CDs: Vivaldi und Venezianischer Barock
Die Faszination Venedigs und Vivaldis sind ungebrochen und so sind in den letzten Wochen gleich mehrere CDs mit Musik von Vivaldi und seinen Zeitgenossen erschienen.
CD: VIVALDI CONCERTOS – Musica Antiqua Latina, Giordano Antonelli
Giordano Antonelli und die Musica Antiqua Latina nehmen den Zuhörer mit auf die Suche nach den Spuren des Orients in der venezianischen Musik. Wie klingt der zu Vivaldis Zeiten in Venedig allgegenwärtige Orient in Vivaldis Musik?
Venedig, obwohl im Westen gelegen, sieht nicht aus wie eine westliche Stadt. Verwinkelt wie eine Medina, spielen in der Architektur wie in den bildenden Künsten und der Musik Farben, Licht und Klang eine ganz andere Rolle. Der Dogenpalst und der Markusdom tragen den Orient in ihren Steinen, die bilden Kunst in Venedig lebt von Licht und Farben, während in Florenz und Rom das Zeichnerische der Ausgangspunkt war. In der Handels-Metropole Venedig lebten die unterschiedlichsten Völker zusammen und so waren die Komponisten der Serenissima immer auch von den Musiken der anderen Völker beeinflusst.
Giordano Antonelli hat für die Aufnahme eher unbekannte Werke Vivaldis zusammengestellt, die die Bedeutung von Farbe und Licht aufs Vorzüglichste, lebhaft frisch umgesetzt von der Musica Antiqua Latina, dokumentieren.
CD: VIVALDI: L’ESTRO ARMONICO (The Royal Academy of Music Bicentenary Series) – James Orford
Mit seiner «harmonischen Eingebung» («estro armonico»), einem zwölfteiligen Konzertzyklus, erfand Vivaldi das Solokonzert. Nun waren die Stimmen in Solo und Tutti gegliedert und jede Stimmgruppe hatte ihre eigene Stimme, auch wenn sie im Verlauf des Konzertes nur unisono spielt. Von allen bisherigen Normen abweichend führte Vivaldi eine neue motorische Virtuosität des Solo-Instruments ein, die die bisherigen Spielanforderungen deutlich überstieg. Seine Musik, charakterisiert durch ungestüme Leidenschaft, melodische Plastizität und rhythmischen Impetus, erfuhr durch den Druck rasche internationale Verbreitung und beeinflusste nachhaltig Komponisten in ganz Europa.
Auch Johann Sebastian Bach erlag der «Vivaldimania» und arbeitete zwei Konzerte für Orgel um. James Orford, der 2019/2020 ein Stipendium der Royal Academy of Music erhalten hat, hat die beiden Konzerte eingespielt wie auch die übrigen 10, die er selbst umgearbeitet hat.
Die Begeisterung, die Vivaldis Konzerte damals auslösten, lässt sich auch in den Bearbeitungen für Orgel bestens nachvollziehen.
CD: VIVALDI • L’ÂGE D’OR – Le Concert Idéal, Marianne Piketty
Mit ihrer neuesten Aufnahme begeben sich das Orchester Le Concert Idéal und seine Dirigentin Marianne Piketty in das goldene Zeitalter der Serenissima und auf die Spur seiner Komponisten, die nach ihrem Tod in aller Regel rasch vergessen gingen. Zwischen dem Ende des 16. Jahrhunderts und dem Beginn des 18. Jahrhunderts war Venedig das Zentrum der Musik mit Einfluss auf ganz Europa.
Venedig ist die Geburtsstadt der Oper, des Madrigals, der Sonate, der Sinfonie, des Konzerts, des Gesangs und, wesentlich um den Einfluss erreichen zu können, des Musik-Verlagswesens. Auf der Silberscheibe finden sich beispielhafte Stücke dieser Gattungen der wichtigsten venezianischen Komponisten jener Zeit wie Antonio Vivaldi, Tomaso Albinoni, Domenico Gallo, Barbara Strozzi, Francesco Turini oder Marc’Antonio Ziani.
Le Concert Idéal bietet dem Zuhörer unter der musikalischen Leitung von Marianne Piketty ein feurig musiziertes musikalisches Panorama der barocken Serenissima.
CD: Baroque – Benedetti Baroque Orchestra, Nicola Benedetti
Nicola Benedetti hat auf ihrer neuen CD drei Konzert für Violine, Streichinstrumente und Basso continuo von Antonio Vivaldi (RV 211, RV 257 und RV 386) sowie das Concerto grosso Nr. 12 in d-Moll H. 143 von Francesco Geminiani (1687-1762). Entstanden ist das Album innert kürzester Zeit als Reaktion auf die Corona-Einschränkungen. Der Solistin wie dem Benedetti Baroque Orchestra, ad hoc aus ausgewiesenen Spezialisten zusammengestellt, ist die überbordende Leidenschaft und Spielfreude vom ersten bis zum letzten Ton anzuhören. Die gute Laune ergreift vom Zuhörer Besitz. Ob er will oder nicht.
30.07.2021, Jan Krobot/Zürich