DAMON NESTOR PLOUMIS: Ein Opernstudio sollte kein „Hotel Mama“ sein
Damon Nestor Ploumis als „Tevje“ in „Anatevka“. Foto: Theater Regensburg
Damon Nestor Ploumis betreibt seit neun Jahren mit wachsendem Erfolg das »Lyric Opera Studio Weimar«
von Thomas Janda
Herr Ploumis, wie zufrieden sind Sie mit dem diesjährigen Sommerkurs in ihrem »Lyric Opera Studio« in Weimar?
Ja, ich bin sehr zufrieden. Wir arbeiten an einer Cenerentola-Inszenierung im Zeitraum vom 24. Juni bis zum 22. Juli und an der Zauberflöte vom 7. August bis zum 1. September. Also wir machen zum ersten Mal eine Oper von Rossini, weil das mein persönliches Hauptfach ist. Ich habe großen Respekt vor den Schwierigkeiten, die junge Sänger damit haben, aber ich weiss auch sehr genau, wie man die schwierigen Partien üben muss.
An die Probenarbeiten schließen sich immer sechs Aufführungen mit mehreren Besetzungen an und wir reisen damit an verschiedene kleine Theater in der Umgebung, wie Schloss Kochberg, Apolda, Besenhausen, Bad Liebenstein und an unseren Stamm-Ort Mon Ami in Weimar und das Sommer-Theater Tiefurt. Das sind für die angehenden Sänger tolle Erfahrungen und wir erleben immer ein begeistertes Publikum, vom Kind bis zur Oma. Mein Regiekonzept ist immer traditionell, aber mit dem klaren Focus auf gutes Bühnenhandwerk. Ich finde, dass jungen Sängern oft das schlichte Handwerkszeug für die Bühne fehlt. Im Englischen sagt man:„Du musst erst laufen lernen, bevor du rennst“.
Herr Ploumis, wie muss man sich das Konzept des »Lyric Opera Studio« in Weimar vorstellen?
Vor zehn Jahren habe ich Meisterkurse in Kanada und den USA gegeben und die Studenten haben mich gefragt, wie man in Deutschland anfangen kann zu singen. Also, wie kommt man eigentlich in ein Opernhaus hinein. Viele Studenten haben eine gute theoretische Ausbildung, aber wenig Bühnenerfahrung.
Noch sind Deutschland und Österreich die Länder, in denen Oper eine wichtige Rolle spielt und ich hoffe, dass das auch so bleiben wird. Und weil die amerikanischen Studenten nach Deutschland kommen wollten, hatte ich die Idee, dass wir eine Brücke zwischen diesen Welten bauen, also zwischen dem ausländischen Raum und dem deutsch-sprachigen. Ich wollte den Schwerpunkt auf die Mozart und Da Ponte-Opern legen, weil ich glaube, dass das sozusagen die Hauptgrammatik für alle jungen Opernsänger ist.
Wir haben im ersten Jahr angefangen mit 24 Sängern aus sieben verschiedenen Ländern. Jetzt, im neunten Jahr, haben wir 600 Studenten gehabt aus 52 Ländern.
Wie laufen denn die Kurse ab?
Es geht früh los. Nach dem Frühstück um 8.00 Uhr gibt es Deutschunterricht, eine Stunde, dann beginnen wir mit Einzelunterricht, Meisterkursen und Ensemble-Proben von 10- 14 Uhr. Dazwischen gibt es eine Stunde für das Mittagessen und danach haben wir Bühnen-Proben bis 22 Uhr. Der ganze Tag ist durchgeplant von morgens bis abends: Einzelproben, Szeneproben, Chorproben. Alle Teilnehmer sind ständig beschäftigt. Weil wir mehrfach besetzt sind, haben wir auch einen super Opern-Chor für jede Vorstellung.
Wie sind sie zur Gründung ihres Opernstudios gekommen?
Sie hatten doch genügend Engagements?
