Aljaž Cvirn: „Mir ist es wichtig, von anderen Instrumenten zu lernen“
Der slowenische Gitarrist Aljaž Cvirn erschließt sich Meisterwerke der Romantik für sein Instrument
Den slowenischen, in der Schweiz lebenden Gitarristen Aljaž Cvirn zieht es aus der „Nische“ heraus. Für seine aktuelle CD „Duality“ hat er einschlägiges Repertoire von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Franz Schubert für das eigene Instrument passend gemacht. Das eröffnet auf seiner CD „Duality“ neue Perspektiven auf die Musik von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Franz Schubert. Zur Seite steht ihm dabei sein Landsmann Jure Cerkovnik als zweiter Gitarrist. Aber die Gitarre „behauptet“ sich hier auch gegenüber dem Cello von Sebastian Bertoncelj und der Violine von Tanja Sonc. Im ausführlichen Interview erläuterte Aljaž Cvirn die Hintergründe dieses ambitionierten Projektes für das solo musica Label.
Herr Aljaž Cvirn, wovon ist Ihre aktuelle künstlerische Gegenwart geprägt?
In den letzten Jahren habe ich mich zunehmend als Kammermusiker profiliert und meine erste CD bei solo musica zusammen mit der deutschen Cellistin Isabel Gehweiler aufgenommen. Ich habe in diversen Kammerensembles die Möglichkeiten erforscht, wie sich die Gitarre einbeziehen lässt. Für mich ergaben sich durch diese Auseinandersetzung viele neue Entdeckungen von Musik, die sonst so gut wie nie auf Gitarre zu hören sind.
Welches Anliegen steht hinter Ihrer aktuellen CD mit Werken von Brahms, Mendelssohn und Schubert?
Ich möchte mit solchen Transkriptionen auch „bedeutende“ Komponisten wie hier Schubert, Brahms oder Mendelssohn für die Konzertgitarre zu erschließen. Die Literatur für dieses Instrument ist ja naturgemäß sehr begrenzt. Es geht uns hier nicht darum, krampfhaft etwas Neues zu präsentieren, sondern es muss vor allem plausibel funktionieren.
Hat es auch etwas mit der Emanzipation Ihres Instrumentes zu tun?
Es ist mir ein wichtiges Anliegen, die Gitarre in neuen Kontexten zu präsentieren, damit dieses Instrument mehr als Konzertinstrument wahrgenommen wird. In der ganzen klassischen Musikindustrie ist die Gitarre ja eher selten vertreten und auf größeren Klassik-Festivals gibt es selten Gitarrenmusik. Kaum einer der großen Komponisten in der Klassik hat originär etwas für die Gitarre geschrieben.
Ich habe mir schon so eine Intention gedacht. Wollen Sie auch der Komposition einen Dienst erweisen, wenn Sie durch neue Instrumentierungen die Perspektive weiten?
Auf jeden Fall. Ich denke, durch Übertragung auf die Gitarre werden neue Aspekte einer Werkidee erfahrbar. Eine Solokomposition wie etwa die Brahms-Sonaten kann eine „andere“ Schönheit entfalten, wenn ich sie auf zwei Gitarren übertrage.
Wie haben Sie passende Musikerinnen und Musiker für Ihr Projekt gefunden?
Jure und ich haben denselben Lehrer an der Hochschule gehabt. Nachdem ich vor circa sechs Jahren nach Zürich gekommen bin, folgte mir Jure kurz danach. Von dem Moment an konsolidierte sich unser Duoprojekt immer mehr. Die Geigerin Tanja Sonc war ebenfalls eine Mitschülerin und Studentin aus Slowenien. Sie spielt heute im Züricher Kammerorchester. Der Cellist war ebenfalls ein Studienkollege von mir, der heute an der Musikhochschule von Ljubljana lehrt. Mir ist es wichtig, dass bei so einem Projekt die persönliche Chemie stimmt – nur so lässt sich auch ein künstlerischer Konsens herstellen.
Wo liegt die Herausforderung, wenn das Klavier durch Gitarren „ersetzt“ wird?
