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DANIEL BEHLE: Die Vielfalt macht’s!

Die Vielfalt macht's!

06.05.2019 | Sänger

DANIEL BEHLE: Die Vielfalt macht’s!

 

Karl & Andrea Masek

Das Gespräch fand am 2.5. 2019 in Hohenems statt


Daniel Behle. Foto: Andrea Masek

 

Der Tenor kommt mit Rollkoffer zum Treffpunkt. Hohenems, vor dem Markus-Sittikus-Saal. 13:00 Uhr, auf die Minute genau. Herzlich, launig, schon die Begrüßung. Magen knurrt, wird signalisiert. Gehen wir rüber ins Schloss-Cafe? Super, einverstanden! Und schon sitzen wir im Gastgarten und bestellen. Flammkuchen gibt’s da? Den nehm ich! Ganz unkompliziert, fröhlich, cool, mitteilsam, der jugendlich wirkende 44-jährige Hamburger.

 

Fangen wir mit der Wiener Zeit an, mit der Volksoper?

Den ersten Tamino, ja, den habe ich an der Wiener Volksoper gesungen. Aber begonnen hat es in Oldenburg. Das war mein erstes Festengagement für 2 Jahre, war eine ganz wichtige Zeit, beim tollen Intendanten Rainer Mennicken, da hab ich viel Repertoire zu singen bekommen, deutsche Spieloper, viel Mozart, den Rinuccio, und auch Operette (Bettelstudent) …

(Es folgt ein Plädoyer dafür, lieber an kleinen Häusern im Festengagement zu starten  und nicht an großen Häusern „im Studio“)

Wenn man dann Intendanten hat, die einen richtig einsetzen und die Stimme nicht überfordern. Trotzdem viel und Unterschiedliches singen, das ist auf jeden Fall besser. Und ich hatte da Glück. Ich war am Anfang 7 Jahre im Festensemble, 2 Jahre Oldenburg, 2 Jahre an der Volksoper und 3 Jahre an der Frankfurter Oper. An der Volksoper hab ich auch mit Operette begonnen, mit der Fledermaus, dem Alfred! )

 

Dann hat mich  Bernd Loebe nach Frankfurt geholt, der war immer auf der Suche nach jungen Sängern, auch ein wunderbarer Intendant, bei dem ich viele schöne Aufgaben hatte! Hat mich im Mozart-Fach viel eingesetzt, mir aber auch den Ramiro in Cenerentola gegeben, im Otello den Cassio,…

 

Wer / Was  ist wichtig am Anfang einer Karriere, die ja nicht genau planbar ist? Die Lehrer, Intendanten, die was von Stimmen verstehen, „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ zu sein…?

Der Vorteil ist gewesen, am Anfang bei meiner Mutter (Renate Behle, namhafte deutsche Hochdramatische) fast täglich Unterricht gehabt zu haben… Er zieht Vergleiche mit Christa Ludwig, bei der der Unterricht  beim der Sänger-Vater war. Das ist am Anfang unabdingbar, weil man ja auch viel falsch macht. Die Schwierigkeit beim Singen ist ja, dass einen die Leute draußen anders hören als man sich selbst mit einer orgiastischen „Badezimmer“- Akustik. Da braucht es dann schon Lehrer, Mentoren, die einen führen, einen drauf hinweisen; da braucht es auch Kritik und Selbstkritik. … Man muss mit der Technik beginnen, du musst ein gutes Technik-Fundament haben, du musst fähig sein, nie unter ein gewisses Level zu fallen, es gibt Tage, da ist es wunderbar, und es gibt Tage, die sind sauschwer, und da muss man imstande sein „gegenzusteuern“. Durch die Mentoren Selbsteinschätzung lernen!

 

(Er erzählt vom Frankfurter Otello, er als Cassio, Johan Botha als Otello;  der hatte damals seine Lehrerin dabei, die ihm, dem damals schon großen Botha,  ehrliche Kritik gegeben hat.)

 

  Auf diesem Level hörst du ja sonst nur entweder, wie toll alles war, oder du wirst zerrissen, wenn man deine Stimme nicht mag …

 

Zur Vielfalt der Stilistik, zum Stilgefühl: Behle und Barockmusik, deutsche Spieloper, das Mozartfach, Rossini, die „Sträusse“ von Arabella bis Capriccio und Schweigsame Frau (Behle redet über seinen Lieblings-Strauss, Die schweigsame Frau,  „wie ein Rossini auf Drogen“, deutet etliche Stellen singend an, gelacht wird viel, Klangcollage mit den  Kindern am Spielplatz nebenan; die Leute an den anderen Tischen drehen sich um),  der Übergang ins jugendlich-dramatische Fach bis hin zum Lohengrin. Ist das ihre Lust an der Vielfalt … und die Hochtöne wirken bei ihnen nie von unten erkämpft, sondern sie kommen von oben ...