Verschiedene junge Sänger haben mich immer wieder angesprochen und gesagt, sie würden gern im Sommer an einer Studioausbildung teilnehmen. Da habe ich mich überreden lassen. Jetzt gehen wir dem neunten Jahr entgegen. Durchschnittlich ca. 300 Leute bewerben sich für den Sommer. Insgesamt ist das eben nicht nur meine eigene Leistung. Unterstützung gibt es von bewährten Kollegen wie: Olaf Storbeck, Deutschland, Paul Plummer, England, Marie-Elise Boyer,Franckreich, Vito Cristofaro, Italien, Steve Davislim, Australien ,Michael Dißmeier, Weimar, Professor Jeanette Favaro-Reuter und Catherine Foster, Ansgar Hüning, Erkki Korhonen, Finnland sowie Baoyi Bi aus China. Das sind alles hervorragende Musiker, Dirigenten und Sänger. In der Administration unterstützt mich Michelle McKenzie aus Kanada.
Mit Catherine Foster haben sie ja sogar einen Bayreuth-Star, wie kam das?
Wir kennen uns schon seit vielen Jahren und das schöne ist, dass sie gar keine Starallüren hat, sondern eine akribische Arbeiterin ist, die das Erarbeiten einer Rolle auch sehr gut vermitteln kann und das kommt bei den Studenten gut an. Kennengelernt haben wir uns 2001 im DNT als ich Papageno gesungen habe und sie die erste Dame war. Im »Lyric Opera Studio« werden viele Erfahrungen vermittelt und deswegen kommen viele gern nach Weimar.
In welcher Sprache wird kommuniziert?
Hauptsächlich Englisch, aber auch Französisch und Italienisch und jede Menge Kauderwelsch und in der Universalsprache mit Händen und Füssen und selbstverständlich „Musikalisch“, jedenfalls verständigen wir uns immer gut.
La Cenerentola. Foto: Nationaloper Helsinki
Die angehenden Sänger müssen ja auch selber kochen oder putzen, wird das nicht manchmal als Zumutung empfunden?
Gleich am ersten Tag sage ich allen deutlich, dass wir hier kein „Hotel Mama“ haben. Trotzdem gab es in den vergangenen Jahren nur zwei Beschwerden. Alle Teilnehmer akzeptieren diese Umstände sehr schnell, weil sie verstehen, dass dies zum Konzept gehört. Für mich war das von Anfang an wichtig. So ein Opernstudio sollte keine „Primadonnen-Zucht“ sein. Hier geht um harte,aber auch fröhliche Arbeit an den Rollen und in der Freizeit muss eben auch der Alltag organisiert werden. Jeder hat eine Pflicht bei den Hausarbeiten.
Die Studenten müssen ja auch Beitrag zahlen, wie funktioniert das?
Also es gibt überhaupt keine staatliche Förderung. Wir sind vollkommen unabhängig und haben ganz wenig Bürokratie. Diese Flexibilität hilft uns viel zu erreichen, ohne langwierige Diskussionen.
Alle sehen ein, dass Qualität ihren Preis hat. Die Teilnehmer wollen ja mit Sängern und Musikern zusammenarbeiten, die schon erfolgreich sind, dafür zahlen sie auch gern. Wenn jemand Geldschwierigkeiten hat, aber viel Talent, finden wir auch eine Lösung.
Wie bewerben sich die Teilnehmer?
Die jungen Sänger schicken eine Mp3-Probe und eine kleine Jury wählt aus. Wer gar nicht passt, der erhält eine freundliche Absage.
Wie sehen sie die Chancen für Nachwuchssänger im deutschsprachigen Raum?
Es wird zunehmend schwieriger, das ist ja kein Geheimnis. Ich betone sehr nachdrücklich, wie schwierig die Situation geworden ist und welche Probleme auf jeden zukommen werden. Der Beruf ist längst nicht so glamourös, wie viele sich das leider immer noch vorstellen. Gleich am ersten Tag frage ich die Teilnehmer, was kannst du konkret besser anbieten als die anderen 300 Konkurrenten, die du in der Zukunft finden wirst. Ich sehe die Aufgabe des Opernstudios auch in der Vermittlung von Sängern an die Opernhäuser, darum kommen immer Vertreter von Agenturen und wir arrangieren Vorsing- und Gesprächstermine. Das war in den letzten Jahren oft erfolgreich und viele Teilnehmer sind so zu Rollen auch an großen Häusern gekommen.
