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Christian Teissl: DER LANGSAME ABSCHIED DES PETER ROSEGGER

14.06.2018 | buch

Christian Teissl:
„MAN KOMMT SICH VOR WIE IN DER WÜSTE“
DER LANGSAME ABSCHIED DES PETER ROSEGGER
16 Seiten, Styria Verlag, 2018

Eines hundertsten Todestages ist zu gedenken: Peter Rosegger (1843-1918) starb am 26. Juni 1918 in Krieglach. Er wird für seine steirische Heimat immer einer der wichtigsten Namen sein, wenn es gilt, die kulturellen Errungenschaften dieses Bundeslandes zu würdigen. (Handke muss vermutlich warten, bis er tot ist, damit er gleich ziehen kann.)

Absolut selbstverständlich, dass Styria als der größte steirische Verlag sich hier mit einem Buch einstellt. Allerdings nicht mit einer klassischen Biographie (die auf dem Buchmarkt übrigens zu fehlen scheint), sondern mit einer Betrachtung von Roseggers letzten Lebensjahren.

Autor Christian Teissl versucht gewissermaßen eine „Innensicht“ des Dichters: Dabei ist es eine durch und durch tragische Geschichte, Rosegger – oft in seinen eigenen, kritischen, bitteren Worten – durch die Kriegsjahre zu folgen. Das Foto auf Seite 48 ist kaum bekannt, zeigt nicht den sympathischen bebrillten Herren, den man stets zu sehen gewohnt ist, sondern wirklich einen Greis.

Allerdings war er damals schon einiges über 70 Jahre alt, auch ziemlich krank, litt seit drei Jahrzehnten an Asthma, und man weiß, dass die rein „praktischen“ Mängel des Krieges (einfach zu wenig zu essen) ihm schwer zusetzten. Dass er bei einer Bäuerin Butter gegen eines seiner Bücher eintauschen konnte, ist inmitten der tragischen Schilderungen ein kleiner Lichtblick. Wenn sein Freund Emil Ertl ihn besuchte, saßen sie einander allerdings in tiefer Dunkelheit gegenüber: Es gab kein Licht in der Grazer Wohnung, in der Rosegger damals lebte.

Er hatte mit jeglicher Öffentlichkeit abgeschlossen, sich nur die Möglichkeit bewahrt, in seiner Zeitschrift „Heimgarten“ das zu äußern, was er zu sagen hatte. Etwa die Bitterkeit, mit der er über den Begriff „Kriegsschauplatz“ räsonierte: „Ist denn der Krieg ein Schauspiel? Ist denn das Schlachtfeld eine Bühne?“

Längst hatte sich Rosegger aus der Gedankenwelt des martialischen Priester-Dichters Ottokar Kernstock entfernt, dem er einst den „Heimgarten“ geöffnet hatte. Bis heute fragt die Sekundärliteratur, ob Rosegger nicht auch zu jenen gehört hat, die den Krieg anfangs begrüßten. Später war er nur noch voll Kritik und Vorbehalten.

Es mag ihn selbst erstaunt haben, dass seine Reflexionen aus dem „Heimgarten“, die 1917 in Buchform erschienen, so viel Lob fanden – ein Hymnus in der „Neuen Freien Presse“ von Stefan Zweig, aber selbst ein weit weniger zum Enthusiasmus neigender Autor/Journalist wie Anton Kuh konzedierte, dass es voreilig gewesen sei, Rosegger „mit Ganghofer, Heimatkunst, Erdgeruch und Deutschem Schulverein in einen Topf“ zu werfen, er erkannte „echtes und intensives Menschentum“. Rosegger dankte Zweig – „Ich bin weltmüde und krank, aber die Freude, die Ihr Aufsatz mir gemacht, empfinde ich noch.“

Was den „Weltmüden“ noch hielt, war seine zweite Ehefrau, die er 1879 geheiratet hatte, als sie 19 war, und die viele Opfer an seiner Seite brachte, sich von der mondänen jungen Frau aus besten Verhältnissen in die verhältnismäßig bescheidene Welt der Dichtersgattin fügte, die (zu Roseggers beiden Kindern aus erster Ehe) noch drei Kinder gebar und „Mama Rosegger“ wurde.

Bernhard Paumgartner, dessen Name später untrennbar mit den Salzburger Festspielen verknüpft sein sollte, wurde Roseggers Schwiegersohn, heiratete seine jüngste Tochter Martha. Der Schwiegervater konnte sich 1917 noch daran freuen, dass „Berndl“ Direktor des Mozarteums wurde. Musisch waren auch die Söhne, Sepp (der auch Arzt wurde) komponierte Opern, Hans Ludwig dichtete, beide brachten es nicht weit, ernteten als Söhne eines Berühmten den obligaten Spott, doch Rosegger entdeckte in sich zu seiner eigenen Überraschung den Ehrgeiz des „Künstlervaters“.

Ende 1917 spürte Rosegger, der immer kränker wurde, das Ende nahen. Neben den eigenen Leiden quälte ihn das Leiden der kriegsmüden, geschundenen Bevölkerung. Gepeinigt von Bewusstseinstrübungen, Zwangsvorstellungen und Fiebervisionen erhielt der Sterbende im Mai 1918 noch das Großkreuz des Franz-Josef-Ordens: Die zahllosen Glückwünsche konnte er nicht mehr beantworten.

Man brache ihn von Graz nach Krieglach, wo er noch klagte „Man kommt sich vor wie in der Wüste“ (was der Autor auch zum Titel des Buches gewählt hat). Als er am 26. Juni 1918 starb, hatte er das ersehnte Ende des Krieges (das erst im November erfolgte) nicht mehr erlebt.

Man hätte kein traurigeres Buch über Rosegger schreiben können als diese Geschichte seiner letzten Jahre. Die den Dichter von all den „Legenden“ ablöst, mit denen sein Bild so gern klischeereich vergoldet wurde.

Renate Wagner

 

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