Interview mit Csaba Káel, Generaldirektor des Palastes der Künste – Müpa Budapest – 17. Juni 2019
Anlässlich meines Besuches der zyklischen Wiederaufnahme des „Ring des Nibelungen“ im Rahmen der „Wagner-Tage“ am Müpa Budapest, bat ich seinen Generaldirektor, den Ungarn Csaba Káel, um ein Interview. Er übernahm das Amt 2011 vom mittlerweile verstorbenen Imre Kiss, der den Müpa Budapest mitgegründet hatte und den ich ganz zu Beginn ebenfalls für den neuen Merker interviewt hatte.
Csaba Káel. Foto: Szilvia Csibi
- Wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?
Csaba Káel kommt aus einem ganz anderen Genre, dem Film, hatte also mit Theater und Oper in der Rolle eines Funktionärs bis 2011 nichts zu tun. Er war 50, als diese Aufgabe auf ihn zukam, war aber bereits unter Imre Kiss Künstlerischer Berater und Herausgeber der Opernprogramme am Müpa Budapest. Káel war ursprünglich Filmregisseur, hatte aber zuvor schon über 40 Opern inszeniert. Er hat soeben Puccinis „Le Villi“ am Müpa Budapest inszeniert und wird das Stück am 16. August beim Puccini-Festival in Torre del Lago zeigen. Der wohl bedeutendste Opernfilm, den er drehte (an historischen Stätten), ist die ungarische Nationaloper „Bank ban“, eine Großproduktion der Staatsoper Budapest, die weltweit von Millionen gesehen wurde. Ursprünglich sollte Placido Domingo die Hauptrolle spielen. Die Titelrolle übernahm dann Attila B. Kiss, ein früherer Schüler des bekannten Bassbaritons Ionel Pantea. Den Wagnerfreunden ist Kiss unter anderem als Lohengrin bekannt aus der Inszenierung von Katharina Wagner am Erkel-Theater. Seit kurzem ist Kiss Generaldirektor des Operettentheaters Budapest (Anm. d. Verf.).
- Wie ist das organisatorische und künstlerische Konzept des Müpa Budapest?
Der Müpa Budapest ist das größte Performing Arts Center in Mittel-Europa: Es gibt nicht einmal Ähnliches in Deutschland. Man folgte dem US-amerikanischen Konzept, etwa nach dem Modell des Lincoln Center in New York. Allerdings gibt es dort vier einzelne Häuser, während der Müpa Budapest alle Genres unter einem Dach vereint. Dieser sind etwa zehn, wie folgt: Klassische Musik allgemein, Großes Orchester, Kammermusik, Operette, Tanz, Volksmusik, Kombinationen aus Ballett und Volksmusik, World Music, Kultfilme, News Circus, worunter man hier eine moderne theatralische Kombination von Akrobatik und Kunst versteht. Es gibt ungefähr 1.200 Programme pro Jahr, inklusive pädagogischer Kinder- und Jugendprogramme! Der Béla-Bartók Konzertsaal mit 1.656 Plätzen wird durch einen kleineren Kammermusik- und Vortragssaal mit 459 Plätzen ergänzt. Hier machte man manchmal auch kleine Opernvorstellungen. Da man keine Ensembles hat, hat man auch kein Repertoire. Jedes Jahr werden bis zu sieben Werke Richard Wagners (je nachdem, ob mit oder ohne den „Ring“) im Rahmen der „Wagner-Tage“ aufgeführt und fünf Neuinszenierungen vom Müpa Budapest produziert. Die erste Oper war im Jahre 2005 Monteverdis „L’Orfeo“. Die Idee, im Konzertsaal Opern zu zeigen, kam mit Imre Kiss, da der Kammermusiksaal zu klein war. Am 6.6.2006 begann hier die Opernzeit im Müpa Budapest.
- Worin sehen Sie die Mission des Müpa Budapest?
