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D: DUO PRAXEDIS – „BABA BUSSI“ Johann Strauss, Richard Strauss, Schubert, Prokofjew, Kreisler, Gershwin, Godowsky, Lanner, Tansman u. a. ARS-Produktion 38680

16.12.2025 | cd

CD: DUO PRAXEDIS – „BABA BUSSI“ Johann Strauss, Richard Strauss, Schubert, Prokofjew, Kreisler, Gershwin, Godowsky, Lanner, Tansman u. a. Duo Praxedis: Praxedis Hug-Rütti (Harfe), Praxedis Geneviève Hug (Klavier) Ars Produktion ARS 38680 – 2 CDs

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Johann Strauss II. wäre im Oktober 2025 200 Jahre alt geworden, und die Musikwelt feiert weiterhin. Das Schweizer Duo Praxedis hat auf seine Weise gratuliert, nämlich mit Bearbeitungen dieser unsterblichen Salonmusik für die eigene Besetzung für Harfe plus Klavier. Diese Konstellation wirkt heute immer noch etwas exotisch, war dafür im 19. Jahrhundert umso selbstverständlicher – und ist seit über 15 Jahren zum verlässlichen Markenzeichen für Praxedis Hug-Rütti (Harfe) und Tochter Praxedis Geneviève Hug (Klavier) geworden. Baba Bussi – Wienerisch für ein hingehauchtes Abschiedsküsschen – ist das Geburtstagsgeschenk des Mutter-Tochter-Duos an den Walzerkönig.

Harfe und Klavier, das sind zunächst mal zwei Soloinstrumente mit Hang zur Selbstgenügsamkeit. Beide akkordisch autonom, beide ohne jene melodische Führungsstimme, die etwa Streicher dem Flügel entgegensetzen. Dass die Kombination dennoch funktioniert, beweist das Duo in den insgesamt 41 (!) Stücken auf dieser aktuellen Doppel-CD meisterhaft.

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Im Zentrum der ersten CD stehen Arrangements aus eigener Feder nach Werken von Johann Strauss. Hier seien nur einige besonders überzeugende Beispiele dafür genannt: Die Tik-Tak-Polka op. 365 gewinnt durch das Wechselspiel von Klavierakzenten und perlenden Harfenläufen an rhythmischer Pointierung. In der Pizzicato-Polka erweist sich die gezupfte Harfe als idealer Partner – hier entsteht ein solch perkussiver Biss, den man dem Stück in orchestraler Fassung nicht ohne Weiteres zutraut. Bei der Indigo-Quadrille op. 344 und dem Walzer Du und Du op. 367 zeigt sich, dass die Balance zwischen tänzerischer Eleganz und kammermusikalischer Substanz auch in dieser „unüblichen“ Konstellation bestens funktioniert, wenn man nur die Interaktion beherrscht. Das Klavier grundiert mit prägnanten Bässen und kantablen Mittelstimmen, die Harfe umrankt, kommentiert und weitet Akkorde in flirrende Klangkaskaden. Im Endergebnis entsteht dabei ein Verschmelzungsklang – als würde ein einziges, neu erfundenes Instrument erklingen. Bei aller neu gewonnenen kammermusikalischen Intimität kann man sich diesen Strauss gut in festlichen Räumlichkeiten vorstellen. Bekanntlich tritt das Duo mit selbst entworfenen Kostümen auf und legt Wert auf ein dem Thema angepasstes visuelles Erscheinungsbild. Wie auch immer: Auch im feinen, intimen Klangbild bleibt die Authentizität stets gewahrt. Klug fügt das Programm den Jubilar in historische Kontexte ein. So markieren Schuberts zwanzig Ländler D 366 die Wurzeln der Wiener Tanzmusiktradition im häuslichen Musizieren. Lanners Vindobona erinnert an das Umfeld, in dem Strauss reifte.

Die zweite CD wartet mit weiteren Entdeckungen auf. Prokofjews Bearbeitungen von Schubert-Walzern werden zum pianistischen Bravourstück: Der zupackende Klavierklang erfährt durch die Harfe eine artikulatorische Zuspitzung, die neue Facetten freilegt. Man hört Schubert, hört Prokofjew, hört aber auch etwas Neues, wenn sich beide Tonsprachen vereinen. Der Walzer aus Richard Strauss‘ Rosenkavalier lässt seine orchestrale Vorlage auf kammermusikalische Durchsichtigkeit schrumpfen, während der schwelgerische Atem bleibt und Reduktion zur Bereicherung wird.

Godowskys Alt Wien öffnet Räume, denen manchmal auch etwas zauberhaft Unwirkliches anhaftet. Hier kommt der freischwingende Nachklang der Harfe besonders zur Geltung – jene harmonischen Schattierungen, die dem Klavier verwehrt bleiben. Auch die Kreisler-Miniaturen (Liebesleid, Caprice Viennois, Liebesfreud u. a.) erzeugen Klangmischungen von seltener Färbung. Und schließlich gerät die Sache auch ins jazzige Swingen bei George Gershwins By Strauss, aber ohne, dass die klassische Erdung auf der Strecke bleibt.

Es ist wohl vor allem die familiäre Verbindung, die diesem Zusammenspiel einen so tiefen Konsens bis in feinste Verästelungen hinein verleiht und die einheitlichen Phrasierungen wie einen gemeinsamen Atem wirken lässt. Nach dem Piazzolla-Album zum 100. Geburtstag 2021 hat sich das Duo mit dieser Strauss-Hommage mal wieder als verlässliche Adresse für programmatisch durchdachte Produktionen etabliert – was anderes hat, wer dieses Duo kennt, aber auch nicht erwartet.

Stefan Pieper

 

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