Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CHEMNITZ: PARSIFAL

13.04.2015 | Oper

Chemnitz: „Parsifal“ – 12. 4.2015

 Nach knapp zweijähriger Pause nahm die Chemnitzer Oper den 2013 in einer Koproduktion mit dem Staatstheater Darmstadt zur Premiere gelangten „Parsifal“ mit drei Vorstellungen wieder in ihren Spielplan auf. John Dews Inszenierung, für Chemnitz von Marcelo Buscaino übertragen, stellte sich damit, in den Hauptrollen fast komplett umbesetzt, neuerlich zur Diskussion.

 Schlägt Dew im 1. Aufzug eine Brücke zu den Kirchenvätern der Spätantike, so deuten hernach Philosophen der Neuzeit das ideologische Fundament des Renegaten Klingsor an. Dieses Konzept setzt der Bühnenbildner Heinz Balthes einleuchtend um, wobei ich mich schwerlich des Eindrucks zu erwehren vermag, dass er sich hierbei von einigen prägenden Details der fantastischen Ausstattung Peter Sykoras für die unvergessliche, von Harry Kupfer Ende der siebziger Jahre an der Berliner Staatsoper vorgelegte Inszenierung des Werkes anregen ließ (der gekreuzigte Heiland im Zentrum des Gralstempels, Verwandlung der Natur während des Karfreitagszaubers). Insgesamt bekennt sich die Regie zu Wagner, verzichtet wohltuend auf modernistische Mätzchen. Das Finale des 2. Aufzugs mit Klingsors Speerwurf erfährt eine ebenso einfache wie elegante, keinesfalls belächelnswerte Umsetzung. Wenn mich ein winziges Detail befremdete, so allenfalls der erste Auftritt des Titelhelden. Wieso präsentiert sich ein den Unbilden der Natur ausgesetzter, das Dasein als Jäger und Sammler fristender Mann derart geschniegelt und gebügelt, aufs Feinste frisiert der Umwelt (Kostüme: José Manuel Vásquez)?

 Wieder einmal waltete Frank Beermann am Pult der Robert-Schumann-Philharmonie seines Amtes. Mischten sich diesmal in das mit bemerkenswerter Struktur musizierte Vorspiel und eingangs des 1. Aufzuges einige Patzer des Blechs in den Vortrag, so fand das Orchester im weiteren Verlauf der Vorstellung  zu einer beredten Klangsprache, die nicht nur bei den phänomenalen Steigerungen der Verwandlungsmusiken zu begeistern vermochte, sondern gleichermaßen die von Ernst Krause angemahnte „wunderbare Milde des Orchesterklangs“ verinnerlichte. Hier war eine „Wagner-Kapelle“ zu hören, die ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen sollte und nur partiell die Sänger übertönte. Eine dem adäquate Leistung muss man den von Simon Zimmermann einstudierten Damen und Herren des Chores, des Extrachores sowie den Mitgliedern des Kinder- und Jugendchores attestieren, die vom fast dahingehauchten Piano bis zum wuchtigen Forte all jene vom Meister so sinnreich vorgeschriebenen Schattierungen beherzigten und in die höchst lobenswerte Tat umsetzten.

 Als Kundry stand mit der unterdessen ins hochdramatische Sopranfach gewechselten Susanne Schimmack eine Künstlerin von fesselnder Ausdruckskraft auf der Bühne, deren blendende Höhe  den pastosen Mezzotiefen in nichts nachsteht. Lediglich den Schluss ihrer Auseinandersetzung mit Parsifal sollte sie noch ökonomischer anlegen. Dies alles vereinigte sich mit einem rastlosen darstellerischen Einsatz, der auch die zahlreichen stummen Szenen der Figur beispielgebend durchdrang und sich nie ins Private verflüchtigte. Den Wandel vom unbedarften Toren zum mannhaften Ritter und Erlöser machte Frank van Aken mit unaufdringlichen, sympathischen Mitteln glaubhaft. Sein freilich über kein ausgeprägtes Timbre gebietender Tenor meisterte den Part mühelos, obschon der das Werk beschließende Auftritt im Gralstempel einige Ermüdungserscheinungen andeutete. Dem Amfortas von Jürgen Trekel nahm man den Leidensmann zweifelsfrei ab, wobei seine vokale Leistung mehr zum Introvertierten tendierte und überwältigende Ausbrüche heldenbaritonalen Kalibers eher (bewusst?) mied. Das bei seinem Liedgesang so überwältigend schöne Stimmmaterial kam leider weniger zum Tragen. Mit seines Basses Grundgewalt stattete James Moellenhoff den Gurnemanz aus. Dass sich in die Interpretation gelegentlich auch raue und ungeschliffene Töne einschlichen, mag der Tagesverfassung anzulasten sein. Hannu Niemelä bot einen vokal auftrumpfenden Klingsor, zeichnete überzeugend den seine geistigen Potenzen missbrauchenden, von der Ritterschaft Ausgestoßenen. Thomas Mäthger lieh dem Titurel den erforderlichen sonoren  Bass. Als Klingsors

Zaubermädchen gefielen Guibee Yang, Maraike Schröter, Tiina Penttinen, Sarah Yorke, Franziska Krötenheerdt und Katharina von Bülow.

 Die das Haus allerdings nicht bis auf den letzten Platz füllenden und geraume Zeit auf ein Werk des Meisters harren müssenden Wagnerianer spendeten der Aufführung jubelnden Zuspruch.

  Joachim Weise

 

Diese Seite drucken