CIVIDALE DEI FRIULI : MITTELFEST vom 17.- 21.7.2016
Zu seinem 25jährigen Jubiläum bot das Mittelfest in Cividale dei Friuli heuer ein besonders umfangreiches Programm.
Am interessantesten und überzeugendsten war dabei das Angebot in der Sektion Konzerte.
Nesrine Belkmoh. Copyright: Cividale dei Friuli
Was insofern nicht überrascht, als der derzeitige künstlerische Leiter Franco Calabretto ja ausgebildeter Pianist sowie Musikkritiker und Musikprofessor ist. Dank seiner kundigen und unpopulistischen Auswahl konnte man hier großartige Entdeckungen machen: z.B durfte man das außerordentliche Valencianische Trio NES rund um die algerische Sängerin und Violincellistin Nesrine Belmokh kennenlernen, das einen sehr eigenständigen Stil-Mix aus Jazz, Funk und Soul mit spanischen, französischen und brasilianischen Einflüssen entwickelt hat.
Großartig und für die Zukunft vielversprechend.
Savina Yannatou
Sehr inspirierend auch die Begegnung mit der Sängerin Savina Yannatou, die mit ihrer Band das vielfältige Liedgut der einstmals kosmopolitischen, multikulturellen und multireligiösen Hafenmetropole Thessaloniki wiederaufleben liess. Ein Liedgut, das sich aus griechischen, türkischen, sephardischen, bulgarischen und armenischen Wurzeln speist. Eine in jeder Hinsicht bereichernde und horizonterweiternde Erfahrung.
Michael Nyman
Weniger überraschend war der Auftritt von Michael Nyman und seiner Band, aber immerhin konnte man den Meister einmal höchstpersönlich dabei beobachten, wie er gelegentlich ein paar minimale Akkorde am Piano anschlug.
Centro Vittorio Podrecca
Beim Mittelfest traditionell auch immer stark vertreten ist die Programmation im Bereich Puppentheater. Was darauf zurückzuführen ist, dass einer der genialsten Impresarios dieses Genres, Vittorio Podrecca, eben aus Cividale stammt. Ihm zu Ehren wurde während des Festivals jetzt auch endlich das sehr gelungene Centro Internazionale Vittorio Podrecca im Kloster Santa Maria in Valle eröffnet, das sich größten Teils auf die Sammlungen der italienischen Künstlerin Maria Signorelli stützt.
Der Prozess
Von den Gastspielen beeindruckte am meisten die Figurentheaterversion des Kafkaschen Prozesses durch die slowenische Gruppe Lutkovno Gledališče.
Enttäuschend hingegen die mit Spannung erwartete „ Storia di Giovanni Falcone und Paolo Borsellino“. Denn am Papier klang es sehr interessant, die Geschichte der zwei von der Mafia ermordeten Palermitaner Richter von sizilianischen „pupi“ dargestellt zu sehen, in der Praxis erwies sich das Ganze aber dann leider nur als eine banale, fernsehrealistische Schulfunk-Lektion. Schade.
„Le Sacre du Printemps“
Anuang’a
Die Tanzfans wurden u.a. mit „Le Sacre du Printemps„(Choreographie Janusz Orlik), der wilden, sich an Massai-Riten und Derwisch-Tänzen orientierenden Doppel-Performance „Earth & Fire“ des Keniaten Anuang’a und des Türken Ziya Azazi und der unfassbaren Kitschorgie „Confucius“ (Chinese National Opera and Dance Drama Theatre) in der Regie einer Ururururenkelin(77.Generation!) des großen Philosophen verwöhnt.
Confucius
Die Sektion Theater schwächelte diesmal ein wenig.
Aleksandra Zec
Unerträglich grausam und kaum auszuhalten „Aleksandra Zec „, ein Stück des kroatischen Theatermachers Oliver Frijić über ein 12jähriges Mädchen, das im Jugoslawienkrieg hingemetzelt wurde, weil es die Ermordung ihres Vaters angesehen hatte.
Wie immer virtuos war die ehemalige Buhlschaft Maddalena Crippa in ihrer neuen Produktion „La vedova allegra„(Die lustige Witwe). Worin aber die Notwendigkeit bestanden hat, die meisetgespielteste Operette aller Zeiten auf eine One-Woman-Show zu reduzieren, war letztlich nicht zu erkennen.
Teatro delle Ariette“
So blieb es dann dem „Teatro delle Ariette“ mit “ Tutto quello che so sul grano “ (Alles was ich über den Weizen weiss) vorbehalten, den Zuschauern ein Leuchten in die Augen zu zaubern. Denn die auf einem Landgut bei Bologna lebenden und dieses auch bebauende Schauspieler/innen haben eine sehr eigene, originelle und fröhliche Form gefunden, um ihre Ehekrisen, ihre Liebe zu Tom Waits und den Wechsel der Jahreszeiten zu erzählen – und dabei gleichzeitig Focaccia zu backen, die wir dann am Schluss verspeisen durften. Zweifellos ein Höhepunkt des Mittelfests.
Robert Quitta, Cividale