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Cristina PASAROIU bei den Bregenzer Festspielen 2018

Meine Micaëla ist eine starke Frau

17.07.2018 | Sänger

CRISTINA PASAROIU – „Meine Micaëla ist eine starke Frau“. Bregenzer Festspiele 2018


Cristina Pasaroiu. Copyright: Harald Hoffmann

Cristina Pasaroiu kehrt am 19. Juli 2018 als Micaëla in der diesjährigen Premiere von „Carmen“ an die Bregenzer Festspiele zurück. Im Interview mit dem Online-Merker spricht die rumänische Sopranistin, die unter anderem in Wien studiert hat über „ihre“ Micaëla, Kasper Holtens spektakuläre Produktion in Bregenz und ihre Liebe zum französischen Repertoire.

  1. Wie kamen Sie zum Gesang? Und wie kam es zur Entscheidung, nach Wien zu gehen um an der Musikuniversität zu studieren?
    Ich habe schon immer gern gesungen. Meine Mutter hat früher Pop- und Folkmusik in Rumänien gesungen und sogar Preise bei verschiedenen Wettbewerben gewonnen. Sie hat mich auch schon als Kind in Solfeggio und Musiktheorie unterrichtet. Damals war von Oper noch keine Rede. Das kam erst, nachdem ich ein Konzert mit Carreras, Pavarotti und Domingo in Fernsehen gesehen habe. Da hab mich auf den ersten Blick in die unglaubliche Art der drei verliebt. Ich habe sofort versucht das nachzumachen, habe mich im Spiegel beobachtet, bis ich meinen Eltern zu sehr auf die Nerven ging. Die hatten dann eine Musikprofessorin gebeten, mich anzuhören und so hatte ich mit 9 Jahren ein Vorsingen bei ihr. Entschlossen sagte Sie: ihre Tochter hat großes Talent. Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie zu zwingen etwas “Praktisches” zu studieren, oder ihr Talent zu fördern. Wenn sie mit ihrem Talent erfolgreich wird, wird ihnen das 100 mal zurück bezahlt. Also haben mich meine Eltern zu drei verschiedene Chören geschickt und da sagte man mir, dass ich im Chor nicht singen soll, da ich eine besondere Stimme habe. Ich wurde dann als Solistin aufgenommen und habe bei verschieden Veranstaltungen gesungen, in Kinder- und Altersheimen, einer Tournee am Schwarzen Meer und im Ausland, im Rumänisches Athenäum und bei Wettbewerben, und das alles schon als ich nicht einmal 12 Jahre alt war. Ich werde meinen Eltern immer dankbar sein für die unendliche Unterstützung, die sie mir gegeben haben! Danach kam ich aufs Dinu Lipatti Musikgymnasium, wo ich anfing Harfe und Gesang zu studieren. Meine Mentorin, meine geliebte Gesagsprofessorin Silvia Voinea, eine wunderbare Koloratursopranistin, hat mir die Grundlagen der Gesangstechnik beigebracht. Von ihr habe alles gelernt: eine sehr gute Atemtechnik, Pianissimo, Nuancen, die Messa di voce, meinen Stimmumfang erweitert, Phrasierung, Koloraturen, alles, was es mir erlaubt zu singen, auch wenn ich sehr krank bin oder in schlechter physischer Verfassung. Bis zum Alter von 18 Jahren habe ich viele Wettbewerbe gewonnen. Bei einem von diesen Wettbewerben (Johannes Brahms Lied Wettbewerb, an dem ich mit 16 teilgenommen habe) hat mich Benno Schollum, Professor an der Wiener Musikuniversität sehr unterstützt und mich für ein Studium dort empfohlen. So kam ich nach Wien und habe dort mein Diplom bestanden. Außerdem war ich am Conservatorio “G. Verdi” in Mailand, wo ich mit Maestro Vittorio Terranova studiert habe. Er hatte mich auch in Österreich entdeckt, nämlich beim Ferruccio Tagliavini Wettbewerb in Deutschlandsberg, wo ich verschiedene Preise gewann und auch einen aus der Hand von der von mir hoch verehrten Dame Joan Sutherland empfangen durfte.