Man will Quality Culture auf höchstem Niveau in allen für den Müpa Budapest relevanten Kunstformen bieten und diese immer mehr Personen nahebringen. Zur Erreichung dieser Mission gibt es auch eine bedeutsame Kooperation mit der Universität, die wie der Müpa Budapest auf dem neu errichteten sog. South Bank Center von Budapest liegt, also weit südlich des Stadtzentrums. Hier haben sich in der Tat viele moderne Unternehmen und auch das Nationaltheater gleich gegenüber dem Müpa Budapest angesiedelt, und dieses Zentrum expandiert dynamisch weiter. Csaba Káel ist zudem Präsident zweier großer Stadt-Festivals, dem „Budapest Frühlingsfestival“, etwa den „Wiener Festwochen“ zu vergleichen, und dem „CAFe Budapest Festival“, welches ein zeitgenössisches Kunstfestival ist (CAFe Budapest – Contemporary Art Festival). Hierzu gibt es auch immer einen künstlerischen Round-Table, den nächsten vom 4. bis 20. Oktober 2019 mit Peter Eötvös. Dieser wird in der kommenden Saison auch Artist in Residence am Müpa Budapest sein, zu seinem 75. Geburtstag. 2018/19 war Denis Matsuev, der nach Káels Meinung momentan beste russische Pianist, Artist in Residence. All diese Elemente spielen beim Erreichen der Mission „Quality Culture“ eine wichtige Rolle.
Csaba Káel. Foto: Szilvia Csibi
4. Kooperation und Koordination in Budapest und international.
Man hat sehr gute Verbindungen zur Franz-Liszt-Akademie und der Budapester Staatsoper. Mit dieser besteht ein Einverständnis, dass der Müpa Budapest nicht das Mainstream Opernprogramm spielt, welches an der Staatsoper gegeben wird. Und mit dem bereits verstorbenen Zoltán Kocsis, einem der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts, der dann Chefdirigent des Nationalen Philharmonischen Orchesters wurde, hatte man das Übereinkommen, dass man nur Richard Strauss Opern gab („Capriccio“, „Die schweigsame Frau“, „Daphne“, „Friedenstag“), die nicht in der Staatsoper gespielt wurden. Das Nationale Philharmonische Orchester hat übrigens im Müpa Budapest sein zu Hause, ist resident hier. Sie proben und haben hier ihre Konzertzyklen. In Budapest gibt es acht Orchester. (Und über 80 Theater! Hier wird kulturell sehr viel geboten! Anm. d. Verf.). Zusätzlich kommen die Wiener Philharmoniker zweimal im Jahr („quasi resident“) und viele große Orchester aus der ganzen Welt. Der Müpa Budapest gibt auch manchmal Veranstaltungen im futuristischen Gebäude des neuen Hafens von Budapest und natürlich auch in der Pestredoute am Ufer der Donau nördlich der Elisabeth-Brücke. Hier spielte auch schon Franz Liszt. Es ist ein etwas kleinerer Konzertsaal. Insbesondere bei den großen City-Festivals arbeitet man eng zusammen. Bei den City-Festivals gibt es aber nicht nur Performing Arts Programme, sondern auch Ausstellungen und Ähnliches.
Jedes Jahr am 1. Januar abends spielt man Haydns „Schöpfung“ unter Ádám Fischer, während sie in Österreich am Tag gegeben wird. Müpa Budapest ist auch der Konzertsaal für das Budapest Festival Orchester unter der musikalischen Leitung von Iván Fischer. Mit ihm begründete Káel des Bridging Europe Music Festival. Jeden September präsentiert der Müpa Budapest im Rahmen dieses Festivals mit dem Budapest Festival Orchester das Kulturleben eines anderen Landes.
Der Müpa Budapest veranstaltet auch ein Pop-Festival und nimmt teil am Armel Opera Festival im Juli, wobei Opern in moderner Regie aufgeführt werden. Es wird in diesem Jahr zwei Aufführungen im Müpa Budapest und zwei im MuTh in Wien geben. Im Oktober ist eine Koproduktion – zum bereits fünften Mal – mit der Neuen Oper Wien geplant, Aufführungen in Wien.
Man hatte auch schon eine Koproduktion mit dem Shanghai Opera Hause, das „Land des Lächelns“ von Lehar, die chinesische EA! „Können Sie sich das vorstellen, nach 90 Jahren?!“ meint Káel leicht schmunzelnd. Der Müpa Budapest hat mittlerweile sogar eine strategische Partnerschaft mit dem Shanghai Opera House und auch dem NCPA am Tiananamen-Platz begründet, wobei jene in Shanghai besser läuft. Außerdem ist Shanghai Schwesterstadt mit Budapest.
