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„Dankbar für die vielen neuen Aufgaben“ Die Schweizer Sopranistin Gabriela Scherer über neue Rollen, Repertoirefragen, das anstehende Debüt bei den Bayreuther Festspielen, wie sich Stimmen nach Geburten ändern können und vieles mehr.

03.03.2024 | Sänger

„Dankbar für die vielen neuen Aufgaben“. Die Schweizer Sopranistin Gabriela Scherer über neue Rollen, Repertoirefragen, das anstehende Debüt bei den Bayreuther Festspielen, wie sich Stimmen nach Geburten ändern können und vieles mehr.

Fragestellung: Isolde Cupak, Februar 2024

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Gabriela Scherer. Copyright: Harald Hoffmann

 Interview mit der jugendlich-dramatischen Sopranistin Gabriela Scherer, die diese Saison ziemlich durchstartet, im Dezember ihr Hausdebüt an der Staatsoper Hamburg gegeben hat, letzten Monat ihr Rollendebüt als Leonore in „Fidelio“ in Lissabon und demnächst im März/April an der Semperoper ihre erste Chrysothemis singen wird, gefolgt von der ersten Donna Elvira an der Berliner Staatsoper und dem Bayreuth Debüt im Sommer als Gutrune.

Diese Spielzeit ist voller wichtiger Debüts für Sie. Das erste war im Januar Leonore in „Fidelio“ in Lissabon. Oft liest man, Beethoven hätte nicht gut für Stimmen schreiben können. Ist da etwas dran?

Also tatsächlich gab es Momente, als ich an der Leonore gearbeitet und zu meinem Coach gesagt habe: „Strauss hatte einfach mehr Ahnung von Stimmen…“ Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man sehr klug an den Fidelio herangeht. Man muss sich die Partie beinahe instrumental erarbeiten. Wenn man von Beginn an mit voller Wucht rangeht und die Stimme aufreißt, ist man verloren und die Partie ist dann tatsächlich unsingbar. Aber wir sind immer noch in der Klassik und mit einer gesunden, schlanken Stimmführung ist diese Rolle wunderbar zu singen. Ich habe mittlerweile großen Spaß an der Leonore und freue mich sehr, dass sie mich in den nächsten Jahren noch öfter begleiten wird.

 

Nun folgt im März und April eine weitere neue Rolle, Chrysothemis in „Elektra“ an der Dresdner Semperoper…

Chrysothemis ist sicher die größte Herausforderung für mich bisher, sowohl musikalisch als auch stimmlich. Man muss sich meiner Meinung nach wirklich Zeit nehmen, um diese Musik sehr genau und exakt zu lernen. Um wirklich eintauchen zu können in dieses geniale Werk von Strauss. Ariadne und auch Arabella sind ebenfalls sehr komplex, aber trotzdem leichter zu verstehen. Für die Chrysothemis brauche ich mehr Zeit und obwohl es teilweise sehr komplizierte Musik ist, hat man am Ende immer das Gefühl, dass bei Strauss alles einen Sinn hat.

 

An der Berliner Staatsoper singen Sie im Mai Ihre erste Donna Elvira in „Don Giovanni“, das dritte Rollendebüt in Folge. Wie wichtig ist es, zu Mozart zurückzukehren, gerade wenn sonst viel Wagner und Strauss auf dem Programm steht?

Ich freue mich riesig auf die Donna Elvira und zwar aus verschiedenen Gründen. Ich liebe Mozart und ja, es ist eine wunderbare Hygiene für die Stimme. Aber ich freue mich auch ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit Marc Minkowski, den ich seit meinem Studium sehr verehre. Es ist wirklich ein Geschenk und eine große Bereicherung für mich, dass ich mit ihm arbeiten darf. Einerseits verstehe ich, dass oft gesagt wird, Mozart sei gesund für die Stimme und es sei wichtig, immer wieder zu Mozart zurückzukehren. Aber mein Ziel ist es, mit einer gesunden, schlanken Stimme auch an Strauss, ja sogar an Wagner heranzugehen. Eine Elsa verlangt eine sehr schlanke Stimmführung und auch die Senta hat wunderbare Pianolinien zu singen. Ich versuche, das alles mit einer Technik und einer Stimme zu singen. Natürlich ist das Orchester ganz anders besetzt und je nachdem prallt einem bei Strauss oder Wagner ein wahnsinniger Sound entgegen. Und die Gefahr besteht, dass es einen zum Brüllen oder dagegen Ankämpfen verleitet. Aber auch da sollte man versuchen, die Obertöne zu fokussieren, sodass die Stimme immer über dem Orchester trägt. Deswegen bin ich der Meinung, dass man auch mit Strauss und Wagner immer Stimmhygiene betreiben kann und sollte. Aber wenn Sie mich fragen, ob auf meinem Rollen-Wunschzettel mehr Mozart steht, dann beantworte ich das eindeutig mit ja. Ich will unbedingt die Vitellia singen, und gerne immer wieder die Gräfin, die ich über alles liebe…

