Chemnitz: „LA CENERENTOLA“ – 22. 12.2014
Unter der Leitung von Dr. Christoph Dittrich setzt sich die Chemnitzer Oper kontinuierlich für Werke ein, die seit Jahrzehnten vom Hause vernachlässigt bzw. noch nie gegeben wurden. Der „Toten Stadt“ folgte nun auf dem Fuße Rossinis Aschenbrödel-Version, die ein knappes Jahr nach dem „Barbier“ ihre römische Uraufführung erlebte. Wiederum stellte der Meister ein Werk vor, in dem es aus dem Orchestergraben nur so schimmert und funkelt, das jedoch die überschäumende Situationskomik des „Barbiers“ einigermaßen dämpft und sich dafür als „melodramma giocoso“ eingehender des sozialen Konflikts der Titelheldin annimmt.
Als Regisseur wurde der Südafrikaner Kobie van Rensburg gewonnen, ein gestandener, die MET auf seiner Visitenkarte ausweisender Tenor und Jurist, der sich mittlerweile auch mit geglückten Inszenierungen einen Ruf erwarb und dabei einem multimedial lebenden Publikum die Oper mit multimedialen Mitteln zugänglich machen möchte. Dieser Verfahrensweise bediente er sich nunmehr auch in Chemnitz und landete damit einen in dieser bestechenden Form hier noch nie zu bestaunenden Coup. Die originalsprachige Aufführungen permanent sekundierenden Übertitel entfallen, werden dafür per Projektion den betreffenden Darstellern beigeordnet. Diese Methode hat etliches für sich, und solcher Projektionen bedient sich auch Steven Koop bei seiner einfallsreichen Bühnengestaltung, die er zudem mit raffinierten Spiegeleffekten anreichert. Und wann immer es im Graben und auf der Bühne zu vehementen Steigerungen kommt, wartet van Rensburg mit der entsprechenden Buchstabensuppe auf. Freilich entgeht er nicht immer der Gefahr, dass sich die virtuos eingesetzten Zutaten verselbständigen, die Gewürze das eigentliche Gericht dominieren.
Insgesamt ist ihm jedoch eine Regiearbeit zu bescheinigen, die, einschließlich der stilsicher entworfenen Kostüme Kristopher Kempfs, durchaus ihre Meriten hat und dem Komponisten gibt, was des Komponisten ist. Zu diesem positiven Gesamteindruck trug eine fabelhafte Leistung der Robert-Schumann-Philharmonie bei, die unter der vorzüglichen Leitung Felix Benders einen Rossini der Extraklasse musizierte. Da animierten Streicher und Bläser in rasantem Tempo einander zu einem atemberaubenden Wettlauf, bei dem keine der beiden Gruppen auf der Strecke blieb, mündete die Gewittermusik in ein bombastisches Forte und bereiteten die Musikanten den verhaltenen Szenen der beiden Liebenden einen delikat verhaltenen Klangteppich.
In der Hauptrolle stellte sich die das Ensemble seit Saisonbeginn verstärkende Cordelia Katharina Weil vor, mühelos in den Koloraturen und speziell im Lyrischen für sich einnehmend. Dass dieses Aschenbrödel auch mit einer gehörigen Portion Mutterwitz gesegnet ist, könnte die sich vorrangig auf die gütige und alles verzeihende Wesensart des Mädchens konzentrierende Regie stärker ins Bild rücken. Als höhensicherer Ritter vom hohen C bzw. D imponierte Randall Bills, der sich der mit enormen Schwierigkeitsgraden bestückten Partie des Ramiro bar jeglicher tenoralen Eitelkeit annahm. Das war höchster Ehren wert und ließ sein etwas zurückhaltendes Agieren vollkommen vergessen. Als hübscher Gag bleibt des Prinzen Suche nach Angelina mit Hilfe eines die Szene beherrschenden Luftschiffes in Erinnerung. Franziska Krötenheerdt (neu im Ensemble) als Clorinda und die bewährte Tiina Penttinen (Tisbe) lieferten sich und der ungeliebten Stiefschwester einen köstlichen Zickenkrieg, der an keiner Stelle die Grenzen zum Geschmacklosen tendierte. Den Diener Dandini legte die Regie als süffigen Elvis-Verschnitt an, eine Sicht, mit der sich der komödiantische Andreas Kindschuh darstellerisch vollkommen identifizierte. In den sparsamen, aber wesentlichen Auftritten des Alidoro fand Kouta Räsänen diesmal weniger Gelegenheit zu nachdrücklicher vokaler Entfaltung. Der Bariton Matthias Winter scheint sich allmählich dem tieferen Stimmfach zu nähern, und wenngleich er dort noch nicht ganz und gar eingetroffen ist, erfreute seine Wiedergabe des Don Magnifico besonders im Hinblick auf den Verzicht herkömmlicher Unarten, denen Vertreter des Buffofaches gelegentlich frönen und mithin Komik mit plumpem Klamauk verwechseln.
Joachim Weise