Dresden/Kulturpalast: DREI AUSNAHMEKÜNSTLER, LEONIDAS KAVAKOS, YO‑YO MA UND EMANUEL AX, VEREINT IM TRIO DER SUPERLATIVE – 2.9.2024
Die Dresdner Musikfestspiele bringen nicht nur in ihrer „Kernzeit“, alljährlich vier Wochen lang im Mai und Juni zahlreiche Konzerte mit herausragenden Künstlern, sie werfen bereits im Herbst ihre Schatten auf die nächsten Musikfestspiele mit Meisterkonzerten voraus, in diesem Jahr unter anderem mit einem Konzert der Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann mit Robert Schumann und Gustav Mahler (17.9. – schon lange ausverkauft), das eine ganz besondere Bedeutung haben dürfte, und zunächst mit einem Konzert dreier Ausnahmekünstler, dem sensiblen Violinisten Leonidas Kavakos, dem Meistercellisten Yo-Yo Ma und dem engagierten Pianisten Emanuel Ax als ein internationales Trio der Extraklasse, das sich 2014 beim amerikanischen Tanglewood Festival erstmals formierte. Jetzt riss es mit Klaviertrios von Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven das überaus zahlreich im 1760 Plätze umfassenden, fast ausverkauften Kulturpalast erschienene Publikum (die Plätze auf der Chorempore waren ausgeschlossen) zu Beifallsstürmen hin – und das bei Kammermusik!
Dresden hat zwar keinen eigenen Kammermusiksaal, aber der neue Konzertsaal im Kulturpalast hat eine so perfekte Akustik, das auch die leisesten, feinsten Töne der Streichinstrumente bestens wahrgenommen werden. Er ist für Kammermusik genau so wie für großen Sinfonieorchester geeignet. Zudem füllte dieses „Allstar-Team“, bei dem jeder der drei Musiker ein Meister seines Faches ist, den Raum mit seinem sensiblen und doch prägnanten Klang voll aus. Das eben ist die große Kunst, die leisesten Töne noch bis in den letzten Winkel eines großen Raumes voller Besucher gut hörbar zu gestalten, das gelingt nicht von selbst.
Von dem ursprünglich angekündigten reinen Beethoven-Abend blieb nur Beethovens „Trio für Klavier, Violine und Cello B‑Dur (op. 97), das „Erzherzostrio“. Anstelle einer Bearbeitung als Trio seiner „6. Sinfonie“, der „Pastorale“, des israelischen Pianisten und Komponisten Shai Wosner (* 1976), die wie alle weiteren Beethoven-Sinfonien mit Ausnahme der „Zweiten“, für die Beethoven selbst eine solche Version erarbeitete und in Druck gab, als attraktive Arrangements für Trio von den drei Künstlern in Auftrag gegeben wurde, wurde das “Klaviertrio C‑Dur Nr. 2“ (op. 87) von Johannes Brahms gespielt, so das zwei Trios von sinfonischem Format an diesem Abend erklangen.
Die drei Ausnahmemusiker, die international als Solisten auftreten, waren sehr bald auf gleicher „Wellenlänge“ und gestalteten dieses Trio sehr harmonisch und einfühlsam mit der herben Schönheit der Brahmsschen Kompositionen. In dem, fast zeitgleich zu Brahms’ „Klavierkonzert Nr. 2“ entstandenen Trio ist der Klavierpart sehr virtuos und mit solistischen Passagen gestaltet, die Emanuel Ax mit Bravour, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, sehr klangschön ausführte. Cello und Violine brillierten mit sanfter, besonders zart erfühlter inniger Tongebung, insbesondere im 2. Satz, verstanden es aber auch, sich wie im 3. Satz mit dem Klavier zu mitreißendem Temperament zu verbinden.
Klangfülle und Klangschönheit erfüllte das „Erzherzog-Trio,“ das Beethoven seinem Schüler und Gönner Erzherzog Rudolph von Österreich widmete. Wo die drei Ausnahmekünstler mit diesem Trio auftreten und mit besonderer Hingabe, Einfühlungsvermögen und Klangsinnlichkeit musizieren, schlagen die Wellen der Begeisterung hoch, wird es zu einem „Fest der Kammermusik“. Die Drei waren bestens aufeinander eingestimmt, ließen im 2. Satz die Melodie vom Cello zur Violine und dann zum Klavier wandern als „spielten sie sich gegenseitig die Bälle zu“. Einer gab sie dem anderen freundlich weiter, der sie aufnahm und ebenso freundlich weiterreichte. Der 3. Satz begann in schöner lyrischer Stimmung mit dem Thema am Klavier. Die beiden Anderen stimmten ein, ein Schwelgen in melodischem Klang, in äußerster Transparenz und mit viel Feingefühl musiziert, das in die Tiefen der Komposition und in die Seele der Zuhörer drang.
Hier haben sich die drei Richtigen zusammen gefunden, drei Solisten, die sich trotz unterschiedlicher Nationalität und Vita durch ihre Liebe zur Musik, insbesondere der von Beethoven und Brahms verbunden fühlen. Sie musizierten mit Fingerspitzengefühl für jedes er beiden Trios, eines Sinnes und mit gleichem Musikverständnis. Sie scheinen gemeinsam zu fühlen und zu atmen.
Bei so viel Hingabe und Vertiefen in die Musik gönnten sich die Musiker etwas längere Pausen zwischen den Sätzen, um sich in das Folgende zu vertiefen, was einige Besucher zu „Zwischenapplaus“ nach wirklich jedem Satz veranlasste. Das beeinträchtigt zwar die Konzentration der Zuhörer – die Musiker nahmen es mit freundlichem Lächeln – zeigt aber andererseits, dass das Konzert auch Besucher mit weniger „Insider-Wissen“ angelockt hat, sei es wegen der prominenten Ausführenden oder wegen dem verlockenden Programm oder einfach nur aus Lust an der Freude zur Musik. Man möchte doch immer die „Menschen von der Straße“ in die Konzertsäle locken, da muss man auch deren Reaktionen tolerieren. Zumindest verhielten sich während des Konzertes alle sehr still und lauschten andächtig.
Für den enthusiastischen Applaus am Schluss bedankten sich die Musiker zunächst mit dem 2. Satz aus dem „Piano Trio Nr. 1 Es‑Dur“ von Franz Schubert, zart besaitet, sanft und innig gespielt, zuweilen wie „ein Hauch von Zephir“. Mit seinem Klangzauber wurde es zum inoffiziellen Höhepunkt des Abends.
Da der Beifall danach erst recht aufbrandete, verabschiedeten sich die Musiker mit dem Soundtrack aus dem Film „Schindlers Liste“ von John Williams, ebenso feinsinnig musiziert. In langanhaltender Stille konnte die Musik nach dem elegischen Ausklang noch lange nachklingen.
Ingrid Gerk