DANIEL LOZAKOVICH spielt BACH: Debüt CD bei der Deutschen Grammophon
Der junge schwedische Geiger mit russischer Abstammung überzeugt mit der Partita für Solovioline Nr. 2 in D-Moll
Schon der Lebenslauf des Violinvirtuosen ist außergewöhnlich. Ein vielseitiger Sportler (Boxen, Fußball, Tennis) aus einer nicht eben mit Musikprofis gesegneten Familie, der lange Tennis als seine erste Lebensaufgabe gesehen hat, entscheidet sich u.a. nach einem erfolgreichen Konzertdebüt mit den Moskauer Virtuosen unter Vladimir Spivakov für eine Musikerlaufbahn. Ganz schön mutig. Der Grad seiner enormen internationalen Reputation lässt sich auch daran ablesen, dass Daniel Lozakovich im August für den an einem Bandscheibenvorfall laborierenden David Garrett in Gstaad „einspringen“ wird.
Sein Debütalbum beim Gelblabel – bei der Vertragsunterzeichnung 2016 war der Künstler gerade einmal 15 Jahre jung – widmet Lozakovich der Musik von Johann Sebastian Bach. Die Violinkonzerte Nr. 1 und 2, BWV 1041 und 1042 werden akustisch über Gebühr vom Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks dominiert. Sowohl Lozakovich als auch das massiv ausspielende Orchester (ohne Dirigent) bevorzugen einen runden, romantischen Ton. Die Aufnahmetechnik hat hier dem Solisten keinen Gefallen getan, weil sie Orchester und Solovioline ohne ausreichende Tiefenstaffelung zu sehr im Wohlklang verschmelzen lassen. Oder ist der August Everding Saal der Musikschule Grünwald eben nicht der ideale Ort gewesen. Eine Eigenprofilierung von Lozakovich‘ Kunst samt adäquater Wirkung auf den Zuhörer konnte so jedenfalls nicht erreicht werden.
Bei der großartigen, ca. 30-minütigen Partita Nr. 2 in D-Moll mit der berühmten Chaconne hingegen kann Lozakovich nicht nur seine brillante Technik unter Beweis stellen. Der Schachspieler Lozakovich geht musikalisch reflektiert zu Werke, verbindet überwiegend traditionelles Violinspiel mit wenigen Errungenschaften der Originalklangbewegung. Er weiß mit großem Bogenstrich und sattem Ton auf seiner „ex Baron Rothschild“ Stradivari (1713) metrisch, im Ausdruck und mit einer sehr spezifischen Klangabmischung neue Akzente zu setzen. Ohne Attitüde und oberflächlich polierten Glanz setzt der Geiger hier ganz auf die Herausarbeitung von feinen Nuancen, Binnenspannung und lichtvoll apollinisches Musizieren. Eine imponierende Reifeleistung.
Insgesamt ist dieses Bach-Album wegen der wenig geglückten Konzertaufnahmen wohl noch nicht der überzeugende Renner. Den Künstler sollte man sich trotzdem merken. Nicht wegen seines Potentials, dass schon offen zutage liegt, aber wegen der Weiterentwicklung seines musikalischen Wegs, auf dem hoffentlich auch spontane Expressivität in richtiger Balance zu der Pflege klanglicher Details stehen wird.
Dr. Ingobert Waltenberger