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COTTBUS/ Staatstheater: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere. die Biographie einer Liebe -Märchen, Traum oder Psychoanalyse?die Biographie einer Liebe -Märchen, Traum oder Psychoanalyse?

23.04.2023 | Oper international

Premiere Mozarts Zauberflöte im Staatstheater Cottbus, die Biographie einer Liebe -Märchen, Traum oder Psychoanalyse?

 Am Samstag, den 22. März 2023 war die Premiere der Zauberflöte in Cottbus. Der Regisseur Tomo Sugao mit seiner ersten Inszenierung als stellvertretener Operndirektor und Hausregisseur wagt sich an die wohl bekannteste Oper und zeigt, dass es möglich ist, auch heute neue Seiten in ihr zu sehen.

Der Salon einer Wohnung in einem Gründerzeithaus, düster und als Krankenzimmer für einen alten und im sterben liegenden Tamino führt das Publikum gleich in eine andere Welt als dem Märchen der Zauberflöte. Keine listige Schlange, sondern ein alter und gebrechlicher Tamino, der uns das Böse zeigt. Pamina umsorgt ihn und es kommt einem das große Schauernd, was aus der in der Oper doch so großen Liebe übriggeblieben ist. Willkommen in der Realität. Aber schon Mozart selbst hat die listige Schlange für den grimmigen Löwen gewählt, weil es möglicherweise eine schwierige Anspielung auf Joseph II gewesen wäre. Mithin ist es nur Konsequent, wenn Sugao in aufgeklärten Zeiten das schlechte im Manne als listige Schlange wählt. Wer weder bei der Einführung war noch sich ein Programmheft gönnte, brauchte wohl einen kleinen Moment, um den Ansatz der Biografie einer Liebe und deren Veränderung zuerkennen. Mir hat die Transformation sehr gut gefallen.

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Szenenfoto mit: (v.l.n.r.) Dániel Foki (Papageno), Ulrich Schneider (Sprecher), Taisiia Khokhlova (Zweite Genie), (dahinter) Katharina Holzapfel (Erste Genie) und Yen Nhi Chu (Dritte Genie) (Foto: Marlies Kross)

In diesem von Julius Theodor Semmelmann entworfenen Bühnenbild und in den schönen Kostümen von Julia Katharina Berndt lässt nun der alte Tamino (gespielt und gesungen von Ulrich Schneider) sein Leben in sehr bewegten Bildern Revue passieren. Hervorragend wie er sogar liegend singt. Auf der suche nach dem Zeitpunkt, wo er falsch abgebogen ist, wird nun die Zauberflöte nahezu Werkstreu im neuen Gewand und mit einer Ernsthaftigkeit und großer Spielfreude vom Ensemble des Staatstheater Cottbus überzeugend durchlebt. Erstaunlich wie dynamisch die Szenen gespielt werden, ohne dass die Qualität des Gesanges leidet. Sugao achtet aber auch in all dem Tatendrang, den er vom Ensemble fordert, darauf dass alles auf den Schlag der Musik folgt. Es sieht hierdurch alles spielerisch leicht und tänzerisch aus. In dieser guten Performance reit sich der Opernchor unter der Einstudierung von Christian Möbius nahtlos ein. Auch die von Mozart kurz vor der Uraufführung gestrichenen Kadenzen sind von den drei Damen zu hören. Musikalisch wird das Werk vom Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Johannes Zurl mit einer großen Klangfarbe umgesetzt. Es ist sehr erstaunlich, was ein Opernensemble in der Lagre ist mit nur wenigen Gästen umzusetzen. Neben den bereits erwähnten Ulrich Schneider möchte ich Papageno Dániel Foki erwähnen, der für die nötige Auflockerung der ernsten Inszenierung sorgt.   Monostatos Dirk Kleinke ist nicht nur gesanglich hervorragend. Es macht große Freude ihn zu beobachten, wie er die sonst eher kleine Rolle umsetzt. Und was wäre eine Zauberflöte ohne die Königin der Nacht? Überragend singt Diana Schnürpel diese Partie, auch wenn sie bei den Koloraturen von Sarastro durchgeschüttelt wird. Wie auch die anderen Frauen scheint sie der Männerwelt zu trotzen und diese mit Säbel in die Schranken zu weisen. Eine sehr schöne Aufarbeitung von Sugaos Frauenbildes einst und heute. Mit starkem Szenenapplaus kommentiert es das Cottbusser Publikum.

Natürlich möchte ich auch nicht die weitren Sänger*innen vergessen, als Tamino (der Jüngling) Alexey Sayapin, Sarastro Philipp Mayer, Sprecher (Tamino, der alte Mann) Ulrich Schneider, Pamina (das Mädchen) Ketevan Chuntishvili, Papagena, (Pamina, die alte Frau) Iryna Dziashko, erste Dame  Anne Martha Schuitemaker, zweite Dame Rahel Brede, dritte Dame Zela Corina Caliţa, erster Priester Hardy Brachmann, Zweiter Priester Heiko Walter, erste Genie Katharina Holzapfel, zweite Genie Taisiia Khokhlova, dritte Genie Yen Nhi Chu, erster geharnischter Mann Jens Klaus Wilde, zweiter geharnischter Mann Philipp Mayer. Welch Glück hat ein Theater, dass auf solch ein Ensemble zurückgreifen kann.

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Szenenfoto mit: (v.l.n.r.) Anne Martha Schuitemaker (Erste Dame), Diana Schnürpel (Königin der Nacht), Rahel Brede (Zweite Dame), Zela Corina Caliţa (Dritte Dame) sowie der Opernchor (Foto: Marlies Kross)

Der Schluss der Zauberflöte zeigt dann wieder, dass neben der Liebe die Verzeihung ein wichtiger Bestandteil des Lebens ist. So hindert Pamina ihre Mutter, die Königin der Nacht daran, den im Sterbebett liegenden Tamino mit dem Schwert zu enthaupten. Die Frage nach der falschen Abzweigung bleibt offen, wie es auch Sugao schafft, seine Auffassung als alleinige Deutungsmöglichkeit aufzuzwingen, sondern der eigenen Interpretation jeden Spielraum zu lassen.

War das Premierenpublikum des ausverkauften Hauses zur Pause durchaus noch kritisch, vermochte am Ende jedoch nicht mehr der Inszenierung zu widerstehen. Starker Applaus und viele Bravos waren sein Dank für die gelungene Inszenierung. Sugao hat es letztendlich geschafft, das Publikum mitzunehmen. Mir selbst eröffnete es auch einen neuen Blick auf die Zauberflöte. Es ist eine unbedingt sehenswürdige Zauberflöte und man kann sie noch am 27.04 und 30.04. im Kleistforum Frankfurt Oder als auch am 11.05., 24.05. und 20.06. im Staatstheater Cottbus sehen.

 

 

Carl Osch

Rostock, den 24.04.2023

 

 

 

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