Wie hat sich ihre eigene Entwicklung gestaltet?
Ich habe ja auch selbst indirekt zum Gesang gefunden. Zuerst habe ich Geschichte in Cambridge studiert, dann Theologie in Athen und Jerusalem, aber gleichzeitig habe ich immer Gesangsunterricht genommen. Danach habe ich ein Stipendium an der Academy of Vocal Arts in Philadelphia bekommen. Später habe ich am Merola-Programm der San Francisco-Opera teilgenommen und schließlich bin ich in das Opernstudio der Züricher Oper hineingekommen.
Mein Debüt war an der Griechischen Nationaloper als Bartolo in Rossinis »Il Babiere di Siviglia«, eine Partie, die ich inzwischen in 18 Produktionen gesungen habe. Danach bin ich im Belcanto-Fach geblieben und an der Finischen National-Oper und der Schwedischen Königlichen Oper, am DNT Weimar und quer durch Deutschland und Österreich aufgetreten. Sehr schöne Erinnerungen besitze ich noch an das Landestheater in Schleswig-Holstein. Das war ganz am Beginn meiner Laufbahn und alle waren dort so freundlich zu mir. Ich wäre froh, wenn meine Schüler so einen Einstieg bekommen würden. Ich bin ein wie ein bisschen wie ein griechischer Hirte, der sich wünscht, dass seine Schäfchen in gute Hände kommen und ihr Futter und ihr Dach finden.
Sie sind auch sonst ein gefragter Coach, wo lädt man sie ein?
Ach, ich bin oft in den USA, Kanada, in China und in Südamerika. Dort habe ich auch oft Regie geführt. Ich erlebe,dass Operngesang grundsätzlich Konjunktur hat. Obwohl die Situation für den einzelnen Sänger eher schwieriger wird, wollen trotzdem immer wieder viele junge Menschen in diesen Beruf hinein und ich will sie darauf vorbereiten, so gut ich kann, das sehe ich als meine Mission an.
Sehen sie ihr Opernstudio als Konkurrenz zu etablierten Musik-Hochschulen?
Eigentlich nicht, denn die Sänger, die ich erreiche, die haben ja meistens schon studiert. Sie suchen Erfahrungen und Kontakte und dafür arbeite ich mit meinen Kollegen, die tatsächlich alle an verschiedenen Theatern beschäftigt sind. Zu den Aufführungen kommen auch Gesangsdozenten, mit großer Neugier auf meine Sänger. Neue Talente sind eben immer interessant und ich selbst bin natürlich immer neugierig, das gehört dazu. Die Gesangsleidenschaft hat, glaube ich, auch immer etwas Verbindendes. Das ist das Faszinierende für alle.
Wer sind ihre Partner?
Zum Beispiel das Theater in Rudolstadt, ein schönes Haus mit einem unglaublich interessierten Publikum. Die Zusammenarbeit mit Oliver Weder ist so kollegial, dieser Chefdirigent ist wirklich super. Er kann so gut auf die Sänger eingehen. Wir haben zwei herrliche Produktionen von: Cosifan tute und Die lustigen Weiber von Windsor aufgeführt und für das nächste Jahr ist schon die Cenerentola-Produktion eingeplant für die Winterspielzeit.
Auch das Bühnenpersonal ist so kooperativ, es macht einfach ganz großen Spaß mit allen zusammen zu arbeiten. Und die Sänger nehmen diese Erfahrungen mit. Der Applaus ist selbstverständlich auch wichtig. Niemand trainiert für die stille Kammer. Jeder will auftreten und begeistern. Wir gehen auch in viele Kurtheater und erleben dort Begeisterung, z.B. in Bad Liebenstein. Dort war die Atmosphäre wie bei einem Popkonzert. Erstaunlicherweise kamen viele Jugendliche.
