Oper Chemnitz: DIE WALKÜRE, Vorstellung vom 12.01.2019
Das Verhältnis von Wotan zu seinen Kindern aus psychologischer Sicht.
Zoltan Nyari (Siegmund), Christiane Kohl (Sieglinde), in der besuchten Vorstellung Viktor Antipenko (Siegmund), Astrid Kessler (Sieglinde), Foto: Kirsten Nijhof
Die gesamte Regie ausschließlich von Frauenhand
Regie: Monique Wagemakers, Bühne: Claudia Weinhart, Kostüme: Erika Landertinger, Dramaturgie: Susanne Holfter
Regietheater in einer konservativen Umgebung
Das der Handlung zugrunde liegende Regiekonzept ist zunächst nicht erkennbar, weil die Beteiligten in ihren archaischen Kostümen auftreten und durch das Fehlen der mythologischen Symbole, wie das Schwert Nothung, der gesetzgebende Speer und dem allseits beliebten Feuerzauber, beim Besucher Verwirrung und Unverständnis hervorrufen. Erst viel später im zweiten Akt kehrt Einsicht für eine Deutung ein. Auf der Bühne wird ein umfangreiches Beziehungsgeflecht dargestellt, angefangen von dem Geschwisterpaar untereinander, sowie vom Göttervater zu seiner Lieblingstochter Brünnhilde, die er mit der allwissenden Erda gezeugt hat. Aus dem Gottvater ist sozusagen der Familienmensch Wotan geworden. Eventuell wäre eine einheitliche Gestaltung von Ausstattung und Bühne im Kontext zum Konzept, die bessere Idee gewesen.
Das Wälsungen-Paar ohne das Schwert Nothung
Für die Regie ist das Schwert Nothung das Synonym für Hoffnung, die buchstäblich im zweiten Akt zerbricht. Das Geschwisterpaar wird nach kurzer Kindheit getrennt und erleidet danach unerträgliche Not. Sieglinde wird ungeliebt mit einem Sippenfürsten verheiratet, während Siegmund von zahlreichen Schicksalsschlägen heimgesucht wird. Bei den berühmten Winterstürmen werden bei Siegmund und Sieglinde erstmals Kindheitserinnerungen aufgefrischt, später entwickelt sich die Liebe zwischen den beiden. Die Flucht ist also die Hoffnung, dem ungeliebten Zustand zu entfliehen. Zum besseren Verständnis werden dabei zwei Kinder gezeigt und im Hintergrund erkennt man die mit Tränen angereicherten Gesichter der Sieglinde.
Monika Bohinec (Fricka), Aris Argiris (Wotan), in der besuchten Vorstellung Anne Schuldt (Fricka); Foto: Kirsten Nijhof
Kein Feuerzauber am Ende
Am Schluss wird zum Leidwesen vieler Besucher ganz auf den Feuerzauber verzichtet. Wotan verabschiedet sich von seiner Tochter mit der Gewissheit, dass dies die letzte Begegnung von seiner Lieblingstochter sein wird, vergessen sind dabei alle vorangegangenen Schuldzuweisungen. Bevor der Schlussvorhang fällt, steht plötzlich ein Knabe auf der Bühne. Für Wotan ist es eine gedankliche Vorstellung, dass mit Siegfried ein Held heranwächst, der eine neue Weltordnung schaffen soll, was sich aber später als utopische Vorstellung erweisen wird.
Eine Inszenierung geprägt von einer subtilen Personenführung im Einklang mit dem musikalischen Geschehen
Die große Stärke von Frau Monique Wagemakers zeigt sich bei der Charakterisierung der Hauptfiguren, beispielsweise im zweiten Akt. Großartig ist der Dialog zwischen Wotan und Fricka (selbstbewusst und überzeugend Anne Schuldt). Wotan, der anfangs noch eine selbstbewusste Haltung einnimmt, wird mehr und mehr in die Defensive gedrängt wird, weil die real- und logisch argumentierende Fricka das inzestuöse Verhalten des Geschwisterpaares anprangert und dem Göttergatten den Vorwurf macht, die eheliche Treue mit Füßen zu treten. Die Auswirkung dieser Zwiesprache folgt sogleich, denn der herrschende Gott fällt in eine tiefe depressive Phase, die mit einigen Unterbrechungen fast bis zum Ende anhält.