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Gabriela Scherer. Copyright: Harald Hoffmann

 

Auch Wagner kommt diese Saison nicht zu kurz: die Senta singen Sie in Hamburg und Düsseldorf, im Sommer folgt Ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Gutrune in „Götterdämmerung“. Was bedeutet dieses Debüt für Sie?

Auf das Debüt in Bayreuth freue ich mich sehr, keine Frage. In Bayreuth zu singen ist ein Traum, der endlich in Erfüllung geht und ich hoffe, dass ich dort noch einige Male in Zukunft singen werde. Die wunderbaren Kollegen, das Orchester ist sensationell. Ich war so viele Male dort im Zuschauerraum. Jetzt endlich selbst dort auf der Bühne zu stehen, wird glaube ich ein ganz besonderer Moment für mich.

 

Im italienischen Fach singen Sie Partien wie Tosca und Elisabetta in „Don Carlo“. Gibt es weitere Pläne und Wünsche in diesem Repertoire?

Im Moment gibt es leider wenige Pläne im italienischen Fach, was ich sehr, sehr schade finde. Ich fühle mich tatsächlich sehr wohl mit Verdi, und ich kämpfe immer wieder gegen Vorurteile an. Wegen der Herkunft, ja sogar wegen der Haarfarbe, glauben manche, dass man mich im italienischen Fach nicht besetzen kann und das ist einfach absurd. Wenn ich bisher Verdi gesungen habe, wurde mir im Nachhinein oft gesagt, wie überrascht man war, wie gut diese Rollen stimmlich zu mir passen. Verdi liegt meiner Stimme genauso gut wie Wagner. Das hat sicher damit zu tun, wie ich singen gelernt habe, im Studium, wie ich bis heute mit meinem Coach arbeite. Und dass Verdi einfach eine saubere, gesunde, schlanke Technik verlangt, die die besten Seiten meiner Stimme zum Vorschein bringt. Ich hoffe sehr, dass die Desdemona bald auf meinem Kalender steht. Das ist meine absolute Wunschpartie und ich glaube, sie passt mir wie angegossen. Übernächste Spielzeit wird Alice Ford in „Falstaff“ kommen, worüber ich mich wahnsinnig freue.

Welche Partien sind im deutschen Fach geplant? Sehen Sie sich in einigen Jahren auch in Rollen wie Isolde, Brünnhilde oder Elektra?

Wie gesagt, meine Rollenwünsche sind in erster Linie Desdemona, mehr Elisabetta, Tosca, sehr gerne die Marschallin, weitere Arabellas und Elsas. Das sind die Rollen, in denen ich mich sehe. Jetzt, während ich an Chrysothemis arbeite, höre und sehe ich in den Noten auch einiges von der Elektra. Und da glaube ich tatsächlich nicht, dass es je meine Rolle wird. Man weiß nie, was passiert. Fragen Sie mich gerne in 15 Jahren noch einmal, aber ich denke wirklich nicht an diese Rolle. Isolde wäre schon ein großer Traum. Aber auch diese Rolle darf noch länger auf sich warten lassen. Erst einmal möchte ich oft Elsa singen und in der Zukunft wird erfreulicherweise auch die Elisabeth kommen. Wenn ich dazwischen immer wieder Strauss, Mozart und Verdi singe und die Stimme sich in den Jahren auf eine gesunde Art vergrößert und weiterentwickelt, dann schaue ich mir gerne die Isolde an. Aber noch denke ich nicht daran, um ehrlich zu sein.

Sie haben Ihre Karriere als Mezzosopran begonnen. Nach einer mehrjährigen Kinderpause sind Sie vor einigen Jahren als Sopran auf die Bühne zurückgekehrt. Hat sich die Stimme durch die Geburt Ihrer Kinder verändert oder hat sich diese Entwicklung schon vorher abgezeichnet?

