Debüt-CD ALBAN BERG ENSEMBLE WIEN – Werke von Gustav Mahler, Arnold Schoenberg und Richard Strauss; Deutsche Grammophon
Ein neues hochkarätiges Kammermusikensemble aus Wien stellt sich erstmals auf Tonträger vor und wir sagen herzlich willkommen. Die Sieben wollen das Feuer der Wiener Schule bewahren, in die Gegenwart weitertragen und durch wache Zeitgenossenschaft lebendig halten. Wenngleich sich das Ensemble aus etablierten Spitzenmusikern zusammensetzt (Hugo Wolf Quartett plus Ariane Haering Klavier, Silvia Careddu Flöte und Alexander Neubauer Klarinette) zusammensetzt, trau‘n sie sich was mit der Namensgebung.
Wir erinnern uns an das Alban Berg Quartett, eines der besten Streichquartette aller Zeiten. Es verdankt seinen Namen der Zustimmung der Alban Berg Witwe Helene höchstpersönlich. Ich hatte seit den Siebziger Jahren lange Zeit ein Abo dieses Quartetts im Wiener Konzerthaus, und kann heute mit Fug und Recht sagen: das war meine beste, nachhaltigste und renditeträchtigste Investition überhaupt. Besonders der elektrisierende Primarius Günter Pichler, aber auch Gerhard Schulz, Thomas Kakuska und Valentin Erben boten die beste Lektion in Sachen Musikalität, tiefschürfendem Ausdruck und risikoreichem Grenzgängertum der Interpretation, das sich vorstellen lässt.
Nun hat die Alban Berg Stiftung der jungen Formation erlaubt, ebenfalls den klingenden Namen des charismatischen Alban Berg als Signum ihres Auftritts zu verwenden. In ihrer Debüt-CD bei der Deutschen Grammophon spielt das Alban Berg Ensemble Wien das Adagio aus der 10. Symphonie von Gustav Mahler (arr. Martyn Harry), die „Kammersymphonie“ von Arnold Schoenberg (arr. Anton Webern) und die „Rosenkavalier Suite“ Op. 59 von Richard Strauss ebenfalls in einem Arrangement von Martyn Harry. Es sind bestrickend sangliche und geschmeidig fließende Wiedergaben geworden, der gediegene philharmonische Luxus-Sound entzückt. Wir freuen uns schon jetzt auf viele CDs, die vielleicht mit anderen Repertoireraritäten zudem das kompositorische Umfeld und den Wirkungskreis der Wiener Schule mit einbeziehen.
Es bleibt jedoch ein Aber. Falls das musikalische Erbe des Alban Berg Quartetts ebenfalls in die Bewertung einfließen sollte, hat das Alban Berg Ensemble Wien (noch) einen schweren Stand. Neben aller schillernden Pracht des Klangs, der Präzision der Solo-Instrumente und der fein austarierten Balance in den Stimmen war da etwas, was das Alban Berg Quartett so einzigartig machte und hier abgeht: Das äußerste Risiko des Moments, den Stachel in der Schönheit, den zornigen Blitz an heiterem Himmel, das leise Donnergrollen im höchsten Glücksrausch, das Schicksalhafte gegen Selbstzufriedenheit und Oberflächenglanz stets mit in das Spiel einfließen zu lassen. Wenn das wahrnehmbar ist und aus den wunderbaren Klangpoeten das Universum hinterfragende Existenzialisten mit klarer Kante geworden sind, wird auch das Alban Berg Ensemble im Olymp der Kammermusik angekommen sein. An der Spitze der professionellen Septette stehen sie schon jetzt.
Dr. Ingobert Waltenberger