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DAS JAHR DES CELLOS – Lohnende Neuerscheinungen. DANIEL MÜLLER-SCHOTT spielt CPE und JS Bach, Haydn und Mozart / GAUTIER CAPUCON wandelt auf romantischen Pfaden

06.02.2018 | cd

DAS JAHR DES CELLOS – Lohnende Neuerscheinungen

 

Deutsche Landesmusikräte aus mehreren Bundesländern trafen diese gute Wahl. Das Cello löst somit die Oboe als Instrument des Jahres ab. Die heutige Bezeichnung „Violoncello“ tauchte zum ersten Mal 1665 bei dem Komponisten Giulio Cesare Arresti auf. In Bezug auf den Instrumentenbau setzte der berühmte Italiener Antonio Stradivari den Maßstab, an dem sich noch heute die Cellobauer orientieren. Ende des 18. Jahrhunderts kam es noch einmal zu weitreichenden bautechnischen Fortschreibungen. Das Musikleben fand nun immer häufiger in großen Sälen und vor einem wachsenden Publikum statt. Ein vollerer und brillanterer Klang war gefragt. Um das zu erreichen wurden Steg und Saiten dünner, Hals und Griffbrett länger, Stimmstock und Bassbalken verstärkt. Heute klingt das Cello mit seinem Tonumfang von fast fünf Oktaven dunkel und kraftvoll in der Tiefe, samtig lyrisch in der Tenorlage; in den höheren Lagen verzaubert es durch strahlende Brillanz. Zwei neue CDs sollen Appetit auf mehr machen.

 

 CELLOREIMAGINED: DANIEL MÜLLER-SCHOTT spielt CPE und JS Bach, Haydn und Mozart – L‘arte de Mondo, Werner Ehrhardt ORFEO CD

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„weil… die Musik…das Ohr niemals beleidigen, sondern doch dabei vergnügen, folglich allzeit Musik Bleiben muss.“ W.A. Mozart

 

Schlüpft da nicht das Cello in die Rolle von Flöte, Geige oder gar Oboe? Und das noch mit Zugewinn? Daniel Müller-Schott macht es möglich. Der neugierige bayerische Cellist ist wie kaum ein zweiter offen für klangliche Travestiespiele und somit die Übertragung des Soloparts von Konzerten auf andere Instrumente als für die sie ursprünglich vorgesehen waren. Gibt es vom Konzert in A-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, eigentlich für Cembalo und Flör´te geschrieben, noch eine Cello-Fassung des Komponisten selbst, so ist der Adagio-Satz seines Vaters Johann Sebastian Bach aus dem E-Dur Violinkonzert BW 1042 schon eine Bearbeitung des exzellenten Cellisten mit dem samtenen Ton. Großartig gelungen ist auch die Version von Haydns Violinkonzert in G-Dur für Cello, während das ursprünglich für Oboe verfasste Konzert in C-Dur KV 314 von Wolfgang Amadeus Mozart den Höhepunkt der CD markiert. Mozart hatte das Werk für die Flöte bearbeitet mit einem Tonartenwechel hin zu D-Dur. 1941 entstand die Transkription des Konzerts durch George Szell, dem legendären Pultstar des Cleveland Orchestra,  für den Cellisten Emanuel Feuermann, allerdings ohne den langsamen Satz. Daniel Müller- Schott hat im neuen Album das original aller Mozart-Sätze in eine ungemein leuchtende Celloausgabe umgearbeitet, mit eigenen spektakulären Kadenzen versteht sich.  Wie Müller-Schott das beschriebt, „eröffnen sich Opernszenen par excellence im Gewand eines Intrumentalkonzerts. Maskenspiel, Themen voller Lebendigkeit und Vitalität.“  Wir verstehen das bedauern des Solisten, dass Mozart keinen ihm nahen Cellisten um sich gehabt hat – welche weiteren Schätze würden wir heute erleben dürfen? Un dweil es so schön ist, spielt Daniel Müller-Schott auch noch das sechsminütige Adagio KV 261 für Violine und Orchester des Salzburger Meisters.