    2. Wie ging es nach Ihrer Gesangsausbildung weiter? Wo haben Sie Ihr Bühnendebüt gegeben?
    Mit 21 Jahren gab ich mein Debüt als Magda in „La rondine“ am Teatro Comulale von Bologna, wo ich auch Teil des „Young Artist“ Programms war. Ich erinnere mich auch heute noch daran, wie ich damals gezittert habe und die Nächte davor nicht geschlafen konnte, wie ich nur an meine Technik gedacht habe, wie ich diese oder jene Phrase besser machen könnte, von Pianis bis Forte oder Legati etc. etc. Mir sind aber die Tränen beim Applaus gekommen, weil das Publikum so unglaublich herzlich war. Ich bin immer sehr neugierig und bereit, etwas zu lernen und neue Sachen zu entdecken. Von Jaume Aragall habe ich viel Interpretationstechnik und Sensibilität gelernt. Später traf ich Dolora Zajick, eine gefeierte Mezzosopranistin. Neben ihr habe ich als Angelica in „Suor Angelica“ am Liceu di Barcelona debütiert. Die Zajick ist vielleicht diejenige, die meine Stimme am besten kennt. Sie hat mir beigebracht, wie ich den Klang “fokussieren” und eine komplette Kontrolle über meinen Körper und meinen Atem erlangen kann. In Bologna gab mir der damalige Direktor Alberto Triola die Möglichkeit in wunderbaren Hauptrollen zu debütieren. Dafür bin ich ihm für immer sehr dankbar!

    3. Mit der Micaela haben Sie einige der größten Erfolge Ihrer Karriere feiern können. Abgesehen von der Produktion in Bregenz haben Sie die Rolle anlässlich Ihrer Hausdebüts an der Bayerischen Staatsoper und Wiener Staatsoper gesungen. Es ist ja keine lange Rolle, aber oft hat eine gute Micaela am Ende den größten Publikumserfolg. Woran liegt das?
    Ja, meine erste Micaela habe ich in Bologna gesungen, unter der großartige Leitung von Michele Mariotti, danach kamen die Festspiele in St. Margarethen, dann Wien und München. Micaela ist eine sehr komprimierte Rolle. Man hat nicht so viel Zeit, um alles aufblühen zu lassen. Sie ist wie eine Rose. die von Anfang an auf dem Punkt sein muss. In vielen anderen Rollen habe ich 4-5 Akte Zeit, meine Figur zu entwickeln. Hier hat man ein Duett, eine Arie, und da muss man alles zeigen. Ich habe bei Micaela sehr viel an der psychologischen Seite gearbeitet. Meine Micaela ist eine starke Frau und auch, wenn man das so sagen kann, eine Rivalin von Carmen. Sie sagt in ihrer Arie: „Ich sprach, dass ich furchtlos mich fühle“. Das muss man schon von Anfang an und bis zum Ende spüren. Sehr wichtig finde ich die Finesse der französischösischen Musik und besonders ihre Intimität ist mir sehr wichtig.


  2. Copyright: Karl Forster/ Salzburger Festspiele

    4. Die Bregenzer Produktion ist ganz besonders spektakulär und sicher auch recht anspruchsvoll für die Sänger. Wo liegen die Herausforderungen der Inszenierung? Und die Herausforderungen unter freiem Himmel zu singen?
    Es ist eine faszinierende Erfahrung, auf der größten Seebühne der Welt zu singen. In die Bregenzer Produktion bin ich verliebt. Warum? Weil Kasper Holten mit dieser Inszenierung etwas Perfektes geschaffen hat. Sie ist fantastisch, sehr aktiv, erotisch, realistisch und brutal. Das schwierigste an solch einem riesigen Ort ist, das Publikum zu erreichen und bis in ihre Herzen zu dringen. Man hat eine andere Perspektive, man muss die Bewegungen anders berechnen, den ganzen “Raum”. Ich singe in einer Höhe von 53 Metern. Jeder Abend war spannend und das Adrenalin stieg, als ich aus dieser Höhe die 7000 Besucher und den Mond betrachtete. Die Natur und die Atmosphäre sind sehr inspirierend, aber man muss auch sagen, dass man dafür auch eine gute physische Konstitution benötigt. Bei Open Air Veranstaltungen singt man bei jedem Wetter – ob es nun heiß oder kalt ist, oder aber auch mitunter heftig regnet. Ich freue mich bereits auf die Premiere.

