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CHEMNITZ: "DAS SCHARLACHROTE SIEGEL" – Musical von Frank Wildhorn

24.10.2016 | Operette/Musical

Chemnitz: „DAS SCHARLACHROTE SIEGEL“ –  23. 10.2016

 Nach „Jekyll & Hyde“ lernten die Chemnitzer nun ein weiteres Musical aus der Feder Frank Wildhorns kennen, dessen Aufführung trotz des sich bei mir einstellenden schalen Nachgeschmacks  reichlich Publikumsgunst quittieren durfte. Dieser Nachgeschmack dürfte zum einen auf die literarische Vorlage, den gleichnamigen Roman Emmuska Orczys, zurückzuführen sein, deren Geschichtsklitterung die Librettistin Nan Knighton eins zu eins übernahm. Zum anderen resultiert er aus dem Eindruck von Wildhorns Komposition, die die umwerfenden Hits einfach schuldig bleibt und ungeachtet manch bemühter Geste zu häufig Musik von der Stange anbietet. Die Orchestrierung von Kim Scharnberg setzte gewiss manches daran, diesen Eindruck etwas zu übertünchen, und so nahm denn die Wiedergabe der von Jakob Brenner animiert geleiteten Robert-Schumann-Philharmonie durchaus für sich ein, wäre der junge Dirigent nicht häufig über das Ziel hinausgeschossen. Mithin war ein derart auftrumpfender Sound zu erleben, der die Solisten gelegentlich an die Grenzen ihres vokalen Leistungsvermögens trieb. Löbliches möchte ich ferner den von Pietro Numico einstudierten Damen und Herren des Chores und der Choreographie Jochen Schmidtkes attestieren.

 Dem Regisseur Roland Hüve, der sich der Fabel ohne Schnickschnack annahm und diese mit spürbarer Freude an der Sache schlüssig umsetzte, ist eine solide Arbeit zu bescheinigen. Einen tüchtigen Mitstreiter fand er in dem Gesamtausstatter Cristof Cremer, dem die prächtigen Kostüme ebenso zu verdanken waren wie das blitzschnelle Verwandlungen ermöglichende, mit sparsamen Mitteln gestaltete Bühnenbild, dem es dennoch nicht an der erforderlichen Atmosphäre für die jeweiligen Handlungsorte mangelte.

 Der Marguerite Saint-Just Stefanie Köhms nahm ich den umschwärmten Star der Comedie Francaise weniger ab als die um ihre Liebe und das Leben des Bruders kämpfende Frau. In den höher gelegenen Regionen ihres vokalen Parts fiel der Gesamteindruck einigermaßen gewöhnungsbedürftig aus. Dort fühlte sich ihr Partner Veit Schäfermeier (Sir Percy) insgesamt wohler, wenngleich ich mir ein virileres Timbre für diese Aufgabe vorstellen könnte. Alexander Franzen (Chauvelin) bestätigte vehement das Gerücht, zwielichtige Aufgaben seien am Theater die interessanteren. Hier stand ein Mann auf der Bühne, der mit sadistischer Häme brillierte, sich aber gleichzeitig darum sorgte, die Figur nicht vollkommen zu denunzieren und sie deshalb mit einer freilich arg verschütteten Menschlichkeit anreicherte.

 Joachim Weise

 

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