 

Werner Ehrhardt und sein von ihm 2004 gegründetes Orchester l‘arte del mondo sind mehr als nur Begleiter, sie sind kongeniale Partner auf Augenhöhe, weshalb diese neue Cd von der ersten bis zur letzten Note pures Hörvergnügen bereitet. Die ganz exzellente Aufnahmetechnik tu das Ihrige, um auch ausgefuchste Klangfreaks auf ihre Kosten kommen zu lassen. Diese willkommene Bereicherung des Cello-Repertoires ist zum Hören und immer wieder hören… 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

INTUITION: GAUTIER CAPUCON wandelt auf romantischen Pfaden CD, DVD WARNER CLASSICS 

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Das neue Album des Cellisten Gautier Capuçon ist als eine Autobiographie ohne Worte konzipiert. Mit fünf Jahren erhielt der stolze Savoyarde seinen ersten Cello-Unterricht. Seither ist er zu einem der aufregendsten Cellisten der Welt, sicherlich derjenige mit dem sinnlichsten Ton, herangereift. „Es beginnt in meiner Kindheit in Savoyen, umgeben von Bergen, mit einigen französischen Werken: Saint-Saëns Schwan – das erste Stück, das ich öffentlich gespielt habe.“ Hier wartet die dem Album beigefügt DVD mit einem sensationellen Clip auf. Auf 3653 Metern in den Alpen bei Verbier und minus 15 Grad auf dem Gletscher Petit Combin wurde gedreht. Dass es dem nur mit einem Smoking und offenem weißen Hemd bekleideten Musiker „arschkalt“ ist, sieht man nicht nur am leicht starren Gesicht, sondern beim „Making of“ ist auch zu erfahren, dass auch das Cello zwischendurch warm eingehüllt werden musste. Freilich umschmeichelt das Ohr der unvergleichlich delikate Ton, die elegante Phrasierung, diese vollständige Identifikation mit dem, was Capuçon spielt. Gautier gehört zu den instinktivsten MusikernMusikern, deren Konzertdichte jede/n staunen macht und der noch obendrein in der Fondation Louis-Vuitton Unterricht erteilt.

 

Freilich ist Intuition im Grunde ein „Encore-Album“ für den breiten Publikumsgeschmack geworden und die meisten Stücke sind technisch nicht sonderlich anspruchsvoll. Die Meditation aus Thais aber auch die Rachmaninov Vocalise sind typische Wunschkonzertnummern. Wir wollen Gautier Capuçon diese (notwendigen?) Konzessionen an den Kommerz nachsehen, überwältigt er doch besonders mit zwei Titeln: dem Stück „Violoncelles, vibrez!“ von Giovanni Sollima und dem „Grand Tango“ von Astor Piazzola. Eine Nummer mit dem passenden Titel „Encore“ stammt von Jérôme Ducros, der auf der CD auch als Klavierbegleiter zu hören ist. Für die zehn Werke mit Orchester wird Capuçon unterstützt vom faserschmeichelnden Orchestre de Chambre de Paris unter Douglas Boyd. 

 

Eine Anmerkung zum Marketing muss aber doch gewagt sein: Der junge Cellist Sheku Kanneh-Mason „muss“ sein neues Album bei DECCA „Inspiration“ nennen, was vor ihm schon VocaMe, das Duo Tal&Groethuysen, Romain Leleu oder die Metamorphosen Berlin getan haben.  Die Idee mit „Intuiton“ hatten  immerhin schon auch das Quatuor Modigliani und Marco de Rosario. Denkt jemand wirklich so mehr Umsatz machen zu können mit Allerweltsüberschriften ohne Inhalt? Insgesamt wegen der außergewöhnlichen Kunst von Gautier Capuçon aber eine klare Empfehlung.

 

Massenet: Meditation aus Thais für Cello & Orchester
Ducros: Encore für Cello & Klavier
Saint-Saens: Der Schwan für Cello & Orchester
Sollima: Violoncelles, vibrez! für Cello & Orchester
Dvorak: Lasst mich allein op. 82 Nr. 1 für Cello & Klavier; Waldesruhe op. 68 für Cello & Orchester
Elgar: Salut d’amour op. 12 für Cello & Orchester
Popper: Elfentanz op. 39 für Cello & Orchester
Casals: El cant dels ocells für Cello & Orchester
Paganini: Rossini-Variationen für Cello & Klavier
Tschaikowsky: Andante cantabile op. 11 für Cello & Orchester
Rachmaninoff: Vocalise op. 34 Nr. 14 für Cello & Orchester
Joplin: Original Rags für Cello & Klavier
Faure: Apres une reve op. 7 Nr. 1 für Cello & Orchester
Piazzolla: Le Grand Tango für Cello & Klavier


DVD: Der Schwan für Cello & Orchester (Saint-Saens); Making of von „Der Schwan“; Meditation aus Thais für Cello & Orchester (Massenet); Apres une reve op. 7 Nr. 1 für Cello & Orchester (Faure); Original Rag Nr. 1 für Cello & Klavier (Joplin); Elfentanz op. 39 für Cello & Orchester (Popper); Salut d’amour op. 12 für Cello & Orchester (Elgar)

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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