In vielen Szenen, in denen das Orchester mit der wagnerschen Motivgebung die Handlung bestimmt, wird ganz auf eine Personenführung verzichtet, so vergleichsweise beim so genannten Feuerzauber. Der Besucher empfindet im Zusammenhang mit der beweglosen Bühne ein mitreißendes Hörerlebnis, so dass nach dem Schlussvorhang erstmals eine ergreifende Ruhe eintritt, bevor mit einem stürmischen Applaus begonnen wird.
Die Robert-Schumann Philharmonie ein homogener Klangkörper unter der Leitung von GMD Guillermo Cracia Calvo
Was sich schon im Siegfried und in der Götterdämmerung andeutete, nämlich das Zusammenwirken von Orchester und Sänger, setzte sich erfreulicherweise in der Walküre fort. Die Tempi waren immer so gestaltet, dass ein Aussingen auf der Bühne gewährleistet war. Gleich zu Beginn erlebte man aus dem Graben einen Sturm von immenser Windstärke mit einem eindrucksvollen Donner aus dem Rheingold, aber beim Auftritt von Siegmund wechselte das Orchester urplötzlich in ein feingliedriges Piano. Die Todesverkündigung (im zweiten Akt) und der Feuerzauber (im dritten Akt) gestaltete die Robert-Schumann Philharmonie mit Klängen, die einer Endzeitstimmung ähnlich waren.
Sängerische Gesamtleistung auf hohem Niveau
Ein überzeugender Wotan
Das Schwierige bei der Wotanfigur ist das ständige Wechseln seiner Gefühlslage, vom herrschenden Göttervater, über den schwermütigen Sprechgesang zu Brünnhilde (im zweiten Akt) und dem liebevollen Abschied von seiner Lieblingstochter (im dritten Akt). Mit seiner tiefen Baritonstimme hat der Grieche, Aris Argiris, diese Partie in bemerkenswerter Weise gemeistert.
Stephanie Müther als Brünnhilde eine hervorragende Interpretin
Diese Brünnhilde war an diesem Abend uneingeschränkt der Liebling des Publikums. Stimmgewaltig und gefühlsbetont meisterte sie erfolgreich diese anspruchvolle Partie.
Mit Sieglinde (Astrid Kessler) und Siegmund (Viktor Antipenko) wurden sängerisch und darstellerisch ideale Partner gefunden. Beide glänzten vor allem mit kräftigem Stimmvolumen, wobei bei Antipenko ein nie endender Wälseruf auf die Zuschauer hereinbrach.
Hunding, Magnus Piontek, mit seinem sonorem Bass war bis zu seinem unrühmlichen Ende im zweiten Akt, ein großartiger Vertreter seiner Rolle. Hier zeigt sich das zynische Verhalten des Göttervaters, indem er, entgegen der Anweisung von Fricka, den Sippenanführer ins Jenseits beförderte.
Nicht unerwähnt sollen die Walküren vom dritten Akt bleiben, die für den Transport der im Kampf gefallenen Helden nach Walhall, zuständig sind.
Aris Argiris (Wotan). Foto: Kirsten Nijhof
Abgesehen von einigen Ungereimtheiten beim szenischen Aufbau, ist die musikalische und sängerische Ausarbeitung unbestritten ein bedeutendes Erlebnis.
Neue Akzente für die Robert-Schumann Philharmonie
Der neue GMD, Guillermo Garcia Calvo hat mit seiner Philosophie, eine Einheit zwischen Graben und Bühne herzustellen und dabei die nötige Transparenz des Orchesters in den Vordergrund zu stellen, seine zukünftige Richtung vorgegeben. Auffallend auch die Pausen an exponierten Stellen im Orchester, wenn beispielsweise ein Denkprozess stattfindet. Diese erzeugte „Stille“ bewirkt beim Publikum eine zusätzliche Konzentrationssteigerung. Man kann nur hoffen, dass die Zusammenarbeit von GMD und dem Klangkörper noch lange erhalten bleibt.
Weitere Vorstellungen in den Ringzyklen an Ostern 2019 und an Pfingsten 2019
Franz Roos