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Film: CHAMPAGNER & MACARONS – EIN UNVERGESSLICHES GARTENFEST

15.10.2018 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 19. Oktober 2018
CHAMPAGNER & MACARONS – EIN UNVERGESSLICHES GARTENFEST
Place publique / Frankreich / 2018
Regie: Agnès Jaoui
Mit: Jean-Pierre Bacri, Agnès Jaoui, Léa Drucker, Sarah Suco u.a.

Das französische Kino hat ernsthafte Filmfreunde in den letzten Jahren mit einer Menge Beschönigungsfilme genervt, die ernste Themen – von Behinderung bis Migration – in Zuckerwatte verpackt haben und damit, noch schlimmer, ein Millionenpublikum erreichten, das sich im Kino seine Illusionen abholte. „Champagner & Macarons“, mit dem Untertitel „Ein unvergessliches Gartenfest“ (im Original heißt der Film schlicht: „Place publique“) ist da anders – und obwohl der Untertitel es vermuten lässt, ist es keine Satire. Es scheint eher, als hätte das Duo Agnès Jaoui & Jean-Pierre Bacri (beide schreiben, beide spielen, sie inszeniert auch noch) es ernst gemeint. Sogar bitter, wenn auch immer wieder Humor aufblitzt – aber von jener Art, der nicht froh macht.

Es geht um die Reichen und Schönen, die bei näherer Betrachtung ziemlich arme Hunde sind. Auch wenn Nathalie (Léa Drucker) eine ganz große Gartenparty zur Eröffnung ihres Hauses am Land gibt. Sie ist Fernsehproduzentin, da kommen in ihren dicken Autos Leute mit Geld herbeigefahren. Leute von heute, die an ihren Smartphones hängen und dauernd Fotos machen. Leute, denen man anmerkt, dass es ihnen gar keinen Spaß macht, hier zu sein – aber wenn sie nicht kämen, würde am Ende niemand merken, dass sie nicht da sind? Es sind diese Pflichtveranstaltungen, wo man sich angeblich so wunderbar amüsiert, aber letztlich wohl nur unbehaglich fühlt.

Der ganze Film spielt während dieser einen Party, meist im Garten, selten drinnen (es regnet zwischendurch), die Dialoge sind halb oberflächlich, halb verletzend, wenn die Leute einander nahe stehen.

Im Zentrum steht Castro, der Fernsehstar am absteigenden Ast, den Autor Jean-Pierre Bacri schonungslos unangenehm spielt. Aber warum ist er so gereizt? Weil er weiß, wie es auch Gastgeberin Natalie, seine Produzentin, weiß, dass er am absteigenden Ast sitzt. Weil er mit Natalies Schwester Hélène (Regisseurin Agnès Jaoui als der nervende, betuliche Typ) verheiratet war und nicht begeistert ist, sie wieder zu sehen. Noch weniger seine Tochter Nina (Nina Meurisse), die gewagt hat, ein indiskretes Buch über ihn zu schreiben. Und die es ihm voll zurückgibt, wenn er (zumindest, was seine Perücke betrifft, das muss ja nicht jeder wissen) um Rücksicht bellt: Ausgerechnet er, der berüchtigt dafür war, Menschen in der Öffentlichkeit vorzuführen, ausgerechnet er will Schonung?

Ja, und seine Freundin Vanessa (Héléna Noguerra) lässt sich seine Beschimpfungen auch nicht gefallen, nimmt ein Taxi und verschwindet. Und weil Castro seine Wut irgendwie los werden muss, beschuldigt er seinen Chauffeur (Kévin Azaïs), sein Auto privat benutzt zu haben, und genießt es, ihn hinauszuwerfen – mit dem Gedanken, der solle nur schauen, wie er zurück nach Paris kommt. (Es findet sich eine Lösung, die Castro als Vater kaum gefällt…)

Ununterbrochen gibt es mühseligen Smalltalk, Giftigkeiten nebenbei, verächtliche Blicke, selten eine sympathische Figur wie Samantha (Sarah Suco), die zum Servieren engagiert ist und offenbar die einzige, die sich von den Berühmtheiten hier beeindrucken lässt und in ihrer Begeisterung fast rührend wirkt… Und im Hintergrund nudelt eine Band ihre öden Songs herunter.

Und dann kommt es zwischendurch plötzlich zu ganz harten Szenen, wenn Nathalie in hochmütigem Verständnis von Nachbarschaft die Bauern einlädt, und nicht versteht, dass diese heimgehen und arbeiten müssen. Da wird von Seiten der einfachen Leute der fehlende Respekt beklagt, und sie geifert, sie würden wohl gerne ihren Kopf auf die Guillotine legen wie vor ein paar hundert Jahren?

Nein, es ist nicht angenehm hier, Flüchtlingsanliegen zu projektieren, wirkt nicht wirklich echt, jeder will jemand sein, will Beachtung, gibt sie aber nicht den anderen, immer wieder schieben sich Peinlichkeiten dazwischen, auch Schmerzliches, und der Film, der sich immer wieder durch das Gewühl der vielen Figuren schiebt, zeigt, wie jeder seinen Platz sucht und nur an die eigenen Interessen denkt. Wie auch anders? Man wundert sich nicht, dass Natalie am Ende, wenn alle weg sind und der Hund des Nachbarn bellt, den sie am liebsten umbringen möchte (den Hund), räsoniert, ob sie eigentlich Lust an dem Haus hat…?

Eines machen die Autoren klar: Der Sinn solcher „Feste“ ist fraglich, die Sinnlosigkeit weit eher evident. Und merk’s – der Jahrmarkt der Eitelkeiten ist kein Pflaster, auf dem sich entspannt tanzen lässt.

Renate Wagner

 

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