DAS WUNDER VON WORMS
Die Nibelungen-Festspiele und Dieter Wedel
208 Seiten, Großformat, Hochglanz, durchgehend farbig bebildert.
Henschel Verlag, 2014
Das Abschiedsgeschenk kann sich sehen lassen: Seit 2002 gibt es rund um den mächtigen Dom von Worms (zuerst vor der Südfassade, dann auch vor dem Nordportal, dann vor dem Westchor) die Nibelungen-Festspiele, die Dieter Wedel ins Leben gerufen hat – ein Regisseur, bei dessen Namen man bis dahin einfach automatisch „Der große Bellheim“ oder „Der König von St. Pauli“ gesagt hatte.
Und dann begann er mit den Nibelungen-Festspielen etwas, dem die Mitwelt mit größter Skepsis gegenüberstand – und das sich nach und nach zum Triumph gestaltete: für Wedel, für Worms, für alle seine Mitarbeiter. 2014 ist sein letztes Jahr, das Buch zum „Gedenken“ über seine Ära liegt schon vor, bevor die letzte Premiere („Hebbels Nibelungen – born this way“, so gestaltet von Wedel selbst) am 18. Juli Premiere hatte.
Das Buch nennt keinen Autor, aufopfernde Mitarbeiter haben es zusammen gestellt, jeden befragt, der dabei war, von den wichtigsten – Wedel selbst, Autor Moritz Rinke, neben Hebbel der wichtigste Mann zum Nibelungen-Thema, prominente Schauspieler, die dabei waren, aber auch unendlich viele hinter den Kulissen, die man sonst vergisst und hier nicht.
Wedel hat sich von Mario Adorf nach Worms locken lassen, Blut geleckt, wohl auch durch den gewaltigen Dom als Kulisse ohnegleichen. Dort, wo laut Nibelungenlied der Burgunderkönig Gunther Hof hielt, in Worms, inszenierte Wedel (damals, wie er im Interview sagt, am Rande seiner Nerven) Moritz Rinkes „Die Nibelungen“, und der Erfolg war so enorm, dass sich das Unternehmen wie von selbst perpetuierte.
Man griff in der Folge zum großen deutschen Original mit Hebbel, dann kam immer wieder Rinke an die Reihe, der die Figuren und Themen des Nibelungenliedes verschieden variierte, einmal (2009) durfte auch John von Düffel sich zu Siegfried den Kopf zerbrechen, und schließlich holte sich Wedel den israelischen Autor Joshua Sobol, um auch dem jüdischen Worms seine Reverenz zu erweisen und Jud Süß Oppenheimer zum Helden zweier Festspielsommer zu machen.
Viele ganzseitige, auch doppelseitige Farbbilder zeigen die ausufernde, wahnwitzige Phantasie, mit der hier vorgegangen wurde, viele, viele Mitwirkende berichten entweder in langen Gesprächen oder kurzen Sentenzen von ihren Eindrücken. Wild muss es zugegangen sein, in der Ära Wedel, aber man hat groß und heutig gedacht und die Vergangenheit in die Gegenwart geholt. Ein Ruhmesblatt für Worms und eines für den Regisseur, das sich neben seinen „Großen Bellheim“ stellt.
Wie heißt es doch im Beitrag einer Mitarbeiterin?
Wedel. Wichtig. Worms. Und wunderbar!
Das Buch spiegelt das aufgeregte, aufregende Lebensgefühl dieser Wedel-Ära in Worms.
Renate Wagner