Christine Kaufmann:
SCHEINWELTFIEBER
224 Seiten, Verlag Langen Müller, 2013
Viele Filmstars (langsam könnte man sagen: die meisten) schreiben Memoiren, aber dann lassen sie es gut sein. Aber es gibt Dauer-Schreiber, und nicht alle wurden bemerkenswerte Romanciers wie der verstorbene Dirk Bogarde. Oder belehrten die Welt unaufhörlich über Esoterisches und Wiedergeburt wie Shirley MacLaine. Manche, wie Christine Kaufmann, haben offenbar viel zu erzählen.
Vordringlich war sie bisher für Schönheit und Wellness unterwegs (zeitlose Schönheit, Körperharmonie, In Schönheit altern, Lebenslust), aber auch als Erotik-Nachhilfe und immer wieder mit ihrer persönlichen Lebensgeschichte.
Sie hat ja schließlich viel erlebt, die durch Zufall in der Steiermark geborene Tochter einer Französin und eines Deutschen, die mit 7 Jahren erstmals vor der Kamera stand, einer der berühmtesten Kinderstars des Landes wurde und einiges über die „Kinderverwertungsmaschinerie“ erfuhr („Rosen Resli prägte eine Generation“, schreibt sie. „Menschen konnten durch mich weinen. Dafür wurde ich geliebt“).
Nun ist sie mit dem Buch „Scheinwerferfieber“ bei ihrem Beruf als Schauspielerin angelangt, aber „Scheinwerfer“ hat auch mit „Schein“ zu tun, und da hat sie in Hollywood (sie war mit Tony Curtis verheiratet und hat dort einige Filme gedreht) viel erlebt. Gleich zu Beginn bringt sie eine Erkenntnis des großen Walter Matthau an, die sehr einsichtig für die Branche scheint: „Ehrlichkeit ist der Schlüssel, wenn du das fälschen kannst, hast Du’s geschafft.“
Und so berichtet Christine Kaufmann, die (Jahrgang 1945) damit kokettiert, „bald 70“ zu sein, was sie über Ruhm gelernt hat: er sei ein Flaschengeist – und völlig unberechenbar. Warum hat Christine Kaufmann – im Gegensatz zu Romy Schneider etwa – die Branche überlebt? Sie schreibt es ihrer „Rücksichtslosigkeit“ zu. Sie hat sich von der Scheinwelt nicht vereinnahmen lassen.
Das Buch erinnert ein wenig an alte Filmillustrierte, als das Publikum noch wissen wollte: Wie war Ava Gardner wirklich? Man kann es im Hollywood-Kapitel nachlesen – und noch viel mehr. Über Marilyn und Judy und Sex, Alkohol und Drogen: die Kaufmann ist Augenzeugin einer verblichenen Epoche. Und sie kann auch ein paar richtige, wenn auch nicht wirklich neue Schlüsse daraus ziehen.
Christine Kaufmann ist auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland prominent geblieben, aber eine überzeugende Karriere wie erst als Kind (mit der elementaren „Kinderstar“-Erfahrung), dann in Hollywood (zumindest als Schönheit zwischen Yul Brynner und Tony Curtis in „Taras Bulba“) hat sie nie wieder gemacht. Aber sie kennt die Branche und das Leben (wo sie auf Curtis noch drei missglückte Ehen draufsetzte). Sie berichtet von ihren Erfahrungen mit Schönheit (sie hat lange erfolgreich Kosmetik im Tele-Shopping verkauft), mit Medien (bis zu Facebook), über Promi-Kinder. Und über die Rolle des Todes in der Karriere der Stars… Eines muss man Christine Kaufmann lassen: Sie kennt, worüber sie schreibt.
Kaufmann-Fans (die es vermutlich noch gibt, sonst könnte sie nicht so viele Bücher absetzen) werden übrigens von der Bebilderung des Bandes entzückt sein: Das Fotomaterial begleitet ihr ganzes Leben, von dem „entzückenden Kind“ bis zur Großmutter, die sie heute ist – klapperdürr neben klapperdürren Töchtern und ebensolchen Enkelinnen. Das Klischee lautet eben noch immer: Du darfst nicht dick sein… Und ganz so frei, wie sie tut, ist sie von gewissen Zwängen ja wohl doch nicht.
Renate Wagner