Das ehrwürdige Wiener Musikhaus Doblinger und FALCO, der Rockstar aus Wien.
Wie vor 40 Jahren die Notenblätter im Video ROCK ME AMADEUS landeten

Foto-Credit: ORF
So eine gute Nachricht würden sie zur Zeit alle gerne vernehmen, die im und mit dem legendären Musikhaus Doblinger, seit 200 Jahren mit stets fachkundiger Beratung und nahezu allen Noten im Angebot, um den Fortbestand bangen, zumindest an der gleichen geschichtsträchtigen Adresse. Eine Frohbotschaft nach genau 40 Jahren ist knapp vor Weihnachten all denen wiederfahren, die seit damals mit einer österreichischen Musik- Legende gearbeitet oder ihr kreatives Schaffen bewundert haben, um nach dem tragischen Unfallstod 1998 um den Menschen und Künstler Hans Hölzel noch immer zu trauern. Ziemlich genau nach 40 Jahren findet sich das Album FALCO 3 erneut auf dem ersten Rang der Ö3 Austrian Top 40 Album Charts. Es war der größte kommerzielle Erfolg des Österreichers , sein endgültiger internationaler Durchbruch , auch wenn die meisten Songs auf dem Album von den niederländischen Produzenten Bolland& Bolland geschrieben wurden. Für einen kurzen Augenblick, aber zumindest für die filmische Ewigkeit festgehalten, gibt es zu beiden Wiener Größen eine gemeinsame Geschichte.
Musikvideos waren 1985 noch eine sehr junge Kunstform , vor allem in Österreich. Teuer, aufwendig und außer im Nischenprogramm Jugendmagazin ohne Sendeplatz in den Fernsehanstalten. Einen ersten internationalen Erfolg erzielte im Jahr zuvor Leonard Cohen , mit dem das Kanadische Fernsehen eine Show I AM A HOTEL nur aus Videoclips produzierte und dafür beim Festival für Fernsehunterhaltung im Schweizer Montreux 1984 den begehrten Hauptpreis DIE GOLDENE ROSE erhielt .
Da traf es sich gut, dass zeitgleich die Unterhaltungsabteilung des ORF mit einer optischen Umsetzung der neu erschienenen zweite LP von FALCO JUNGE ROEMER ein Erfolgsprogramm vor allem für das junge Publikum erhoffte. Das erste Album EINZELHAFT mit dem internationalen Hit Der Kommissar hatte 1982 alle Erwartungen übertroffen. Als die Planung für Montreux begann, war es naheliegend, den aufwändig aber finanziell eher bescheiden produzierten Musikfilm mit dem Titel HELDEN VON HEUTE einzureichen, in einer gekürzten Fassung, bei der durch die Bearbeitung die Einleitung aber zu lang geriet. Keine gute Voraussetzung für einen Wettbewerb, bei dem das Fachpublikum jederzeit die Vorführung verlassen kann, nur die Jury, meist die Verantwortlichen der TV-Unterhaltungsbrache muß bleiben -und zuschauen. Mobiltelefone zum Zeitvertreib gab es damals noch nicht. Zeitungslesen war zu auffällig und unkollegial. Auch die Platte verkaufte sich außer im Heimatland des Künstlers nicht so gut wie erhofft, an der vertraglich vereinbarten 3. LP mußte daher dringend gearbeitet werden. Im Frühjahr 1985 erhielten die beiden Gestalter der Musikshow Hannes Rossacher und Rudi Dolezal ein Demoband mit einer neuen Falco-Nummer, flotter Rhythmus , gut als Opener und mit dem österreichischen Klassik Superstar Wolfgang Amadeus Mozart ein idealer Titelheld in einem Beitrag Made in Austria. Mit Genehmigung der Festivalleitung durfte das brandaktuelle Musikstück in das bereits am Genfer See eingetroffene Werk vor Ort eingefügt werden. Aber dafür mußte es erst produziert werden.
