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CD WOLFGANG AMADEUS MOZART: Violinkonzerte Nr. 3 & 5 – SEBASTIAN BOHREN, CHAARTS Chamber Artists, AVIE

22.06.2021 | cd

CD WOLFGANG AMADEUS MOZART: Violinkonzerte Nr. 3 & 5 – SEBASTIAN BOHREN, CHAARTS Chamber Artists, AVIE

Feinchirurg der Mozart‘schen Seele – von den Musen geküsst!

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Wer sich die Aufnahmedaten dieses Mozart-Albums ansieht, wird feststellen, dass die Symphonie Nr. 29 im Jahr 2018 und die beiden Violinkonzerte erst 2020 in der Reformierten Kirche in Oberstrass Zürich eingespielt worden sind. Das ist auf einen der äußerst seltenen Fälle zurückzuführen, wo ein Solist mit seiner ersten Aufnahme wegen nicht passgenauer energetischer und musikalischer Kongruenz mit Dirigent und Orchester gesagt hat: Nein, zurück an den Start! Sebastian Bohren ist ein gewissenhafter Musiker, der seiner inneren Stimme folgt: „2018 war ich – wie ich im Nachhinein feststellte – geigerisch nicht genügend vorbereitet. Entsprechend klang die Aufnahme zwar korrekt, aber nicht ausreichend durchdrungen und dadurch gezwungenermaßen angepasst. Ich wusste von meinen guten Erfahrungen mit Schubert, dass mir Mozart eines Tages liegen würde, habe die Stücke damals allerdings noch nicht zu Ende gearbeitet. Im Lockdown 2020 nahm ich das dann mit einer Vehemenz in Angriff, die mich sehr stolz macht. Hinter dem jetzigen Resultat kann ich wirklich stehen: Da ist jeder Takt mit Liebe gestaltet.“

Mit Rat zur Seite stand ihm dabei der Dirigent und Geiger Gérard Korsten (in Mozartsachen durchaus Harnoncourt und Abbado geeicht), mit dem er – ausnahmsweise Corona sei Dank – zwei Monate lang jede Note der Violinkonzerte Nr 3 in G-Dur, K 216 und in A-Dur, K 219, beide aus dem Jahr 1775, durchging und alle Harmonien, Phrasen und Verzierungen auf Stimmigkeit und Stil abtasten konnte. Was die Kadenzen anlangt, so setzte Bohren beim G-Dur Konzert auf die Meisterschaft des Robert Levin, beim A-Dur Konzert stammen die Kadenzen von Joseph Joachim. 

Herausgekommen sind klassisch ausbalancierte Interpretationen, das schlanke feingliedrige Geigenspiel von Sebastian Bohren ist ganz einer himmlisch federnden Eleganz des Tons verpflichtet. Verspieltes Experiment und aristokratischer Salon, dafür sorgen Gábor Takács-Nagy und das 2010 gegründete, nur aus Streichquartettspielern bestehende und im schweizerischen Boswil beheimatete Ensemble Chaarts Chamber Artists auf der einen und der grandiose Tonmeister Andreas Neubronner auf der anderen Seite.

Ich finde, das fulminante Musikerlebnis ist am Ende ganz und gar ein echter und einzigartiger Sebastian Bohren. Freilich weiß Bohren um die Errungenschaften der Originalklangschulen von Strichtechnik und Artikulation her, aber der Virtuose findet seinen unmittelbar eigenen Weg, um Mozarts frühes Genie klanglich umzusetzen und sich höchstpersönlich anzuverwandeln. Auf der »Ex-Wanamaker-Hart«-Violine, 1761 von Guadagnini in Parma gebaut, erleben wir Wiedergaben voller ehrlicher Hingabe, einem in allen Abschattierungen singenden bis jauchzenden Ton verpflichtet, und das in einer Perfektion, die rar ist. Ausgiebig proben lohnt sich halt doch. Mit dem ungestümen Dirigenten Gábor Takács-Nagy und Bohren prallen außerdem zwei grundverschiedene Temperamente aufeinander, deren Reibung der Spannung und dem Schabernack in den flott frech dahin flitzenden Allegros und in den Andante und Adagio-Passagen einer lauschig schmeichelnden Duftigkeit zugute kommt. 

Zwischen den Violinkonzerten ist die Symphonie Nr. 29 in A-Dur, K 201 aus dem Jahr 1774 zu hören. 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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