Zu Gast beim Online-Merker am 6.11.2015:
Clemens Unterreiner – 10 Jahre Wiener Staatsoper
Clemens Unterreiner. Foto: Wikipedia
Clemens Unterreiner erzählte uns, wie er durch eine schwere Behinderung als Kind zur klassischen Musik fand. Im Vorschulalter erblindete er durch eine Virusinfektion und war ein Jahr blind. Seine Eltern versuchten ihm das harte Schicksal mit Vorspielen schönster Musik etwas zu erleichtern und doch Lebensqualität zu bieten. Er sang viel mit seinen Eltern, auch richtige steirische Volksmusik, und wurde über Hörkassetten mit Beethoven und anderen Komponisten vertraut . Und so wuchs die große Liebe zur Klassik. Als Party-gag sang er auch gerne seinen Eltern „Königin in der Nacht“ vor.
Mit einer guten Therapie und Implantaten gewann er langsam sein Augenlicht zurück. Die große Liebe zur Musik blieb und sehr bald reifte in ihm der Entschluss, sich den Beruf des Opernsängers zu erwählen. Seine Eltern waren da nicht so ganz begeistert, also musste er ein nach der Matura ein „seriöses“ Studium beginnen. Die Wahl fiel auf Jus, doch bald wurde dieses abgebrochen und die Musik – der Gesang gewann die Oberhand.
Für die Hochschule für Musik war er zu „schlecht“ und auch bereits zu „alt“ mit 23 Jahren. Professoren, die ihn ablehnten, boten ihm dann um teures Geld Privatunterricht an. Das gefiel Unterreiner gar nicht. Seine Privatlehrer wurden dann Rudolf Holtenau, von dem er viel profitieren konnte, und Gottfried Hornik. Hilde Rössel-Majdan war für den jungen Sänger jedoch nicht wirklich hilfreich. Für sein Studium nahm er, um alles zu finanzieren, die seltsamsten Jobs an – von Kellner bis Vertreter. Er nahm nicht nur Gesangsunterricht, sondern auch Sprechunterricht. Das findet er überaus wichtig für jeden Sänger.
Vom Sängerknaben über den Stehplatzbesucher und Statisten in der Wiener Staatsoper kam er auf die Bühne. Ohne offiziellen Studienabschluss gelangte er beim Belvedere-Wettbewerb ins Semi-Finale.
In Linz begann dann 2003 seine reguläre Opernlaufbahn – mit der Philip Glass-Oper „The Voyage“. Dem folgte etwas Tourneetheater. Und dann 2004 der Feuerfresser in „Pinocchio“ im Kinderzelt der Wiener Staatsoper. Auf der großen Bühne fand 2004 sein „Werther“-Debut statt mit der kleinen Rolle des Brühlmann, der nur ein Wort – „Klopstock“ – zu singen hat („um eine Gage, von der man einen halben Tag leben kann“) Nun ist Clemens Unterreiner bereits 10 Jahre Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und ist sehr stolz darauf. Der Künstler fühlt sich in Wien mit mittleren Rollen gut ausgelastet und kann immer wieder auch Gastspiele mit großen Rollen machen.
Der Faninal in der Holender-Ära war ein Himmelfahrtskommando – ohne jegliche Probe, aber er hatte mit Peter Schneider einen Dirigenten, „auf den man sich verlassen kann“. Inzwischen ist diese Rolle seine ganz große Gastierpartie geworden, von Dresden bis Tokio. Und er fühlt sich für dieRolle nicht zu jung. Faninal sollte nicht immer nur auf alt getrimmt werden – eine 14-jährige Tocher kann man auch mit Mitte 30 oder mit 40 haben! Und vor allem gehört die zwischen hoch und tief recht anspruchsvolle Partie gesungen!
An der Volksoper konnte man ihn bereits als Papageno erleben.
Im allgemeinen fühlt sich Unterreiner absolut als Vertreter des Traditionellen.
In Wels konnte er zwei seiner Traumrollen sehr erfolgreich umsetzen: den Wolfram und Telramund. Und so hofft der Sänger auf eine Wiederkehr des Welser Wagner Festivals. („Der neue Welser Bürgermeister liebt Kultur“.) Wolfram wird sicher noch eine sehr wichtige Partie in der Karriere werden, für die man auch im „Lied“ sehr gut sein muss. Als Cover hat er sie in Wien schon geprobt. Aber auch der Telramund wäre langsam an einem größeren Haus denkbar. Viele Rollen sind angedacht und wir dürfen auf Überraschungen hoffen.
