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CHOPIN EVOKATIONEN – DANIIL TRIFONOV – Deutsche Grammophon 2 CDs, 3 LPs Mahler Chamber Orchestra, Mikhail Pletnev

27.10.2017 | cd

CHOPIN EVOKATIONEN – DANIIL TRIFONOV – Deutsche Grammophon 2 CDs, 3 LPs

Mahler Chamber Orchestra, Mikhail Pletnev

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„Chopin Evocations“ ist eine beglückende CD geworden. Schon im einleitenden Maestoso des zweiten Klavierkonzerts in F-Moll spielt Daniil Trifonov so schwebend, ätherisch prickelnd und magisch hingebungsvoll, dass sich einer fragt, ob und wohin Apollo diesen Pianisten wohl höchstpersönlich geküsst haben könnte.

Trifonov legt aber nicht einfach nur die x-te Chopin-Platte vor, sondern hat sich ein kluges Konzept überlegt. Er kombiniert die beiden Klavierkonzerte Chopins, seine Variationen über „La ci darem la mano“ aus Mozarts Don Giovanni und sein höllisch schweres Rondo für zwei Klaviere in C-Dur (mit seinem Lehrer und Mentor Sergei Babayan als Partner) mit musikalischen Reverenzen und klingenden „Denkmälern“ anderer Komponisten, die in den Bann des polnischen Wunderpianisten gerieten. Trifonov selbst ist nicht nur Klaviervirtuose, sondern auch Komponist ist, der über Chopin befindet: „Chopin revolutionierte die Ausdrucksmöglichkeiten des Klaviers. Schon seine frühen Werke besaßen die lyrische Grazie, die innigen Themen, die harmonische Kühnheit und jene strahlende Virtuosität, die Romantiker wie Schumann so unwiderstehlich fanden.“

Trifonov bündelt am Ende der ersten CD vier Miniaturen von Robert Schumann (Chopin Agitato aus Carnaval Op. 9) , Edvard Grieg („Hommage á Chopin Op. 73, Nr. 5), Samuel Barber (Nocturne Op. 33 Moderato) und P. I. Tchaikovsky (Un poco di Chopin Op. 72, Nr. 15 Tempo di Mazurka) zu einer Art kleiner Suite und „zeichnet damit ein Jahrhundert der weltweiten Chopin-Begeisterung nach“ (Oscar Alan). Vom Umfang her räumt Trifonov neben Chopin dem katalanischen Komponisten Frederic Mompou den größten Platz ein. Seine zwölf Variationen auf ein Thema von Chopin basieren u.a. auf Chopins Prélude in A-Dur Op. 28, aber auch der Fantaisie-Impromptu Op. 66. Die zehnte Variation trägt den Titel „Évocations. Cantabile molto espressivo“ und ist damit Titelgeberin für dieses bereichernde neue Album.

Aber es ist Trifonov, der neue Maßstäbe in der Chopin-Rezeption setzt. Man höre nur die Mittelsätze der Klavierkonzerte, wie eigenständig und dennoch in vollkommener Harmonie mit dem Orchesterpart, den das Mahler Chamber Orchestra unter Mikhail Pletnev einnimmt, Trifonov diese schmerzlich schönen Belcantomelodien voller elégance aus den Tasten zaubert. Das ist nicht zuletzt Pletnev zu verdanken, der die Instrumentierung der Klavierkonzerte verschlankte, was die Interpretation des Solisten im Wechselspiel mit den anderen Stimmen aus der Wettkampfsituation mit einem zu dicken Orchester befreit. In den solistischen Giovanni-Variationen geht es handfester zu. Man hätte Chopin gar nicht so viel an frecher Improvisation, seduktivem Sog und humorvoll flirtender Gestik zugetraut. In die „Coda. Alla Polacca“ steckt Trifonov so viel an imaginativer Kraft, dass Giovanni leibhaftig in Tönen ersteht und sein Unwesen, seinen kessen Schabernack treibt.

Eine Entdeckung sind die Variationen von Mompou. Als impressionistisch irisierende, und doch jazzig irrlichternde Salonjuwelen vermag Trifonov hier erneut mit seiner stupenden Anschlagskultur zu faszinieren. Neben Musikalität und Technik dreht sich beim Klavier doch alles um den Anschlag. Da hat Trifonov derzeit kaum seinesgleichen, zumindest wäre ihm einer der drei Plätze auf dem Weltmeisterpodium sicher.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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