit dieser Ernennung vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

Kirsten Liese

 

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