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DENYS CHEREVYCHKO, Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts, im Merker-Künstlergespräch

07.02.2020 | Tänzer


Denys Cherevychko. Copyright: Barbara Zeininger

14.1.2020:  Erster Solotänzer DENYS CHEREVYCHKO im Merker-Künstlergespräch

 Im kleinen Kreis interessierter Ballettomanen, sozusagen en famille, fand ein interessantes Künstlergespräch mit Denys Cherevychko, Erster Solotänzer im Wiener Staatsballett, statt, der ganz oben, vor allem aber auch beim Wiener Publikum, voll angekommen ist, dessen Ehrgeiz aber noch lange nicht befriedigt ist und der sich jeder Herausforderung stellt. Organisiert von Frau Esther Hatzi, gab der aus der Ukraine stammende sympathische Tänzer im Gespräch mit Ira Werbowsky Einblicke in sein Leben und künstlerisches Schaffen; den gastlichen Rahmen bildete die kleine Kunst-Galerie und Redaktion des kollegialen Online-Merker.


Ira Werbowsky führte das Gespräch, Ursula Szynkariuk (links) hat den Bericht verfasst. Copyright: Barbara Zeininger

 

Wer seine kraftvollen, waghalsigen Sprünge auf der Bühne gesehen hat, der mochte ein wenig überrascht sein, über die zierliche Jünglingsgestalt im eleganten schwarzen Anzug, die da verkehrsbedingt ein wenig abgehetzt, aber pünktlich ankam und überschwänglich empfangen wurde von vor allem nicht mehr ganz jungen weiblichen Ballettfans, welche ihn nicht nur adaptierten, sondern quasi gleich zu adoptieren versuchten.

Die Moderatorin eröffnete das Gespräch mit einem schlichten und umso treffenderen Zitat Platos, das da lautet: „Tanz ist die Kunst, die die menschliche Seele am meisten bewegt.“ Wer hätte das wohl von einem antiken Philosophen erwartet! Und wenn wir an Cherevychko denken, fällt einem noch ein weiteres schönes Zitat ein, diesmal von einem im Olymp ansässigen Tänzer, nämlich von Fred Astaire: „Tanz ist ein Telegramm an die Erde mit der Bitte um Aufhebung der Schwerkraft.“ Im Falle Cherevychko scheint das Telegramm angekommen zu sein.

Ira Werbowsky erinnerte an das umfangreiche und vielfältige Rollenrepertoire, dass sich der Ausnahmetänzer schon in jungen Jahren seit seiner Aufnahme in das Wiener Staatsballett 2006 aufgebaut hat; es umfasst im Internet einen halbseitigen Block … er hat für sich vieles getanzt, was er sich gewünscht hat – eine Wunschpartie ist zum Beispiel noch Des Grieux – aber er ist offen für alle neuen Rollen, die noch kommen werden. Auch viele Preise und Auszeichnungen hat er bereits abgeräumt, darunter 2007 den 1. Preis des ÖTR-Contests, 2012 den 1. Preis und die Goldmedaille beim Internationalen Ballettwettbewerb in Varna sowie schon eine Nominierung für den Prix Benois, den bedeutendsten internationalen Tanzpreis, gleichsam den Ballett-Oscar.

Angefangen hat es ganz klein in seiner Heimatstadt Donezk: In seinem musikalischen Elternhaus bewegte er sich schon mit 3 Jahren gerne zu Musik, durfte er dann seine ältere Schwester begleiten und besuchte eine Volkstanzgruppe für Kinder. Die Lehrerin erkannte sein Potenzial und empfahl, ihn zur Aufnahmsprüfung an die Ballettakademie zu schicken. Als er dort erfuhr, dass Kinder erst ab 10 Jahren aufgenommen wurden, weinte er bitterlich – und wurde trotz seiner 6 Jahre wegen seines herausragenden Talents aufgenommen. Mit 16 Jahren setzte er seine Ausbildung mit einem Stipendium der Ballettakademie in München fort und wurde nach Abschluss des Studiums beim Vortanzen in Wien vom damaligen Ballettdirektor Gyula Harangozò engagiert.      

