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CHEMNITZ: DER GRAF VON LUXEMBURG

08.06.2015 | Operette/Musical

Chemnitz: „DER GRAF VON LUXEMBURG“ – 7. 6.2015

Der Luxemburger rief, und das in Sachen Operette derzeit nicht sonderlich verwöhnte Chemnitzer Publikum folgte ihm in Scharen. Und obschon die Inszenierung des Gastes Ulrich Proschka der Kirchen gleich mehrere im Dorfe ließ, bediente sie immerhin die Erwartungshaltung der nach derlei Labsal lechzenden Seniorinnen und Senioren. Proschka siedelt das Werk im Jahre 1913 an, hütet sich aber tunlichst vor Weltkriegsanklängen à la Konwitschny. Eventuell sollte man ihm dafür dankbar sein, doch hätte es dann der ominösen Zeitangabe keinesfalls bedurft. Dafür inszeniert er eher vom Blatt, was mich wiederum zu wenig dünkt. Ausstatter Christoph Cremer nutzt die praktikablen Möglichkeiten der Drehscheibe für insgesamt eher bieder anmutende Entwürfe (eine Ausnahme bildet allenthalben die Hotelhalle). Das Karnevalsbild erweist sich für den Grafen, Chor und Ballett als reichlich beengt, das Atelier Brissards vermittelt nur wenig von der sozialen Misere seiner Bewohner. Der Ballsaal im Palais der Angèle verweist, außer einem Flügel, kaum darauf hin, dass hier eine Künstlerin Hof hält. Proschkas nüchterne Arbeit verbiegt zwar anerkennenswerterweise das Original an keiner Stelle, enthält ihm andererseits leider etliches von dem, was den Zauber der „silbernen Ära der Wiener Operette“ einst innewohnte und ihn bei entsprechender Dosierung noch heute verständlich erscheinen lässt. Dies mag freilich auch daran liegen, dass ihm für die Hauptpartien zwei Künstler zur Verfügung standen, die den Anforderungen Franz Lehárs allenfalls im Ansatz entsprachen.

 So gibt Michael Heim einen vornehmlich rustikal-burschikosen René, dem die elegant-charmante Seite der Figur weniger bedeutet. Stimmlich meistert er den Part mühelos, leider entbehrt sein Tenor jedoch jenes gewissen Schmelzes, jener vokalen Biegsamkeit, die einer Lehár-Partie erst ihre faszinierende Ausstrahlung garantieren. In diesem Zusammenhang geriet ihm vieles zu direkt und glanzlos. Im Vergleich dazu wartete Maraike Schröter (Angèle) mit Gültigerem auf, imponierte mit einer ausgeglichenen, klangschönen stimmlichen Leistung, der es freilich (noch) an der wünschenswerten sinnlichen Note gebrach. Von der Erscheinung her nicht der Typ der Operettendiva, musste sie sich zudem, just beim 1. Auftritt, mit einem mehr als unkleidsamen, ebenfalls von Christoph Cremer entworfenen Gewand  begnügen. Aber der Mann ist ja auch gelernter Herrenschneider. Das den Grafen fesselnde Kapriziöse dieser Edelkokotte blieb die Künstlerin der Figur weitgehend schuldig, sollte unbedingt (eine Frage der Regie) noch am Dialog arbeiten. Der vom Buffopaar hinterlassene Eindruck fiel günstiger aus, obschon Christian Baumgärtel (Brissard) vorrangig seiner zweifellos abrufbaren Routine vertraute und Franziska Krötenheerdt (Juliette) mit recht gerader Stimmführung darstellerisch ein wenig an ihre zickige Clorinda („Cenerentola“) gemahnte. Für die Inszenierung spricht die Tatsache, jenen Figuren, die andere Regisseure gern, nach billiger Publikumsgunst schielend, klamottig überdrehen, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das betrifft zuvörderst den sich auf Freiersfüße begebenden Fürsten Basil Basilowitsch, den Matthias Winter als durchaus ernstzunehmenden, in die Jahre gekommenen Lebemann auffasste, der noch weiß, wo Barthel den Most holt. Da betrat kein abgetakelter Operettenkomiker die Szene, sondern ein Herr, der selbst in für ihn peinlichen Situationen die Contenance bewahrt. In seinem Gefolge bewiesen Jürgen Mutze und Edward Randall mit feinem Humor, dass altgediente Recken des Hauses auch kleineren Aufgaben Profil abgewinnen können. Infolge einer Erkrankung sprang die Chorsängerin Ute Geidel buchstäblich in  letzter Minute als Stasa Kokozow ein und brillierte mit einer Leistung, wie sie einer Interpretin angestanden hätte, die vom ersten Augenblick an in den Probenprozess eingebunden war.

 Die Kolleginnen und Kollegen von Ute Geidel (Einstudierung: Simon Zimmermann, Nikolaus Müller) fanden nach einem durchwachsenen Entree (u. U. der beengten Räumlichkeit geschuldet) zu ihrem gewohnten Niveau. Für die ausgewogene Choreographie zeichnete Sabrina Sadowska verantwortlich. Wenngleich sich auf der Bühne nicht alle Blütenträume erfüllten, verbreiteten Felix Bender und die Robert-Schumann-Philharmonie Lehár-Wonnen vom Feinsten. Wer erlebt hat, mit welch animierendem Feuereifer Bender sich in sein erstes Chemnitzer Operettendirigat stürzte, wie er nach Bellini, Mozart und Rossini auch diesen Meister der leichten Muse zu seinem ureigensten Anliegen erklärte und damit die seiner Leitung anvertrauten Musikanten zu einer beispielhaften Leistung ohne Fehl und Tadel beflügelte, wird die weitere künstlerische Laufbahn des jungen Mannes nur mit den besten Wünschen begleiten.

  Joachim Weise

 

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