Die Musiknummer war fertig, die Zeit für eine Verfilmung drängte, das Geld fehlte, aber es ging für den ORF immerhin um die Goldene Rose. Die Haupt Abteilung Unterhaltung steuerte ein bisschen zu den Produktionskosten bei, die Plattenfirma nolens volens ein bisschen mehr . Da ging es um den kommerziellen Erfolg in der Erwartung, die etwas ins Stocken geratene Karriere des österreichischen Ausnahmekünstlers wieder in Fahrt zu bringen. Das heimische Fernsehen mobilisierte für die 3 Minuten 11 Sekunden lange Eigenproduktion alle Kräfte ; der Chef des Kostümfundus schaffte es mit seinem Team die 40 junge Menschen der Komparserie nur mit dem im Lager vorhandenen Gewand in die Zeit von Wolferl zu versetzen . Er opferte sogar seinen Bart ,um in einem später noch gefundenen roten Mantel einen etwas zwielichtigen Kirchenmann darzustellen. Nur der Star erhielt trotz knapper Kasse das schönste Kleidungsstück aus einer der bekanntesten Wiener Verleihfirmen für Filmkostüme . Was am ersten Drehtag , 1. April 1985, inmitten einer Rockerband auf dem Tresen des In-Lokals Blue Box auch prächtig zur Geltung kam. Höhst widerwillig wurde auch eine bunte Perücke akzeptiert.
Tags darauf öffnete das Palais Schwarzenberg im 3. Wiener Bezirk, damals noch ein Hotel, seine Pforten für die Filmcrew. Der Aufbau durch das Kamerateam war fertig, alle Mitwirkenden eingekleidet, geschminkt, mit den Perlenketten und den Perücken aus einem weiteren ORF Fundus geschmückt, von der Chefmaskenbildnerin und ihrem Team in den Arbeitspausen während der Aufzeichnungen zu anderen Studioproduktionen mit engagiertem Einsatz kreiert.
Nur die wichtigste Person, der Hauptdarsteller sollte sich verspäten. So blieb Zeit für kreatives Planen. Wie so oft kam ganz spontan der „grandiose“ Vorschlag , der Interpret des Titelsongs , jetzt mit neuzeitlich elegantem Dress und gestylter Frisur solle vor dem Mikrofon nicht nur singen . Es wäre doch originell und auch optisch attraktiv, würde der Rockstar an seine „ historische“ Entourage so etwas Altmodisches wie Notenblätter verteilen, was zudem ihren Einsatz als „Chor“ motivieren würde. Die Idee klang überzeugend. Aber wo waren an einem Dienstag mittags selbst in der Musikstadt Wien auf die Schnelle Notenblätter zu finden, mindestens 40 Stück.
Die ohnehin schon stark gestresste ORF Redakteurin erinnerte sich, dass sie immer wieder bei allen großen und kleinen Musik-Shows im „Doblinger“ fündig geworden war , was weniger für die Noten als für die Liedtexte , die in den Drehbüchern zitiert werden mussten, unabdingbar war. Das Geschäftslokal in der Dorotheergasse nahe der Stefanskirche ist nicht weit vom Schwarzenbergplatz entfernt, bis zum Drehbeginn war der Weg zu schaffen. Im Musikhaus war die Notenauswahl, gesucht war eine Mozartkomposition mit Noten und Textzeilen, diesbezüglich nicht so groß aber ausreichend. Es würde zwar kaum ein noch so kundiger Experte unter dem Fernsehpublikum Noten und Text erkennen können, aber solide Basisarbeit war allen Beteiligten ein echtes Anliegen. Bei einer Arie aus der Zauberflöte wurde man fündig. Das eigentlich nicht vorhandene Geld reichte nur für ein Exemplar, vorerst einmal – es gilt der Kunst – privat bezahlt. Auch heute noch ist das Notenmaterial erschwinglich.

