Das Haus der Gmünder Zeitgeschichte – ein Geheimtipp besonders zu den Themen FLUCHT und MIGRATION, LAGERLEBEN und GRENZGEBIETE
© NÖ Museumsmanagement, Nadja Meister
https://www.gmuend.at/de/Haus_der_Gmuender_Zeitgeschichte
Weitraer Straße 107, 3950 Gmünd
Standardöffnungszeiten: Mai – Oktober täglich: 10:00 – 16:30 Uhr
Lagerführung und Ausstellungsbesuch außerhalb der Öffnungszeiten:
Termine: www.gmuend.at
Anmeldung für Gruppen: +43 (0) 2852/52506-207
Während des Ersten Weltkriegs befand sich in Gmünd eines der größten Lager in der Österreich-Ungarischen Monarchie. Die Geschichte des Gmünder Flüchtlingslagers kann in und um das „Haus der Gmünder Zeitgeschichte“ erkundet werden. Der pensionierte Geschichtsprofessor, Stadthistoriker und Buchautor Franz Drach führt auch außerhalb der Öffnungszeiten Gruppen durch das Museum und die Gmündner Neustadt und macht mit Fakten und vielen Geschichten die Region Gmünd – České Velenice lebendig. Für seine Recherchen nutzt er gerne ANNO, die Datenbank der Österreichischen Nationalbibliothek, die bei einer spontanen Suche nach „Lager Gmünd“ in den digitalisierten Zeitungen und Zeitschriften 300 Treffer ausweist, https://anno.onb.ac.at/
Gmünd war in der Zeit der Monarchie ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Die Fertigstellung der Franz-Josefs-Bahn zwischen Wien und Prag 1870 hat die wirtschaftliche Entwicklung der Region befeuert. Ein moderner Bahnhof und ausgedehnte Eisenbahnwerkstätten wurden errichtet.
Der historische Bahnhof Gmünd (heute České Velenice) © Stadtarchiv Gmünd
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 mussten hunderttausende Menschen aus den zum Kriegsgebiet gewordenen östlichen Grenzregionen der Monarchie fliehen. Wohin mit all diesen Menschen? Vermögende hatten meist Verwandte und/oder Freunde in den als sicher geltenden Regionen Europas. Arme waren auf staatliche Fürsorge angewiesen. In Gmünd respektive České Velenice lebten um 1914 ca 3.000 Menschen. Warum wurde gerade dort ein Lager für rund 30.000 Menschen errichtet? Neben der guten Erreichbarkeit mit der Bahn waren die ausreichenden Trinkwasserreserven entscheidend für die Ortswahl. Das Lager verfügte über eine gut durchdachte Logistik von Baracken über Schulen, Kapelle, Krankenhaus und Friedhof. Die Lagerbewohner waren großteils Ruthenen (Ukrainer).
Mit Kriegsende wurde das Flüchtlingslager aufgelöst. Die Wohnungsnot in Gmünd war so groß, dass viele Familien in die Baracken des ehemaligen Lagers gezogen sind. Ein neuer Stadtteil ist entstanden, Gmünd-Neustadt. Die Lagerstruktur mit ihren schachbrettartig angeordneten Straßen hat sich erhalten.
Seit 1953 „trohnt“ eine neue, geräumige Kirche über der Neustadt, die Herz-Jesu-Kirche, https://herz-jesu.gmuend.at/. Die Reliefs der Erzengel Michael und Gabriel beim Kircheneingang sind Werke von Adolf Treberer-Treberspurg. Er war Schüler von Clemens Holzmeister und vor allem von Anton Hanak. Mit seinen Lehrern hat er u.a. in der Türkei Ata Türks während des Zweiten Weltkriegs gearbeitet. Mehr auf https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Treberer-Treberspurg
Gmünd ist von Wien aus mit der Franz-Josefs-Bahn in etwas mehr als zwei Stunden bequem erreichbar. Eisenbahnfreaks pilgern gerne nach Gmünd, weil sie von dort mit der traditionsreichen Waldviertelbahn, einer Schmalspurbahn, von Mai bis Ende Oktober nach Groß Gerungs sowie nach Litschau fahren können. Adventfahrten werden am 30. November, 1. und 24. Dezember, die Silvesterfahrt am 31.Dezember 2024 angeboten.
Besuchen Sie die Grenzregion und lernen Sie dabei Geschichte.
Elisabeth Dietrich-Schulz