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Das UNGARISCHE TANZFESTIVAL in Györ (17. bis 23. Juni) – mit Freude an kraftvoller tänzerischer Musik 

24.06.2019 | Ballett/Tanz

Das UNGARISCHE TANZFESTIVAL in Györ (17. bis 23. Juni) – mit Freude an kraftvoller tänzerischer Musik 


Foto: Tanzfestival Györ

Eine Woche Tanzfreuden mit Folklore, modernem und klassischen Ballett: Das Ungarische Tanzfestival Györ ist zwar noch recht jung, hat aber bereits Tradition. Vorweg gesagt: Györ, das habsburgische Raab, das römische Arrabona, ist eine historische Festungsstadt (Türkenkriege) und wirkt heute im Zentrum wie ein Schmuckkästchen. Die engen Zeilen mit den kleinen Stadtpalästen des früheren Landadels und den ein-, zweistöckigen Häusern aus dem Barock, der Biedermeierzeit lassen Monarchie-Nostalgie aufkommen. Dieses Tanzfest im Nationaltheater der Stadt wurde heuer zum 15. Mal gefeiert – und lässt über sein anspruchsvolles Format und die Vielfalt der diversen Tanzkulturen in Ungarn staunen.

Mit Harfenklängen vor dem großem Theater der Stadt wird der Besucher begrüßt. Und der abwechslungsreiche bunte Reigen auf der Bühne findet ein dankbares Publikum. Eine richtige Festival-Gala darf dabei natürlich nicht fehlen: Pas de deux der Reihe nach im ersten Teil, gekonnt demonstriert mit den Solisten osteuropäischer Ballettkompanien von Kroatien bis Moskau. Dass sich hier keine Russinnen des Wiener Staatsballetts zeigen: Zu hohe Gagenforderungen – als deren Fehler in eigener Einschätzung im gar nicht so lustigen Konkurrenzkampf? Nach der Pause folgte eine Contemporary-Show mit tanz- und spielfreudiger ungarischer Jugend. Auffallend: Kraftvoll getanzt wird nun nicht mehr zu musikalischer Bártók-Feinnervigkeit, sondern zu simplem wie stereotypen Klangwellen–Sound. Dies kann eine gewisse Wuchtigkeit vermitteln, führt allerdings zu einer optischen Schaustellung von rein attraktiver Tanzakrobatik ohne innere Schönheit oder Aussage.

„Liszt-Mosaik“ steht über dem aktuellem Programm des Staatlichen Ungarischen Folklore Ensembles in großer Besetzung mit Tänzern, Orchester, Cimbalom-Klängen, Sängern. Diese Hommage an Liszt – hier betont herausgestrichen: Liszt als das ungarische Genie – wird als ‚Tanzkonzert‘ mit viel Musik und funkelndem Movement so richtig zelebriert. Kostüme, Bühne nur schwarz-weiß – so wie die Klaviertasten. Und überhöht angedeutet: Liszt der Schöpfer der Ungarischen Rhapsodien, der Klaviervirtuose …. und auch der Priester, der Liebhaber. Diese Mixtur ergibt keine klare Erzählung, sondern führt von triefenden Anbetungen mit sakraler Musik bis zu fulminanten Csárdáswirbel in höchst raffinierten Arrangements.

Carl Orffs „Carmina Burana“ zählt zu den zugkräftigsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Auch für Choreographen. Tamás Juronics hat für sein Szeged Contemporary Ballet eine eigenwillige Interpretation gesucht, hat unterschiedlich inspiriert eine Brücke zwischen historischer Mystik und zeitgenössischem Tanz zu schlagen gewagt.  Obwohl Orff reinste Wohlfühl-Musik vermittelt, führt Juronics auf erdigem Boden, mit erdfarbenen Kostümen einen düsteren mittelalterlichen Totentanz mit den Stilmitteln heutigen Tanztheaters vor. Durchaus berührend. Bereits zum Einleitungschor „Fortuna Imperatrix“ schleicht sich der Tod im Hintergrund auf die Bühne. Herbe Rituale lassen im Trinklied oder bei Ausschweifungen die Tristesse, die Verzweiflung der Menschen spüren. Eines der Mädchen scheint in „Cour d’amour“ im erotischen Spiel ihr Liebesglück zu finden. Eine kraftgebende Sonne weckt Hoffnungen, doch der Tod weist auf das unentrinnbare Schicksal hin, lässt sie sterben.

Eine „Carmen“ war ebenfalls zu sehen. Der genialen Musik von Georges Bizet mag die Version des Russischen Nationalballett Saransk nicht so ganz entsprochen haben. Saransk, über 600 Kilometer südöstlich von Moskau, liegt wohl zu nahe im Blickfeld von Putin, und somit erlaubt sich Choreographin Nadezsda Kalinyina kein eigenes Phantasiespiel oder originellere Einfälle, sondern sie folgt der ausgeschlachteten Geschichte mit biederer russischer Hörigkeit. Dagegen so gar nicht auf naive Art, ausdrucksmäßig stark bewegend interpretierte die Ballettkompanie Miskolc Strindbergs „Fräulein Julie“ in der feinnervig ausgearbeiteten Version von László Velekei. Die psychischen Defekte, die getanzte Seelenpein haben Cintia Mohai und Patrik Dávid in ausgedehnten erotischen Sequenzen voll ausgelebt. 

Zur Eröffnung des Festivals präsentierten sich die beiden wichtigsten klassischen Kompanien Ungarns mit ebenfalls modernen Tanzstücken: Solisten des Ungarischen Nationalballetts der Budapester Oper stellten sich mit William Forsythes „Vertiginous Thrill Of Exactitude“ ein, das Györi Balett präsentierte erstmals „Passage – Beethoven 7. Symphonie“ seines künstlerischen Direktors László Velekei. Und anschließend noch darauf, so muss es sein, Folklore mit dem Háromszék-Tanzensemble. Thematik: das Ende des 1. Weltkrieges vor hundert Jahren, die Volksmusik als Bereicherung für die Bevölkerung des damals sich neu konstituierenden Landes.

Einiges mehr ist im großen Festival-Angebot zu erleben. Auch auf öffentlichen Plätzen. Und Györ ist eine Schulstadt. Viele Jugendliche sind auf den Straßen zu sehen. So gar nicht unwichtig dabei: Es gibt auch eine Festival-Schiene für ein ganz junges Publikum. Der Reihe nach sind für Kinder geschaffene kurze Tanzstücke gezeigt worden. Da haben die Tänzer des Györi Balett ein liebes „Aschenbrödel“ und Dorothys wundersame Reise zum Zauberer von Oz vorgeführt. Und diverse traditionelle Kinderspiele oder der Futterneid von Käfern auf der Blumenwiese haben Aufmerksamkeit erweckt. Auch das Kindergeschrei dazu vermittelt Freude an solch einem Ausleben in vergnüglichen Tanzfantasien.     

Info: www.gyoribalett.hu

Meinhard Rüdenauer
 

 

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