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CHEMNITZ: „THE KING’S SPEECH“

15.06.2015 | Theater

Chemnitz: „THE KING’S SPEECH“ – 14. 6.2015

 Von einer Rede ist hier die Rede, von der, historisch gesehen, nicht nur einmal die Rede war. Gehalten wurde sie von George VI. aus Anlass von Großbritanniens Beitritt zur Anti-Hitler-Koalition. Nun halten Monarchen bekanntlich zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen Reden, die oftmals keiner Rede wert sind. Wenn jedoch ein bislang öffentlichen Auftritten peinlichst ausweichender Mann vor das Weltenforum tritt und der Appeasement-Politik Chamberlains eine eloquente Abfuhr erteilt, erheischt solcher Umstand höchste Aufmerksamkeit. Wie es dazu kam, behandelt des Anglo-Amerikaners David Seidler Stück von der „Rede des Königs“, das noch vor desselben Autors Drehbuch zu Tom Hoopers gleichnamigem Film entstand, aber erst nach dessen grandiosem Erfolg 2012 am Guildforder Yvonne Arnaud Theatre uraufgeführt wurde. Mit feinem, tragische Momente durchaus einbeziehendem Humor erzählt Seidler die Geschichte zweier Männer, von denen der eine zwar kann, aber nicht darf, während der andere darf bzw. soll, aber nicht kann. Der eine, Lionel Logue, ein australischer Mime, verlässt samt seiner als Verkäuferin  zum Lebensunterhalt beitragenden Frau Myrtle, sein Land, um in England ihm bis dato versagten Erfolg zu erlangen. Da dies (warum auch immer) misslingt, verdient er sich nun als Sprachtherapeut die Brötchen. Der andere, Albert, seines Zeichens Herzog von York, Sohn des englischen Monarchen GeorgeV., steht in der Thronfolge und der Gunst des Vaters an zweiter Stelle, versagt er doch, außer im Beisammensein mit seinem Ehegespons Elizabeth, infolge eines in frühester Kindheit erworbenen Sprechfehlers (kurz gesagt: er stottert unüberhörbar) in der Öffentlichkeit aufs Blamabelste. Dieses peinliche Handicap soll Logue korrigieren, ein Auftrag, der desto dringlichere Gestalt annimmt, als Alberts bislang vom Glück begünstigter Bruder David, mittlerweile König Eduard VIII., auf Grund nazifreundlicher Gesinnung und der beibehaltenen Beziehung zu seiner halbseidenen amerikanischen Geliebten Wallis gezwungen wird, abzudanken. Auf dem  frei gewordenen Thronsessel nimmt nun Albert (als George VI.) Platz. Wie Seidler den Weg der beiden Männer bis zu diesem historischen Akt als keineswegs konfliktfreie Beziehung beschreibt, ist allein schon der Lektüre wert. Zu deren Umsetzung auf der Bühne gewann man mit Herbert Olschok einen Regisseur, dem Selbstbespiegelung jeglicher Art zuwider ist, der dafür sein Handwerk perfekt beherrscht, Vorzüge, von denen die Chemnitzer während seines Wirkens als hiesiger Schauspieldirektor (1994 bis 2000) profitieren konnten.

 Und Olschok ward seinem Ruf in beglückendem Maße gerecht. Der Zuschauer erlebt eine aus einem Guss berichtete Geschichte, die der Regisseur mit dem ihm eigenen Gespür für dezente Komik anreichert, dabei Tragisches nicht unterschlagend, das einem Manne widerfährt, der auf eigenen, vordergründigen Erfolg verzichtet, um seinem Klienten auf dem dornenreichen Weg der Selbstfindung zu begleiten. Dafür stehen der Regie zwei prächtige Mitstreiter zur Verfügung. So präsentiert sich Marko Bullack eingangs als total verunsichertes, von der Umwelt hämisch beäugtes Bündel Unglück, ein Ungemach, dem er nicht nur vokal, sondern gleichermaßen mit seiner Körpersprache beredten Ausdruck verleiht. Sein bei der ersten Begegnung mit Logue vor sich her getragenes, aufgeplustert anmutendes Selbstbewusstsein soll lediglich die ihm zutiefst innewohnende Verunsicherung übertünchen. Wie sich Albert im Verlauf der Therapie noch oftmals selbst im Wege stehen wird, wie schwer es ihm fällt, den Therapeuten als Partner zu begreifen, macht Bullack mit einer Fülle darstellerischer Nuancen glänzend deutlich. Als Logue besticht Philipp Otto erneut mit einer von ihm brillant gemeisterten Aufgabe. Wobei „brillant“ u.U. das weniger zutreffende Wort für die von diesem Manne eingesetzten Mittel ist. Denn nichts liegt dem Mimen ferner, als rein artistisch routinehaft zu glänzen, liebt er doch eher die introvertierten Töne, die er so bedacht verwendet, dass der Gesamteindruck ein desto tieferer ist. Da sind die sparsam gesetzten Ausbrüche dann eher der Punkt auf das I. Und weil Otto ein Freund des gedämpften, behutsam ziselierten Humors ist, verkommt bei ihm (und Bullack) das Stück nie zur Klamotte.

 Nach ihrer großartigen Jeanne (Anouilh) bewährt sich Maria Schubert nun in einer völlig anders gelagerten Rolle. Wie es ihr gelingt, den Wandel der Elizabeth von einer zunächst Logue gegenüber den Standesunterschied herauskehrenden Person alteingesessenen Adels zu einer Mitstreiterin am Gelingen einer von zahlreichen Rückschlägen begleiteten Aufgabe ins rechte Bild zu rücken, wie sie ihrem Albert aus Liebe und die Politik bewusst ins Kalkül ziehendes Weib auf seinem Weg begleitet und wenn es sein muss, ihm diesen Weg vorgibt, all das wird von der Künstlerin klar und eindringlich auf die Bühne gebracht. Aber auch Ulrich Lenk als gewitzter, die politischen Verhältnisse gewieft nutzender Churchill und Stefan Schweninger (der schlitzohrig intrigante Erzbischof von  Canterbury) standen ihren Mann im Rahmen eines durchweg entzückenden Ensembles, zu dem noch Stefan Migge zu rechnen ist, der sich von seinem Hamlet bis zum König in der erwähnten „Jeanne“ noch nie auf den Holzweg begeben hat und nunmehr den Prinzen von Wales als köstlichen, überheblichen Bruder Leichtfuß anlegte. Zudem empfahl er sich mit einer bravourösen Tanzeinlage, bei der ihm seine Geliebte Wallis (Katja Böhm vom Chemnitzer Tanzinstitut Köhler-Schimmel) keinen Deut schuldig blieb. Die für eine erkrankte Kollegin eingesprungene Susanne Stein imponierte als derb-liebenswerte Myrtle, als Premierminister Baldwin ergänzte Christian Ruth.

 Esther Kemter und Ulrich Schreiber schufen ein einfaches, rasche Szenenwechsel garantierendes Bühnenbild, das reichlich Atmosphäre für sich beanspruchen konnte. Die historisch wunderbar nachempfundenen Kostüme waren Joachim Herzog zu verdanken.

  Joachim Weise           

 

 

 

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