Sie führen selbst Regie bei allen Inszenierungen, warum geben sie nicht jungen angehenden Regisseuren eine Gelegenheit sich zu erproben?
Es gibt natürlich immer Regie-Assistenten, mit denen ich alle Konzeptionen bespreche und die viele Probenaufgaben übernehmen, auch manchmal ohne meine Anwesenheit.
Ploumis bei der Arbeit als Regisseur. Foto: Studio LSOW
Was ist ihr Regie-Credo?
Ich will das Publikum unbedingt unterhalten. Wer in unsere „Lyric-Opera“-Vorstellungen kommt, der soll einen unterhaltsamen Abend und viel Freude an den Sängern und der Musik haben. Mein Credoist: Unterhaltung statt Unterricht! In meinen Inszenierungen ist viel detaillierteBewegung und ich nutze den Raum aus. Wichtig ist natürlich auch, dass jede Rolle sehr präzis einstudiert wird, darauf legen wir sehr viel Sorgfalt. Es geht immer um die professionelle Einstudierung der jeweils einzelnen Rolle. Schließlich ist das genau der Beruf, in den unsere Studenten hinein wollen. Die Professionalität ist uns wichtig, aber auch der Spaß soll dabei sein. Diese Mischung sorgt für unseren Erfolg. Die meisten wenden sich an uns, weil sie Studenten kennen, die schon bei uns waren und deren Empfehlung wirkt als Initialzündung.
Es gibt auch Opernstudios, die von Hochschulen betrieben werden, wie das Thüringer Opernstudio. Da bekommen die Absolventen sogar ein Honorar. Warum kommen Studenten trotzdem zu ihnen?
Zunächst muss man feststellen, dass die Plätze dort begrenzt sind. Ich finde es natürlich gut, dass es diese Form der Förderung gibt. Wir,im »Lyric Opera Studio Weimar«, haben ein sehr eigenständiges Konzept entwickelt und davon fühlen sich eben viele angezogen. Wir machen alles in einem Monat und wir arbeiten sieben Tage in der Woche. Ich denke, diese intensive, aber auch internationale Arbeitsatmosphäre zieht viele an. Darum kommen Studenten von überall, weil sie Bühnenpraxis suchen und im »Lyric Opera Studio« in Weimar auch finden.
Hat Oper auch in Zukunft Chancen?
Daran habe ich keinen Zweifel. Nur die Rahmenbedingungen müssen stimmen oder sie sollten verbessert werden.
Und die wären?
Das liegt auf der Hand. Die jungen Sänger müssen Chancen bekommen und da gehören natürlich auch vernünftige Gagen dazu. Man kann doch nicht erwarten, dass sie noch Zeitung austragen oder kellnern. Um sich über Wasser zu halten, ist das auch mal in Ordnung, aber insgesamt ist das ist nicht sinnvoll. Sinnvoller ist es Möglichkeiten zu schaffen für junge Menschen, die in diesen Beruf hinein wollen. Ich sehe Oper immer als eine Hoch- aber auch als eine Breitenkultur und gesellschaftlich sollte Oper ihren Sitz im Leben behalten. In den Aufführungen in Weimar und anderswo erlebe ich das auch, das „Kind und Kegel“ kommen und Spaß haben. Da merkt man, wie Menschen elementare Freude erleben. Unsere Studenten vermitteln Lebensfreude und das Publikum zeigt sich begeistert. Das ist ein Fundament für die Zukunft, denn die Mundpropaganda sorgt für das Weiterbestehen des »Lyric Opera Studio Weimar«.Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch
Mit griechischem Charme, amerikanischem KnowHow und deutschem Fleiß leitet Damon Nestor Ploumis seit neun Jahren das »Lyric Opera Studio Weimar«
Thomas Janda hatte Gelegenheit mit ihm zu sprechen