Clemens Unterreiner glaubt an die Zukunft, läuft nichts nach, kränkt sich auch nicht mehr und denkt: Ich kann warten. Auf diese Weise wird man weniger verheizt. Die Stimme hält dadurch auch länger – er will wohl noch sehr lange singen.
Im für ihn „schönsten Opernhaus der Welt“ sind Escamillo und Germont Traumrollen, aber sie wurden auch schon von anderen Häusern angefragt, doch da ging es sich leider mit dem Gastierurlaub nicht aus.
Zur Zeit ist er Cover für Marcello, Schaunard und für die „Don Giovanni“ Serien Giovanni und Masetto. Und viele weitere große Rollen, die werden alle auch einmal als erste Besetzung kommen. Er freut sich auf die Wiederaufnehme von „Alceste“, lernt Russisch auf eine Rolle in „Tri Sestri“ und den Mandarin in der „Turandot“-Premiere. Und er lernt Russisch. Einer seiner Träume sind die Bösewichter in „Hoffmanns Erzählungen“. Hoffen wir auf eine baldige Anfrage.
Essen vor dem Singen, ca. vier Stunden davor, während der Aufführung nur „Pinklady-Äpfel“, seine absolute Lieblingsapfelsorte. Nachher freut er sich auf ein feines Essen.
Ganz besondere Freude machten die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ bei der Nurejew Gala. Dieses Werk von Gustav Mahler hat einen ganz großen Stellenwert in seinem Repertoire. Das hat er, wie auch den Faninal, beim Festival in Baden-Baden gesungen.
Sein gepantes MET-Debut fiel der Streichung einer Produktion zum Opfer.
Für Kritik ist Clemens Unterreiner immer offen, „wenn der Ton stimmt“. Dass er weder ein „basso profondo“ noch ein italienischer Bariton ist, weiß er, so germ er auch den Marquis Posa verkörpern würde. Und er ist dankbar für das große Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Operndirektor Dominique Meyer. Der jüngste Beweis dafür: Er erfuhr am Aufführungstag um 14 Uhr dass er für den erkrankten Adrian Eröd als Besenbinder einspringen durfte / musste – ohne Orchesterprobe. Nach zwei Klavierproben für dieses Rollendebut (!) hatte er ja mit Christian Thielemann einen flexiblen, ihn wunderbar tragenden Helfer am Pult, sodass alles blendend funktionierte.
Elena Habermann / Sieglinde Pfabigan
Ganz wichtig ist dem Künstler das soziale Engagement. Er ist Vorstand bei Blüthnerflügel, im Blinden- und Sehbehinderten-Verband Botschafter für Österreich, Mitarbeiter beim Hilfswerk für jugendliche Behinderte und singt fürs Rote Kreuz.
Mit „HILFSTÖNE“ MUSIK FÜR MENSCHEN IN NOT“ hat er eine Organisation speziell für Menschen mit Behinderung gegründet, für die er spezielle Veranstaltungen organisiert.
In Rahmen:
Am 17. Dezember findet das nächste Benefiz-Weihnachtskonzert statt: Als Ehrengäste werden u.a. Lioba Braun, Genia Kühmeier, Sunnyi Melles, Johan Botha und Wolfgang Bankl singen, spielen und lesen, Arien, Gebete, Weihnachslieder und Weihnachtsgeschichten. An der „Guarneri del Gesù“: Violine: Lidia Baich. Harfe: Anneleen Lenaerts. Am Blüthner Flügel: Thomas Lausman. Orgel: Mats Knutsson. Trompete: Christopf Zellhofer, Chor: cantus iuvenis. Donnerstag, 17. Dezember 2015 um 19 Uhr in der Lutherische Stadtkirche AB (weiße Kirche), A-1010 Wien, Dorotheergasse 18 HILFSTÖNE unterstützen mit dem Spendenreinerlös des Konzertes heuer die „Flüchtlingswohnung“ in der Lutherischen Stadtkirche, den „Aktionsraum“ des Wiener Hilfswerks und weitere Projekte ihrer karitativen Arbeit.