Zuletzt war er in allen großen Rollen in der aktuellen Spielzeit zu sehen wie beispielsweise Amyntas (Sylvia), Conrad (Le Corsaire), Lenski (Onegin), Peer Gynt oder in Rubies in Juwels. Die Anforderungen an den Tänzer beschränken sich nicht allein auf eine perfekte Technik, fallweise mit einem aus zeitgenössischem Tanz erweiterten Bewegungsvokabular, sondern verlangen auch sehr viel an schauspielerischen Fähigkeiten, die über bloße Pantomime hinausgehen. Der Spielplan bedingte häufige Rollenwechsel, erfordert zudem ein hohes Maß an Flexibilität von allen Mitgliedern der Ballettkompanie „Ein Tänzer muss Alles können“, ist auch Cherevychkos Devise. Darin sowie in der Arbeit mit unterschiedlichen Choreographen erkennt er für sich die Möglichkeit ebenso wie die Notwendigkeit, sich künstlerisch stets weiterzuentwickeln. Dabei macht es für ihn keinen Unterschied, ob er mit einem namhaften Choreographen zusammenarbeitet oder ein Choreograph als Kollegen aus dem Wiener Staatsballett mit ihm im kreativen Prozess ein neues Stück entwickelt. Locker und freundschaftlich ging es bei den Proben im Sommer für die Filmaufnahmen für das  Neujahrskonzert zu, dieses Jahr mit dem Walzer Seid umschlungen, Millionen von Johann Strauß-Sohn in der Choreographie von José Carlos Martínez. Denys Cherevychko ist offen für die neuen Herausforderungen, die durch den bevorstehenden Direktionswechsel von Manuel Legris zu Martin Schläpfer auf ihn warten.


Denys Cherevychko mit der Organisatorin Esther Hatzi. Copyright: Barbara Zeininger

Dem Glanz der Erfolge geht jedoch auch ein harter Opernalltag voraus. 6 Tage in der Woche wird – beginnend mit dem Training um ½ 10 Uhr früh – nach einem Vorstellungsabend ist es das wirklich!  –  bis ½ 6 Uhr abends hart trainiert; nur unterbrochen von einer Mittagspause. Vor einer Vorstellung enden die Proben bereits am frühen Nachmittag, denn 2 Stunden vor Aufführungsbeginn startet schon wieder das Aufwärmtraining, wobei sich Denys Cherevychko lieber allein nach seinem eigenen Körpergefühl vorbereitet.

Er achtet auf die schlanke Linie, auch wenn er bei seinen Auftritten viele Kalorien verbrennt. Am liebsten isst er das, was seine Mutter kocht, aber er kocht auch selbst gerne. Er mag auch Süßes und so ließ er sich auch ein Stück von der Torte schmecken, die Esther Hatzi als rührige Organisatorin der Veranstaltung und aus dem Arcadia-Shop wohlbekannt, mitgebracht hatte. Mit dem Schlaf, der sich nach anstrengenden Aufführungen wegen des Adrenalins oft nur schwerlich einstellt, ist es da schon problematischer, denn er ist lebenswichtig für die Regeneration der Kräfte in diesem echten Hochleistungssport.

Hobbies bei all‘ den Arbeitsanforderungen? Ja, auch die rare Freizeit ist randvoll mit Aktivitäten: Musik gehört als Lebenselixier dazu, egal welche, so hat er sich das Gitarrenspiel selbst beigebracht. Aber auch Lesen interessiert ihn – als Vorbereitung für sein Debut als Lenski hat er zum Beispiel die Dichtung Puschkins, die dem Onegin zugrunde liegt, noch einmal gelesen. Er mag es Hinauszugehen in die Natur und liebt das Zusammensein mit der Familie, lebt doch seine Schwester mit ihrer Familie auch in Wien und besucht er daher gern seinen kleinen Neffen. Dient der Sommer eigentlich der Erholung, so ist Denys Cherevychko auch hier aktiv, unterrichtet er doch Ballett und arbeitet mit den unterschiedlichen Altersgruppen auch choreographisch. Zur theoretischen Untermauerung plant er in Bälde sein Studium der Ballettpädagogik in Bulgarien abzuschließen.

Beim anschließenden zwanglosen Beisammensein konnte man noch nach Herzenslust mit ihm plaudern und fachsimpeln. Wir hatten Gelegenheit, nicht nur mit einem grandiosen Tänzer, sondern auch mit einem offenen, liebenswürdigen Menschen näher Bekanntschaft zu schließen.  

Ursula Szynkariuk

 


Meinhard Rüdenauer, Esther Hatzi, Denys Cherevychko. Copyright: Barbara Zeininger


Denys Cherevychko mit dem (zukünftigen) „Hausherrn“ Raffael Cupak. Copyright: Barbara Zeininger

 

 

 

 

 

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