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Chemnitz: „DER DRESSIERTE MANN“von John von Düffel

12.03.2018 | Theater

Chemnitz: „DER DRESSIERTE MANN“von John von Düffel – 11. 3.2018

Ungemach droht der Beziehung zwischen Helen und Bastian, enthüllt die junge Frau doch ihrem Liebsten, die von ihm erhoffte Position eines CEO bei der beide beschäftigenden Bank ergattert zu haben und mithin das Zehnfache seines Salärs zu verdienen. Das verschlägt Bastian die Sprache, der geplante Heiratsantrag bleibt aus. Nunmehr nehmen die beiderseitigen Mütter die Angelegenheit in die Hand. Dabei lassen Dr. Elisabeth Schröder-Röder, streitbare Feministin, und Konstanze Engelbrecht, „mit allen Finessen weiblicher Schattenkriegsführung beschlagene Zahnarztgattin“ (René Schmidt), gewaltig Dampf ab, der schließlich in einen totalen Alkoholrausch des vehement ins Kreuzfeuer genommenen Bastian mündet. Ein sich folgerichtig einstellender Katzenjammer lässt ihn arg ins Grübeln geraten…

John von Düffel, versierter Verfasser bühnengerechter Romanadaptionen, nahm sich diesmal Esther Villars „Dressierten Mann“ vor, der der Autorin Handgreiflichkeiten erregter Frauenrechtlerinnen einbrachte, in deren Folge sie Deutschland verließ. Von Düffel klassifiziert sein Stück bewusst als Komödie, verzichtet mithin auf vordergründige, schwankhafte, Schenkelklopfen provozierende Lustigkeit. Mit Herbert Olschok vertraute das Chemnitzer Schauspiel neuerlich einem sich ohnehin lieber des Floretts statt der Keule bedienendem Regisseur, fand in Alexander Martynow einen die Intentionen der Regie prächtig umsetzenden Ausstatter . Die Szene deutet gediegenen Wohlstand an, und für die Beteiligten entwarf der Künstler fein ironisierende, nie in Richtung Klamotte tendierende Kostüme. Innerhalb dieses von der holden Weiblichkeit dominierten Figurenquartetts musste Marko Bullack (Bastian) beträchtliches Stehvermögen unter Beweis stellen. Dies glückte ihm über weite Strecken durchaus glaubhaft, allerdings sollte er in den alkoholisierten Auftritten vielleicht dem Affen ein Stückchen Zucker weniger verabreichen. Seinen Aktricen gibt der Autor dankbareres Material an die Hand. Da kann sich Seraina Leuenberger (Helen) als clevere Geschäftsfrau einführen, die ihren Chef mit köstlichem „Schwyzertütsch“ imitiert, überzeugt in ihrem Gefühl für den benachteiligten Kollegen,  brilliert als alle eingängigen Klischees bedienendes „Dummchen am Herd“ und vermag auch die Attacken der beiden Mütter bravourös zu kontern. Das ihr zugedachte Kostüm als hilfreiches Vehikel nutzend, erobert sich Christine Gabsch (Bastians Mutter) mühelos die Bühne, ein an Alice Schwarzer gemahnendes Vokabular förmlich verinnerlichend und überzeugend servierend, dass es eine wahre Freude ist. Über eine kaum zu optimierende, wunderbare Sprechtechnik verfügend, versagt es sich die Künstlerin, nach billig zu erlangender Publikumsgunst zu schielen und die Figur zu denunzieren. Ihr darin gleich, erweckt Ulrike Euen nur auf den ersten Blick den Eindruck einer „Tussi vom Dienst“, einer Zicke von Zahnarztgattin, einer bei spürbarem Vergnügen nur so dahingeworfenen „Frau Doktor“. Hinter dieser Fassade blitzen jedoch immer wieder die echte mütterliche Sorge um ihr Kind, die freilich virtuos überspielten eigenen Verletzungen auf.

Wie gesagt, Herbert Olschok zeigte sich erneut als Meister der durchdachten und um zahlreiche I-Tüpfelchen angereicherten Personenführung. Auch andere Details (wie das allmählich in den Garten fallende Blattwerk oder die sich mittlerweile eingestellten Kindersegen verdeutlichenden, nacheinander eine Treppe hinunterpurzelnden Bälle) weisen ihn als einen Mann aus, bei dem Gefühl und Geschmack eine unteilbare künstlerische Prämisse bilden.

Joachim Weise

 

 

 

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