Coswig/ Villa Teresa: EDLE KAMMERMUSIK MIT WOLFGANG HENTRICH UND CAMILLO RADICKE – 29.3.2015
Wolfgang Hentrich, 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie und Camillo Radicke, international geschätzter Pianist und Begleiter am Klavier, von dem sich u. a. Peter Schreier bei seinen letzten Liederabenden in Wien begleiten ließ, treten von Zeit zu Zeit in der Villa Teresa mit einem Sonatenprogramm auf, immer wieder mit einem neuen interessanten Programm in allerbester Ausführung. Man kann nur bedauern, nicht alle diese Sonaten, von ihnen interpretiert, gehört zu haben.
Als eingespieltes Kammermusikduo par excellence boten sie auch an diesem Nachmittag Kammermusik vom Feinsten. Ohne „Anlaufphase“ entfalteten sie mit W. A. Mozarts dreisätziger „Sonate C Dur op. 2 Nr. 2“ (KV 296) aus seiner Mannheimer Zeit eine wunderbare Klangfülle, die danach auch Antonin Dvoráks Sonatine G Dur op. 100“ und erst recht L. v. Beethovens „Sonate Nr. 5 F Dur op. 24„, der sogenannten „Frühlingssonate“ Zuteil wurde.
Mozarts Sonate spielten beide sehr frisch und klar, auch herzhaft und mit dem nötigen Quäntchen „Süße“, so wie dem Charakter von Mozarts Musik am besten entsprochen wird. Im langsamen, lyrischen Mittelsatz entfaltete Radicke einen herrlich singenden, aus- und eindrucks- und gefühlvollen Anschlag, der von der „singenden“ Geige Hentrichs aufgenommen wurde. Beide sind Vollblutmusiker, zurückhaltend in ihrem Auftreten und ganz dem jeweiligen Werk zugetan, das sie gerade spielen, was sich auch dem Zuhörer bewusst oder unbewusst mitteilt.
Dvorák schrieb seine „Sonatine C Dur“ für Violine und Klavier, sein letztes Kammermusikwerk auf amerikanischem Boden, für zwei seiner Kinder, der 15jährigen Ottillie und dem 10jährigen Toník. In jedem der vier kleinen Sätze mit ihrem schlichten, überschaubaren Aufbau spürte man Dvoráks Sehnsucht nach der geliebten böhmischen Heimat, der die beiden Interpreten neben der genialen Verbindung von europäischem Musizierstil und slawischer Mentalität nachspürten, aber auch den typischen Wendungen von Indianermelodien und Spirituals, auf die Dvorák zuweilen zurückgriff. Im 3. und 4. Satz trat vor allem die Violine temperamentvoll in Erscheinung, um das böhmische Flair und das „umwerfende“ melancholisch-lebenslustige Temperament der Böhmen (der damaligen Zeit) einzufangen.
Obwohl die kleine, aber feine Sonatine für die Jugend bestimmt und den musikalisch-reproduktiven Fähigkeiten seiner Kinder angepasst war, begeistert sie doch auch heute noch die erwachsenen Musikfreunde, die sich nach Dvoráks Meinung, wie er in einem Brief an seinen Verleger Simrock äußerte, „damit unterhalten“ können, „wie sie eben wollen“. Das sehr zahlreich erschienene Publikum wollte es in hohem Maße.
Passend zur Jahreszeit brachten Hentrich und Radicke als Hauptwerk die „Frühlingssonate“ von Beethoven zu Gehör, auch wenn diese Bezeichnung erst später entstand. Beethoven wusste zu seinen Lebzeiten nichts davon. Ohne äußerliche Effekte, beeindruckten Wolfgang Hentrich durch seinen herzhaften und auch wieder geschmeidigen Ton und Camillo Radicke mit seinem fein differenzierenden, immer transparenten Anschlag zwischen kraft- und charaktervoll und zart singend – zwei gleichberechtigte Partner im Wechsel zwischen Dominanz des Klaviers und dem begleitenden Charakter der Violine, die dann auch wieder die Führung übernahm. Köstlich auch die bewusst „falsch“ wirkenden, karikierenden Synkopierungen des Klaviers im Scherzo, bei denen immer ein Instrument „nachhinkt“, um das dilettantische Spiel der Dorfmusikanten nachzuahmen, und beeindruckend die gekonnten, für dramatischere Stimmung sorgenden Pizzicato-Akkorde der Violine und Triolenbewegungen.
Diese beiden hervorragenden Musiker musizieren auf sehr hohem Niveau, hören bei ihrem kongenialen Spiel nicht nur aufeinander, sie verstehen sich intuitiv durch die Musik als Mittlerin. Jeder für sich ein großartiger Künstler, gestalten sie gemeinsam in, äußerlich nicht sichtbarer, aber umso intensiverer gegenseitiger musikalischer und geistiger Übereinstimmung. So entstand ein musikalischer Hochgenuss bei jedem der drei unterschiedlichen Werke, deren Spezifik und Besonderheit sie einfingen
Das sehr aufmerksam zuhörende und begeistere Publikum wurde noch mit einer Zugabe „verwöhnt“, mit einem Satz aus der „Wiener Klaviersonate“ von W. A. Mozart, ein hübscher, kleiner, heiterer Satz in einer Bearbeitung für Violine und Klavier.
Ingrid Gerk