…was beim Rossini schwierig ist, weil der ist so hoch, der kann gar nicht von oben kommen… aber grundsätzlich ist es so.  Heutzutag‘ gibt es für alles einen Spezialisten. Hab ich Liederplatten gemacht, war ich der Liedersänger, dann war ich Mozart-Spezialist, jetzt bin ich komponierender Sänger seit der Winterreise-Fassung mit dem Schnyder-Trio und „Mein Hamburg“ und der Weihnachtslieder-CD. Immer wird man in Schubladen gesteckt, und dann ist es schwer, da wieder rauszukommen. Ich komme zu meinem Lieblingssänger, Fritz Wunderlich. Der hat damals alles gesungen. Der hat einen Palestrina gesungen und alle haben vorher gesagt, der ist ja viel zu jung dafür.

 …

 … und flugs sind wir beim Thema „Dirigenten“, da schätzt Behle Dirigenten wie Philippe Jordan oder zuletzt Constantin Trinks oder Axel Kober, die ruhig und sachlich arbeiten, nicht mit Show und „Rumgetütel“,  die auch glätten und Lautstärke zügeln und auf die Sänger achten …

Beim Erik in Hamburg hab ich mich gut gefühlt, und jetzt ist die Weiterentwicklung fast logisch. Auf das Urteil meiner Mutter, die ja Wagnersängerin war, höre ich da ganz genau. Die ist da sehr präzise. Und ich vertrau ihr blind. Und sie riet mir nicht ab, im Gegenteil. Der Lohengrin hat ja sehr viel Lyrisches, du hast halt die Stellen, wo du eine ‚Ansage‘ machst wie mit dem Telramund – das Heldische muss durchblitzen, das heißt, du brauchst stimmlichen Kern, aber auch Stimme, die auf Linie singen kann … aber wenn es so akkordisch und voll instrumentiert ist, kommst du leicht zu einem ‚Hustklang‘ (demonstriert:  HHHeil, König HHHeinrich …!). Das haut drauf auf die Stimme. Erster, zweiter Akt ist ja nicht so viel, dafür hört der 3. Akt überhaupt nicht auf … Für mich hat sich alles angefühlt wie der Erik, aber länger!

 

Ihr favorisierter Sänger, Fritz Wunderlich, hatte da ganz ähnliche Pläne mit Lohengrin, jetzt  Beczala, der vor 20 Jahren bei der Es-Dur-Messe von Schubert ja auch einen Hauch des Wunderlich-Timbres hatte. Oder Gösta Winbergh, der Unvergessliche,  der mit Mozart begonnen hatte…  (… und der Peter Seiffert,  fällt Behle sofort ein)

Genau! Ich bin jetzt 44, jetzt sing ich den ersten Lohengrin vor dem „45.“, achtmal in Dortmund und Stuttgart, auch der Florestan kommt, den ich für mich mehr sehe als alles andere. Da hat meine Mama an die 80x die Leonore gesungen, also das kenne ich schon von daher besonders genau … ja, und damit, dass der Beethoven nicht für Stimme schreiben konnte, damit muss man halt umgehen, mit dem passagio (singt sofort ‚O Freiheit, o Freiheit, ins himmlische Reich‘, von oben kommend!) … ist ja ein voller Orchesterklang, aber alles schlank geschrieben. Nicht wuchtig und schwer!

 

Im nächsten Atemzug ein Plädoyer für verdeckten Orchesterklang. Das Orchester tiefer, dass die Sänger drüberkommen und nicht brüllen müssen.  Nicht hinter dem Sänger platziert! Die Skepsis über die Rundsäle, da kämen die Sänger kaum mehr zum Phrasieren, zur Differenzierung, sondern brüllen nur mehr …

 

Bayreuth mit dem verdeckten Orchester: Für Sänger ideal?

Ideal! Bequem zu singen! Das einzige Haus, wo du wirklich ‚auf den Schlag‘ singen kannst! Heuer sing ich dort wieder den David und im neuen Tannhäuser den Walther von der Vogelweide.

 

Und von der Bühne sieht man den Dirigenten?

Ja, in kurzen Hosen!

 

(Schildert, dass wir aus dem Lachen nicht herauskommen, wie das dann aussieht, wenn der Philippe Jordan nach 5/12 Stunden Meistersinger zum Schlussvorhang kommt, im Frack, kein Schweißtropfen zu sehen, so als würde er gerade erst mit der Arbeit anfangen wollen)

 

Daniel Behle zu neuen Ufern: Die Seemannslieder („Mein Hamburg“ mit dem Schnyder Trio), sehr lustig,…

…die Idee kam schon während meiner Zeit an der Wiener Volksoper. „Mein Wien“ kam da immer, der Stolz auf Wien, samt Robert Stolz. Warum nicht auch „Mein Hamburg“? Nach dem Motto: ‚Donau und Elbe – im Grunde dasselbe!‘ Der Wiener Schmäh mit subtiler Gemeinheit ist für mich als Hamburger sofort verständlich! Da ist von meinem  Komponieren und Arrangieren her so ein bisschen Kaffehausmusik mit Seemannstouch entstanden; eigentlich sind ja nur 2 Shanties auf dieser CD. Die Albers‘sche Reeperbahn und die „Kleine Möwe“.

