Dresden/Frauenkirche: „WEIHACHTSORATORIUM“ VON JOHANN SEBASTIAN BACH MIT ALLEN SECHS KANTATEN – 11./12.12.2023
„Jauchzet, frohlocket …“ heißt es alle Jahre wieder, wenn Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium in Kirchen und Konzertsälen in Deutschland landauf landab erklingt und sich für jede Aufführung eine große Hörergemeinde zusammenfindet. In der Frauenkirche konnten die Besucher zwischen einer Aufführung von allen sechs Kantaten an einem Abend oder je drei an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in chronologischer Reihenfolge wählen. Kein Werk ist in Deutschland in der Vorweihnachtszeit so beliebt wie gerade Bachs “Weihnachtsoratorium“, obwohl es doch zahlreiche, ebenfalls sehr schöne Kompositionen für diese Zeit gibt.
Am beliebtesten sind die ersten drei Kantaten, aber die anderen sind mindestens genau so beeindruckend, erobern aber erst nach und nach die Gunst des Publikums, nicht zuletzt durch die Aufführungen vor Weihnachten, wo es alle Varianten und „Mischungen“ der Kantaten gibt, obwohl Bach alle Kantaten für die Zeit zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag (1734) und dem Epiphaniasfest (6. Januar) komponiert hat. Dem entspricht auch der Text, den man bei Solisten und Chören meist nur noch selten versteht. Wenn er auch manchem Zuhörer verständlicherweise antiquiert erscheint, gehört er doch untrennbar zur Musik, da Bach die Musik oft aus dem Text, zuweilen auch lautmalerisch, erfunden hat. Man kann doch die Texte auch historisch, als Eindruck von einer vergangenen Epoche betrachten.
Ein Besuch des „Weihnachtsoratoriums in der Frauenkirche gehört besonders für die zahlreichen Besuch der Stadt, die aus ganz Deutschland und weiter anreisen, einfach zu Weihnachten dazu.
Mit dem ensemble frauenkirche und dem Kammerchor der Frauenkirche standen zwei tragfähige Säulen für die Aufführung zur Verfügung, ein Potential, auf das sich Frauenkirchenkantor Matthias Grünert stets verlassen kann.
Das ensemble frauenkirche Dresden aus führenden Musikern der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie brachte den besonderen Klang der beiden großen Orchester ein, der sich jedoch bei dem von Grünert oft allzu rasch gewählten Tempo nicht voll entfalten konnte. Ungeachtet dessen gab es sehr schöne Soli von Oboe(n), Flöte und auch Violine(n) bei Vorspiel und Begleitung mancher Arien sowie saubere, klangschöne Trompeten (Kantaten I, III, VI) und Hörner (Kantate IV), die den Chören am Beginn oder Abschluss einer Kantate festlichen Glanz verliehen. Das Orchester bot einen schönen, warmen Gesamtklang, der über manche gelegentliche tempomäßige Unstimmigkeit hinweghalf, nur die Pauke wirkte im Eingangschor in übertriebener Manier wenig feierlich.
Der chor der frauenkirche, ein leistungsfähiger professioneller Chor mit schönen Stimmen, zeigte sich allen Problemen gewachsen. Die Sängerinnen und Sänger sangen sehr exakt und mit schöner Klarheit bei allen Tempi und hielten auch im Extremfall mit. Vor allem bei dem Chor „Ehre sei dir Gott, gesungen“ zeigten sich ihre sängerischen Qualitäten. Es war eine perfekte gesangstechnische Meisterleistung, nur besonders weihnachtlich oder beschaulich, was das Oratorium ursprünglich vermitteln sollte, war es leider nicht. Im Gegensatz dazu wurden manche Choräle sehr „gedehnt“ gesungen, was der inneren Spannung nicht dienlich war. Sehr schön und mit Innigkeit aber erklang der Choral „Ich steh’ an deiner Krippen hier“.
Im Solistenensemble engagierten sich erfahrene und mit Oratoriengesang vertraute Sängerinnen und Sänger, die sich ihre Mitwirkung angelegen sein ließen.
Die Evangelistenpartie hatte der Tenor Tilman Lichdi übernommen, der die Funktion als Erzähler der Weihnachtsgeschichte sehr ernst nahm. Mit sehr guter Textdeklamation und starkem, gelegentlich auch etwas übertriebenem, Ausdruck, mitunter bis an die Grenzen gelangend, gestaltete er die Partie sehr lebhaft und eindringlich. Bei den schwierigen Arien hielt er sich etwas zurück, gestaltete sie aber stilistisch gut.
Catalina Bertucci gestaltete die Sopran-Partie oratoriengerecht mit angenehmer Stimme und stilvollem Ausdruck. Bei der „Echo“-Arie ergab sich ein schöner musikalischer „Dialog“ mit einer Sängerin aus dem Chor, die alle Echo-Einwürfe sehr fein pointiert und natürlich (wie ein Echo in der Natur) erklingen ließ.
Britta Schwarz verlieh den Betrachtungen der gläubigen Seele, wie sie Bach der Altstimme anvertraute, bereits in den gut gestalteten Rezitativen und erst recht in den Arien „Schlafe, mein Liebster“ und „Schließe, mein Herze, dies selige Wunder“ mit ihrer weichen, samtenen Stimme viel Wärme und Innigkeit.
Tobias Berndt bestach mit gut klingender, ausgewogener Bassstimme und idealer Stimmführung, sehr guter Textverständlichkeit und stilvoller Gestaltung. Bereits ein Arioso wurde bei ihm zum eindrucksvollen Ereignis und erst recht die von ihm souverän gesungen Arien.
In Duett und Terzett stimmten sich die Solisten sehr gut ab, auch wenn ihre Timbres nicht ideal zusammenpassten. Es gab sehr schöne Momente bei dieser Aufführung, die sich jedoch nur bedingt zu einem ausgewogenen, feierlichen Gesamteindruck verbanden.
Ingrid Gerk