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Guter Rat war in dem Fall glücklicher Weise auch nicht teuer ; Kopiergeräte waren schon erfunden und an zentralen Stellen im ORF allgemein zugänglich aufgestellt. Das Wiener Funkhaus lag sozusagen auf dem Weg. Die stark benützten Geräte funktionierten , aber für den Einsatz mußte die jeweilige Personalnummer des Benützers in das Pflichtenheft eingetragen werden. Glücklicher Weise stellte eine couragierte Mitarbeiterin aus dem Radiohaus der Kollegin vom Küniglberg ihre Zahlen zur Verfügung. Der Nachschub an Papier war vorhanden, der Stoß mit den beidseitig bedruckten Blättern nicht so schwer, um nicht sozusagen unterm Arm ins fürstliche Palais transportiert zu werde. Dort verteilte FALCO – AMADEUS sie huldvoll lächelnd an seine Gäste. Die Szenen wurden mehrmals gedreht, das Papier wirkt dadurch, im Video gut sichtbar, schon etwas zerknittert . Vielleicht hat jemand im Saal die Idee gehabt und sein Blatt nach Hause mitgenommen. In den Aktenordnern der Produktion hat sich keines erhalten. Das Musikhaus hielt auch mehr auf Tradition als auf Business, Sponsoring war noch nicht üblich. Auf die Idee, mit signierten Notenblättern im Laufe der Zeit – in den letzten 40 Jahren – ein kleines Zubrot zu verdienen, kam niemand. Eine Seite Mozart – eine Seite Bolland ! Auch der ORF-Delegation fehlten im Mai zur Festivalzeit Gespür und Vorausblick, im Frühling mit Müh und Plag an einem Welthit bei seiner Umsetzung ins Fernsehen gearbeitet zu haben. Ein Stapel Notenblätter als kleine Aufmerksamkeit für die internationale Jury in Montreux hätte im Reisegepäck sicher noch Platz gehabt. Die geplanten „Geschenke“ waren trivialer, aber auch willkommen. Den Transport einer großzügigen Fracht an Mozartkugeln für die Kolleginnen und Kollegen in den Vorführsälen hatte die damals noch existierende Süßwarenfirma übernommen.
Ein weiteres rein kulinarisches Problem löste der Zwischenstopp im Funkhaus auch. 40 aufwendig kostümierte Mitwirkende können schwer in einer kurzen Drehpause in ein preiswertes Lokal rund um den Hochstrahlbrunnen zum Essen geschickt werden. An einen Besuch im Hotelrestaurant war nicht zu denken, eine solche fast wahnwitzige Entscheidung hätte die dortige Küche und das Produktionsbudget stark überfordert. Aber das ORF – Funkhaus hat auch eine Kantine .Dort wurden 100 Wurst- bzw. Käsesemmel bestellt, 10 Schilling das Stück. Der Produktionsleiter nahm – von einem Firmen-Festtelefon aus beim Portier des Funkhauses gratis kontaktiert – die ungeplante Ausgabe erst einmal auf seine Kappe.
Ein Jahr später : Die Platte Falco 3 mit ROCK ME AMADEUS als erste Single – Auskoppelung war schon lange die Nummer 1 vieler Hitparaden, das Video in diesem Jahr das meistgespielte auf dem Musikkanal MTV, alle waren zufrieden, nur etwa betrübt, weil es keine Rose , nicht einmal eine Lobende Erwähnung , eine Art 4. Platz – im Wettbewerb geworden ist; höchstens eine kleine aus dem Souvenirshop. Nur die Rechnung über die im Produktionsbudget nicht kalkulierten 1000 Schilling für die Tagesverpflegung war noch immer auf vielen Schreibtischen im ORF Zentrum unterwegs, auf der Suche nach einer Unterschrift, die die Bezahlung an den Kantineur freigibt.
Ulrike Messer – Krol
damals leitende Redakteurin
PS.: Beim Dreh des Videos wurde nicht fotografiert, Handys gab es noch länger nicht, und ein Fotograf wäre zu teuer gewesen. …so fallen die Bilder, weil direkt vom Bildschirm und daher unscharf, unter den Überbegriff Kunst ! Aber es kann jederzeit das noch immer gestalterisch überzeugende Video auf You Tube abgerufen werden.