    5. Französisches Repertoire spielt in Ihrer Karriere eine wichtige Rolle. Letztes Jahr gaben Sie Ihr Debüt als Manon, im Dezember folgen gleich alle vier Sopranpartien im „Hoffmann“, in einer wichtigen Neuproduktion an der Deutschen Oper Berlin. Dieses Repertoire scheint Ihnen besonders gut zu liegen…
    Ich mag besonders die Intimität der französischen Musik, die melodischen Feinheiten, die Eleganz und das Gefühl für Dramatik. Ich habe ein Diplom in Französisch, bin gerne an der Cote D´Azur und liebe die französische Kultur. Deswegen kann ich das französische Fach auch gut verstehen und es passt perfekt zu meiner Stimmfarbe und meinem romantischen Temperament. Ich habe sehr gerne Leila in „Les pêcheurs des perles“, Rachel in „La Juive“ oder Valentine in „Les Huguenots“ gesungen. Aber Manon… in dieser Rolle fühle ich mich zuhause, stimmlich und darstellerisch. Mein Debüt als Manon gab ich am Staatstheater in Wiesbaden. Dort habe ich mit gebrochenem Fuß 9 Vorstellungen gesungen. Später sang ich sie noch im Seoul Arts Center. Beide Produktionen waren phantastisch inszeniert, von Bernd Mottl in Wiesbaden und von Vincent Boussard in Seoul, beides wunderbarere Regisseure und Menschen. Mit viel Energie und Weisheit haben sie genau gewusst, wie sie meine Persönlichkeit und meine Gefühle für Manon erwecken können. Wir haben mit viel Ehrlichkeit und emotionaler Zuneigung gearbeitet. Meine „sexy“ Gips-Stiefel in der Bettszene wird niemand in Wiesbaden vergessen :-). Auf die vier Rollen in „Hoffmann“ freu ich mich schon riesig! Eine echte Herausforderung. Vier Frauen, vier Stimmen, vier Geschichten. Ich habe bereits angefangen, die Feinheiten der Rollen zu studieren. Von der perfektesten Puppe der Welt bis zu den tiefsten Gefühlen von Antonia und Giulietta… sie warten auf euch alle!

    6. Wenn Sie drei Rollen nennen müssten, die Sie besonders lieben – welche wären das?
    Ich verliebe mich in jede Rolle die ich singe. Also wären es so viele… Wenn ich drei nenne muss, dann sind mir neben Manon Leila und Gilda sehr nahe.

    7. Gibt es eine Rolle, die Sie bereits gesungen haben, aber nicht wieder singen möchten und wenn ja welche ist das?
    Die Adriana Lecouvreur, die ich mit 25 erstmalig gesungen habe – die möchte ich noch ein paar Jahre ruhen und wachsen lassen. Alle anderen Rollen, die ich gesungen habe, würde ich jederzeit wieder singen. Bis jetzt habe ich 33 Hauptrollen in meinem Repertoire.

    8. Welche Partie möchten Sie unbedingt singen, hatten aber noch keine Gelegenheit dazu?
    Ich hätte eine ganz lange Liste. Was mir spontan einfällt wäre eine eine der Donizetti Königinnen, Marie in „La fille du Régiment“ und Ilia in „Idomeneo“.

    9. Wie ist Cristina Pasaroiu abseits der Bühne? Haben Sie Hobbies?
    Sie ist sehr komplex und liebt die Malerei. In jeder Stadt gehe ich in ein Kunstmuseum und ich interessiere mich sehr für verschiede Maltechniken, Epochen und Stile, ich mische Parfums, ich mache gern Pilates, Yoga und Fitness, lese wahnsinnig gerne, lerne meine sieben Sprachen (im Moment Portugiesisch) und koche fast wie ein Profi – würde ich sagen.

    10. Wann kann man Sie wieder in Wien hören?
    Sobald man mich wieder einlädt 🙂

    Anton Cupak sprach mit der Sopranistin im Juli 2018

 

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