5. Die „Wagner-Tage“ als das bedeutendste Sonderprogramm.
Im Jahr 2006 wurde das größte Opern-Sonderprogramm des Müpa Budapest durch seinen Künstlerischen Leiter Ádám Fischer ins Leben gerufen, die „Wagner-Tage“, die ich heute für das zweitwichtigste Wagner-Festival weltweit nach Bayreuth halte. Man konnte seine große musikalische und vokale Qualität, aber auch den halbszenischen Einfallsreichtum soeben wieder bei der WA des Schörghofer-„Ring“ erleben. Da man ja keine Ensembles hatte, erwies es sich als schwierig und zeitaufwändig, die Sänger für die Wagner-Werke zusammen zu bringen. Aber Ádám Fischer konnte einige aus seiner Bayreuther Zeit mitbringen. Und der Programm-Direktor für Koproduktionen, Tamás Bátor, trug ebenfalls entscheidend zum Erfolg bei. Man begann mit „Parsifal“ in einer halb-szenischen Inszenierung. Ich konnte diesen damals auch erleben, und es war sehr beeindruckend. Da hörte ich Tomasz Konieczny zum ersten Mal als Amfortas. Die „Wagner-Tage“ finden immer am Saisonende statt, da es nur dann möglich ist, den Béla-Bartok-Konzertsaal für drei Wochen ganz für diese Tage zu reservieren. Während der Saison finden für eine solch großes Festival zu viele Veranstaltungen statt.
6. Wie steht es mit der Finanzierung?
Der Eigentümer des Müpa Budapest ist das Kultusministerium. Das Budget wird also vom Staat getragen, der auch 40 Prozent der Produktionskosten übernimmt. Die restlichen 60 Prozent der Produktionskosten kommen aus dem Kartenverkauf und Sponsorengeldern. Die Firma Lexus ist einer der größten von ihnen, ähnlich wie in Wien. Man hat auch mit deutschen Firmen gesprochen, aber bisher ohne signifikanten Erfolg.
7. Programme mit ECHO – der European Concert Hall Organization.
In der ECHO, die Káel offenbar sehr am Herzen liegt, befinden sich unter ihren 21 Mitgliedern der Musikverein und das Konzerthaus in Wien, die Elbphilharmonie Hamburg, die Kölner Philharmonie, das Festspielhaus Baden-Baden, die Philharmonie de Paris, die Calouste Gulbenkian Stiftung Lissabon, Het Concertgebouw Amsterdam, das Konserthuset Stockholm, der Palau de la Música Catalana, die Philharmonie Luxembourg, die Rathaus & Symphoniehalle Birmingham, das Barbican Centre et al. Man macht gemeinsame Projekte, zum Beispiel für junge Talente genannt „Rising Stars“. In diesem Jahr sucht man 12 junge Talente aus der klassischen Musik und präsentiert sie in Konzerten in den jeweiligen Häusern der ECHO. Auch nach den Konzerten werden die Musiker weiter betreut, man gibt Empfehlungen und ähnliche Unterstützung
8. Wie steht es mit der Auslastung?
Diese ist immer nahe bei 100 Prozent, insbesondere bei den Opern – obwohl der Müpa Budapest gar kein Opernhaus ist!
9. Wie sehen Sie die Zukunft?
Es gibt bereits so viele Produktionen, wobei die klassische Musik über 50 Prozent ausmacht, eine Proportion, die Káel für nicht schlecht hält. Man wird sich auf diesem Pfad weiter bewegen.
Ich konnte bei diesem Interview und durch meine Besuche des Müpa Budapest in den letzten 13 Jahren klar erkennen, dass sich der Palast der Künste mittlerweile fest in das Budapester Kulturleben integriert hat. Die Koordination von Programmen läuft hier offenbar besser als in Berlin…
(Das Interview wurde auf Englisch geführt. Meine Rezensionen des „Ring“ 2019 stehen im online merker unter „Oper“).
Klaus Billand