Ich glaube, die Stimme, aber vor allem die ganze Körperlichkeit verändert sich sehr stark durch Geburten. Mit meinem Fachwechsel allerdings hat das nicht viel zu tun. Ich denke, ich war immer eigentlich ein Sopran und es war gar nicht so schlecht, als lyrischer hoher Mezzo anzufangen. Ich habe nach den Geburten eigentlich komplett aufgehört zu arbeiten und ich bereue es keine Sekunde. Ich war einfach durch und durch Mama und ich muss sagen, dass es für mich nur so möglich war. Ich bewundere Kolleginnen, die nach vier Wochen schon wieder reisen und singen und auftreten können. Aber für mich ging das einfach nicht und wer mich kennt, versteht das. Meine Kinder sind mein Ein und Alles und ich habe die Zeit mit ihnen so sehr genossen, und spüre heute, wo sie Teenager sind, dass es die richtige Entscheidung war. Dadurch, dass ich aber kaum gesungen habe, oder eigentlich gar nicht, außer mal unter der Dusche, war ich sehr „unter-spannt“ und das zeigte sich vor allem im Vibrato. Ist eine Stimme und der Körper unterspannt, wird das Vibrato eher groß. Ist der Körper sehr angespannt und passiert alles mit Druck, wird das Vibrato zu schnell und sitzt zu hoch. Bei mir war eher ersteres der Fall, das ist glaube ich für singende Mütter die größte Herausforderung. Ein Kind auszutragen und zu gebären bringt eine große Veränderung des Körpers mit sich und da gibt es viel daran zu arbeiten, dass die Stimme solange es geht jung und gesund bleibt. Dass ich nach dieser langen Pause den Fachwechsel gemacht habe, lag daran, dass ich mir sagte: „Wenn ich es noch einmal versuche mit einer Karriere“, denn ich hatte sie eigentlich für mich fast als beendet gesehen, „dann zu ganz neuen Bedingungen“. Ich hatte ja die Agentur verlassen, meine Festanstellung in München, und ich fing wieder bei null an. Und da war es für mich die beste Gelegenheit zu sagen, „dieses Mal fange ich im richtigen Fach an“. Ich habe nichts wirklich geändert, sondern einfach versucht etwas wegzulassen, was nicht zu mir gehörte. Dieses künstliche in die Tiefe forcieren, die Rollen, die einfach nichts für mich waren.

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Gabriela Scherer. Copyright: Harald Hoffmann

 

Wie ist Ihr musikalischer Werdegang? Kommen Sie aus einer Musikerfamilie? Wenn nicht, wie sind Sie zum Gesang und zur Oper gekommen?

Ich komme nicht aus einer musikalischen Familie. Geboren wurde ich in Zürich und mein Vater war Lehrer. Ich kam durch seine Tätigkeit an der Schule immer wieder mit Musikprojekten in Kontakt, was mich sicher sehr geprägt hat. Aber soweit ich mich erinnere, hatten wir nur eine Schallplatte mit der Zauberflöte zuhause und ich sagte schon mit vier Jahren, dass ich mal eine Sängerin werde. Fragen Sie mich nicht, wie ich darauf kam, aber es war wie eine tiefe Intuition, die sich wie ein Faden durch mein Leben gezogen hat. Ich wollte immer singen, war später sehr aktiv im Schulchor. Was mich auch sehr geprägt hat, war das Opernhaus Zürich. Als Studentin habe ich dort die besten und großartigsten Sänger gehört, die schönsten Produktionen gesehen. Das war eine unglaubliche Inspiration für mich und noch heute werde ich ganz ehrfürchtig, wenn ich den „großen“ Sängerpersönlichkeiten von damals begegne. Heute entstehen Karrieren so schnell. Und so schnell sie kommen, so schnell verschwinden sie auch oft wieder. Das finde ich sehr bedenklich, um ehrlich zu sein. Aber damals in Zürich habe ich wirklich die größten Künstler erlebt, die mich sehr inspiriert haben. Also, singen wollte ich immer, seit ich denken kann. Und ich bin einfach nur sehr glücklich und dankbar für die vielen neuen Aufgaben, die auf mich zukommen…

Danke für das Gespräch! (Isolde Cupak, im Februar 2024)

 

 

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