Wirklich jedes Instrument auf diesem Planeten ist lauter als die Konzertgitarre. Deswegen ist Balance ein sensibles Thema. Ist die Gitarre wirklich präsent und laut genug? Wirken Cello oder Violine nicht doch zu dominant? Im Falle von Brahms passiert hier eine komplexe Transformation. Allein, weil jetzt zwei Musiker zusammenspielen, wo sonst ein Interpret am Werke ist. Auch ein anderer Aspekt von Verwandlung ist nicht zu unterschätzen: Die Ton-Ansprache auf einer Gitarre ist viel kürzer als ein Klavierton, der viel länger ausschwingt. Es verhält sich durchaus so, als wenn man die Charakteristik von Klavier und Cembalo miteinander vergleicht. Auf jeden Fall gehört viel Arbeit und Einfühlung dazu, dass sich hinterher alles wieder wie ein einziges Instrument anhört. Zugleich fand ich verblüffend, dass die Bearbeitung der Brahms-Sonate für zwei Gitarren noch plastischer heraus stellt, was in der Klavierversion die linke und die rechte Hand tun soll. Noch komplexer geht es in der Schubert-Sonate zu, vor allem, weil der Gitarren-Part gleichberechtigt mit dem Violinpart daher kommt. Du musst präsent sein und dynamisch mit dem anderen Instrument auf Augenhöhe agieren und bist ständig gefordert, neue überzeugende Lösungen zu finden.
Wo sehen Sie das spezifisch Neue, das Sie durch solche Transkriptionen aus einer Komposition herausholen?
Es werden hier so viele Unterschiede erfahrbar, was veränderte Sichtweisen auf diese Werke eröffnet. Eben, weil Klaviermusik einen anderen Charakter hat. Deswegen mussten wir auch einige Details von grund auf anders gestalten. Wir haben manche Tempi verändert. Viele Akkorde klingen jetzt anders, meist nicht mehr so lang wie beim Klavier. Dafür können wir auf den Gitarren ganz neue Klangfarben in die Sache hinein bringen.
Welcher Erfahrungsgewinn ergibt sich?
Der wichtigste Part für mich ist, von anderen Instrumenten zu lernen. Geiger denken über andere Dinge nach als wir, eben weil ihre Instrumente anders funktionieren.
Wie haben Sie den Prozess des Aufnehmens erlebt?
Mir ist es wichtig dass die Aufnahme in einer sehr entspannten Atmosphäre vonstatten geht. Trotzdem ist auch viel Aufregung dabei. Vor allem, wenn Du auf einer Bühne stehst und da sind 12 Mikrofone und sonst nichts. Man fühlt sich schon etwas unter Druck, allein, weil die Zeit auch begrenzt ist und alles viel Geld kostet. Du spielst die Stücke sehr oft hintereinander und hast irgendwann am Abend vielleicht kein Urteilsvermögen mehr, welcher Take nun herausragend war.
Die größte Herausforderung dabei ist, dass es sich hinterher beim Hörer wieder so emotional und lebendig wie im Konzert anhört.
Wie erleben Sie Ihre schweizerische Wahlheimat?
Im Jahr 2014 kam ich in die Schweiz und wollte hier mein Masterstudium beenden. Ich wollte viel lernen über Musik, viele Konzerte spielen und mich mit vielen Menschen künstlerisch verbinden. Ich bin viele kleine Schritte gegangen in diese Richtung. Mittlerweile habe ich meinen Master Degree absolviert, arbeite als Lehrender am Konservatorium, an der Musikschule und an Gymnasien. Vor allem freue ich mich, dass ich in der Schweiz so viele großartige Musiker aus ganz Europa treffe.
Was bedeutet Ihnen Slowenien?
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Slowenien liegt mir nach wie vor am Herzen. Es ist ein wunderbares Land mit guten Lebensbedingungen. Aber Slowenien ist zu klein, um vielen Musikern Auftrittsmöglichkeiten zu geben. Das war für mich der Hauptgrund, um in die Schweiz zu kommen. Hier in der Schweiz habe ich sehr schnell mehrere Kammermusikformationen gefunden. Und ich mag diese Mixtur aus Konzert- und Lehrtätigkeit, denn ich verspüre den großen Wunsch, meine Kenntnisse an andere weiterzugeben.
CD
Aljaž Cvirn – Duality
Solo musica 2023