Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DESDEN/ Residenzschloss: GLANZVOLLER 170. GEBURTSTAG DES TONKÜNSTLERVEREINS DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

02.07.2024 | Konzert/Liederabende
Dresden/Residenzschloss:  GLANZVOLLER 170. GEBURTSTAG DES TONKÜNSTLERVEREINS DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 1.7.2024

1854 gründeten etablierte Mitglieder der Dresdner Hofkapelle, die nach neuen Herausforderungen suchten, den Tonkünstlerverein, um sich der Kammermusik zu widmen, was zur Tradition der Kammerabende und Aufführungsabende der Sächsischen Staatskapelle führte.

Da, wo alles begann, im Dresdner Residenzschloss, wo Heinrich Schütz die damalige Hofkapelle bei weltlicher und geistlicher Musik leitete und mit seinem neuen, von Italien geprägten Kompositionsstil die neue (deutsche) Musikentwicklung begründete, fand nun aus Anlass des 170jährigen Bestehens des Tonkünstlervereins ein Wandelkonzert durch die bedeutendsten Räume des Schlosses in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden statt.

Die besten Musiker der Staatskapelle führten in den ausgewählten Räumen in immer  neuer Besetzung passende kammermusikalische Werke vom Duo bis zum Oktett auf, die sowohl zum Charakter des Raumes passten, als auch eng mit der Geschichte Dresdens und speziell des Schlosses verbunden sind. Das Publikum pilgerte von einem Konzert zum anderen, geführt und versiert informiert von Cellist Matthias Wilde, der auch mit seinem Instrument bei der Kammermusik mitwirkte.

Von der Galerie des (jetzt überdachten) „Kleinen Schlosshofes“ aus der Zeit der Renaissance erklang – wie damals um 1760 – eine „Fanfare“ eines Dresdner Anonymus aus dieser Zeit, sehr sauber geblasen von sechs Trompetern der Sächsischen Staatskapelle, festlich und klangschön und in völliger Übereinstimmung von Zeit, Raum und Historie. Dass durch die Überdachung, auf die vorher ein Platzregen überlaut getrommelt hatte, der Klang etwas „überschallig“ wirkte, nahm man da gern hin.

Über die große, repräsentative „Englische Treppe“, ein architektonisches Kleinod, das 1692 erbaut und 1693 anlässlich der Investitur des Kurfürsten Johann Georg IV als Ritter des englischen Hosenbandordens seinen Namen erhielt, bei einem Schlossbrand 1701 zerstört und nach Plänen von M. D. Pöppelmann, dem Baumeister des Dresdner Zwingers, wieder neu gebaut wurde, führte der Weg vorbei an einer Vitrine mit dem Taktstock von Franz Liszt, Mitglied des Tonkünstlervereins, in den, in barocker Pracht erstrahlenden, „Kleinen Ballsaal“.

Hier erklang eine „Fantasie“ (auszugsweise) für Flöte und Harfe mit einem Thema aus C. M. v. Webers „Freischütz“ von Anton Bernhard Fürstenau (1792-1852)), einem der herausragendsten deutschen Flötisten, Komponist und Königlich-sächsischer Kammermusiker in Dresden (Rozália Szabó und Astrid von Brück). Ein Satz aus einem Klaviertrio von Clara Schumann, auch ein Mitglied des Tonkünstlervereins, was damals eigentlich nur den Herren vorbehalten war, schloss sich an. Dann folgte der grandios und mit Vehemenz gespielte 3. Satz aus der „FAE-Sonate) von Ehrenmitglied Johannes Brahms und ein Satz aus einem Trio „schnell und prickelnd“ von Mitglied und  Wahldresdner Felix Draeseke (1835-1913).

Weiter durch die prunkvollen Räume ging es zum „Riesensaal“, wo die „Canzona Verleih uns Frieden“ von Heinrich Schütz, dem langjährigen und einem der bedeutendsten Leiter der Kapelle, sehr ausgeglichen und klangschön zu erleben war, von Antonio Vivaldi, bei dem Schütz ein Jahr studiert hatte und der für die Dresdner Hofkapelle seine „Concerti per l’Orchestra di Dresda“ verfasste, ein „Konzert für Fagott, Streicher und Basso continuo“  , und von Jan Dismas Zelenka, der vor allem die Kirchenmusik am Dresdner Hof leitete und dessen Kompositionen jetzt die Welt für sich entdeckt, ein Satz aus einer seiner Sonaten.

Was könnte besser in die „Türckische Kammer“ mit Zelten und sonstige Dekorationen aus dem legendären „Zeithainer Lustlager“ Augusts des Starken, einem „Militärmanöver“ im Jahr 1730, wo es mehr Zeitvertreib, unter anderem auch eine Oper(!), als militärisches Exerzieren gab, als Ausschnitte aus „Die Entführung aus dem Serail“ (für Instrumente bearbeitet) von W. A. Mozart, der Dresden zweimal besuchte,

Im „Eckparadesaal“, Teil der Prunkräume Augusts des Starken, luden die Musiker zum Höhepunkt barocker Festlichkeit ein mit Musik von Johann Joachim Quantz, dem Flötisten des sächsischen Kurfürsten und König von Polen in Dresden, und späterem Flötenlehrer des Preußenkönigs Friedrich II. in Berlin und Potsdam, von dem eine „Triosonate für Flöte, Violine und Basso continuo mit der Soloflötistin der Staatskapelle (Sabine Kittel), die Opern und Konzerten mit ihren Soli stets das glanzvolle i‑Tüpfelchen verleiht, erklang, und von Johann Adof Hasse, dem berühmten Kapellmeister am Dresdner Hof, zwei Sätze aus einer seiner Sinfonien.

Da die Schlossherren Kunst ihrer Zeit sammelten, wurde im Schloss auch eine „Kunstkammer Gegenwart“ mit bedeutsamen Kunstwerken neuerer Zeit aus Dresden eingerichtet. Hier wurde mit ungewöhnlichen Werken an Hans Werner Henze, der nach der Aufführung seiner letzten Oper „Wir überschreiten den Fluss“ in Dresden verstarb, Siegfried Matthus, der Semperoper und Sächsischer Staatskapelle sehr verbunden war, und den Prager Erwin Schulhoff, der 1919/20 in Dresden wirkte, erinnert.

Zurück im „Kleinen Schlosshof“ schloss sich der Kreis, wo eine sehr gefällige, liebevoll musizierte frühe „Serenade“ (op. 7) von Richard Strauss erklang, die erste Uraufführung für ihn durch den Tonkünstlerverein, und zum Abschluss der lustige, „hüpfende“ Satz „Speedy“ aus einer „Suite für Horn und Streichorchester“ von Corrado Maria Saglietti (Solistin: Marie-Luise Kahle).

Manche Musiker traten solistisch auf, andere mitwirkend, einige mehrmals (Susanne Branny, Jörg Faßmann u. a.), manche nur einmal. Manche passten sich dem jeweiligen Raum hinsichtlich Lautstärke gut an, andere spielten wie gewohnt, allen aber war gemeinsam, dass sie sich sehr engagiert, mit Stilgefühl und Können und der gleichen Gewissenhaftigkeit wie bei Oper und Symphoniekonzerten der Kammermusik widmeten.

Es war ein außergewöhnliches Konzerterlebnis, nicht nur in dieser außergewöhnlichen Form des Wandelkonzertes, sondern auch in dieser idealen Verbindung von Musik, Architektur, Bildender Kunst, Malerei und Historie.

Ingrid Gerk

 

 

Diese Seite drucken