CD: Wolfgang Amadeus Mozarts sämtliche Streichtrios mit dem Jacques Thibaud String Trio bei audite erschienen/
Bewegende dynamische Momente
Kompositorische Raffinessen, die auch schon in seinen „Haydn-Quartetten“ faszinierten, hat Mozart mühelos auf das Streichtrio übertragen. Im Divertimento Es-Dur KV 563 beispielsweise sind Formelemente der Sonate und des Divertimentos miteinander verknüpft. Zwei schnelle Ecksätze umrahmen zwei langsame und zwei Tanzsätze. Das Hauptthema beginnt mit einem charakteristischen absteigenden Dreiklang, der auch am Beginn der Durchführung steht. Durch die Verbindung mit dem musikbegeisterten Baron Gottfried van Swieten kam Mozart in großzügigen Kontakt mit den Werken von Johann Sebastian Bach, seiner Söhne und Georg Friedrich Händel. In Mozarts Sammlung befanden sich Fugen von Johann Sebastian, Carl Philipp Emanuel und Friedemann Bach. Sie sind die wichtige Grundlage für Mozarts sechs dreistimmige Adagios und Fugen für Violine, Viola und Violoncello KV 404a. Darin sind auch drei Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier, eine Fuge aus der Kunst der Fuge und einer Orgelsonate sowie eine Fuge von Wilhelm Friedemann Bach enthalten. Das Jacques Thibaud Streichtrio lässt die kontrapunktischen und harmonischen Finessen dieser Werke in facettenreicher Weise Revue passieren. Die feine kammermusikalische Ausprägung kommt so nie zu kurz. Die Dreistimmigkeit wirkt dabei höchst transparent und ausgeglichen. Beim Streichtrio (Divertimento) Es-Dur KV 563 überzeugt ferner das Eröffnungs-Allegro voller polyphoner motivisch-thematischer Verdichtungen und Verästelungen, die sich von selbst und in reizvollen Klangfarben ergänzen. Der Unisono-Dreiklang zeigt sich dabei von erhabener Wirkungskraft. Auch die aufsteigende Gegenbewegung überzeugt mit reizvollen dynamischen Kontrasten, die von Burkhard Maiß (Violine), Hannah Strijbos (Viola) und Bogdan Jianu (Violoncello) in nuancenreicher Weise aufgefangen werden. Insbesondere die Ausdruckstiefe des zweiten Adagio-Satzes sticht leuchtkräftig hervor und berührt den Zuhörer. Die charakteristischen Rhythmus- und Tempomerkmale zeigen reiche dynamische Facetten. Und die von Bach übernommenen italienischen und französischen Vorbilder werden von Mozart auf filigrane und graziöse Weise verfeinert. Gerade diesen Aspekt macht das Ensemble besonders plastisch deutlich. Hinsichtlich Deklamation und Phrasierung geht das gut aufeinander abgestimmte Jacques Thibaud String Trio kein Risiko ein. Kontrapunktische Spannungsmomente und akkordische Ruhepunkte ergeben sich so von selbst. Dies zeigt sich insbesondere auch bei Mozarts Bearbeitungen von Adagios und Fugen KV 404a nach Johann Sebastian Bach – hier fesselt vor allem die abschließende Nr. 5 in Es-Dur. Expressivität, Eleganz und Lebendigkeit gehen nahtlos ineinander über. Als Namenspatron hat das versierte Ensemble übrigens den weltberühmten französischen Geiger Jacques Thibaud gewählt, der das kultivierte Ensemble-Spiel zeitlebens in besonderer Weise pries.
Alexander Walther