 

 Auf jeden Fall die Lust, gelegentlich aus dem Klassik-Betrieb auszubrechen!

Und was ganz anderes, Kreatives zu machen. Das machen nicht so viele. Und sich auch mal gegen das eigene Label zu stellen. Was ich gefightet habe, dass diese Idee vom Label akzeptiert wurde…

 

(Plaudert ‚aus der Schule‘, unter welchen Bedingungen oft Aufnahmen entstehen unter großem ökonomischem Druck, Zeit ist Geld, dann stehen nur 3 Aufnahmetage zur Verfügung, viel lieber hätte man 5 gehabt, und dass man auf Knopfdruck gesund sein MUSS … und alles mit den Rechten für Cover-Versionen, für ‚Honey Pie‘  gab es die Rechte erst, als Oliver Schnyder  Paul Mc Cartney persönlich angeschrieben hat! Der Druck des Marktes und damit die Marktorientiertheit der Labels – meine 2.  R. Strauss-CD kommt 2020  raus, obwohl jetzt grad Strauss-Jahr war und nicht viel am Markt ist,…)

Bei der Weihnachts-CD ist nichts mehr gecovert, da hab ich dann selber komponiert bzw. arrangiert.

Ja, und ich hab ja Komposition studiert, und da ist etwas im Werden – eine Operette. Der Titel? Wir wollen es nämlich nicht so amerikanisch kurz, wie das heute üblich ist. ‚Rocky – das Musical‘! ‚Bier – die Operette!‘ Das ist doch Quatsch! ‚Hopfen & Malz‘,  das klingt schon geschmeidiger!

 

Aber bei Mozart bleiben Sie auch?

Ja, in München wird in der Intendanz nach Klaus Bachler Mozart & Strauss kommen. Mit Wien bin ich in guten Gesprächen mit Philippe Jordan und der neuen Direktion, da kommen Mozart-, Wagner- und Strauss-Rollen.

 …

… Der Idomeneo?

Da gibt es im Moment keine Anfrage. Es geht komischerweise so in Wellen. Die Entführungs-Welle mit dem Belmonte, vorher war die Arabella-Welle mit dem Matteo, jetzt die Titus-Welle.

Eine fertige Mozart-CD soll heuer im Herbst herauskommen, mit Michi Gaigg, eine wunderbare Dirigentin, und dem L‘Orfeo Barockorchester Linz. (Anm.: Michi Gaigg stammt aus Schörfling am Attersee) Titel: „Zero to Hero“ – Von Ottavio bis Idomeneo. Wir machen auch die ungekürzte „Tränen-Arie“ aus Entführung, die meistens gestrichene Ferrando-Arie aus dem 2. Akt Cosi, und eine Arie aus Betulia liberata, heldische Arie mit unglaublichem Koloraturteil. In der Entführung machen wir schnelleTempi – fast schon ketzerisch! Aber wenn bei der Tränen-Arie der Fokus nicht auf der TRÄÄÄNE, sondern auf der FREUDE liegt, dann sind diese ganz logisch. (Spricht voller Begeisterung von Dirigentin und Orchester, mit welcher Frische und Entdeckerfreude da musiziert wurde).

 

„Schubertiade“ – Was ist für Sie das Besondere an Hohenems und Schwarzenberg?

Die hohe Fachkompetenz des Publikums! Das ist schon sehr beeindruckend! Und die sind ja die ganze Zeit da, kommen nicht mal schnell vom Büro ins Konzert, die sind den ganzen Tag z.B. in Schwarzenberg „auf der Weide“, erholt und metabolisch gut runtergekühlt. Die haben es dann lieber langsamer. Dummerweise  haben wir die Müllerin oben, vor ein paar Jahren einmal, in Schwarzenberg viel zu schnell gemacht  (er lacht)…

Ja, und ein besonderes Traditionsbewusstsein. Schuberts Winterreise  mit kammermusikalisch verinnerlichter Hans-Zender-Orchesterversion, die Streicher als Schattenprotagonisten, das geht hier nicht.

 

Der Flammkuchen war toll, das Gespräch gleicherweise spannend wie entspannt, wir bedanken uns sehr – alles Gute, für das was da demnächst kommt (von Hohenems über den Bayreuth-Sommer bis hin zum ersten Lohengrin!)

 

Ich danke Ihnen! Hat Spaß gemacht!                      

 

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