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CD WOLFGANG AMADEUS MOZART: Sonaten für Fortepiano und Violine Vol. 1 – ISABELLE FAUST, ALEXANDER MELNIKOV; harmonia mundi

27.12.2018 | cd

CD WOLFGANG AMADEUS MOZART: Sonaten für Fortepiano und Violine Vol. 1 – ISABELLE FAUST, ALEXANDER MELNIKOV; harmonia mundi

 

Die deutsche Geigerin Isabella Faust und ihr russischer Klavierpartner Alexander Melnikov sind ja schon seit geraumer Zeit dabei, mit Hörgewohnheiten im klassischen Repertoire  der Kammermusik radikal aufzuräumen. Vergleichbar Teodor Currentzis geht es dabei grob gesagt um eine Intensivierung der inneren Dramatik (des angenommenen Wesenkerns der Musik) bei enormer Verschlankung und scharfer Differenzierung im scherenschnittartigen Klangbild. Rückhaltlose Direktheit statt verbrämte Freundlichkeiten. Schluss mit Samt und Seide, sieht sich der aufgeschlossene Hörer einem fiebernden Sehnenspiel und definiert muskulösen Klangballungen gegenüber. Das mag ja noch bei Beethoven angehen, aber funktioniert das bei Mozart? 

 

Alexander Melnikov, der auf einem Hammerklavier von Christoph Kern nach dem Modell eines Anton Walter (Wien1795) aus der eigenen Sammlung spielt, lässt das mögliche emotionale Umfeld der Entstehungsgeschichte der beiden letzten Sonaten KV 304 e-Moll und KV 306 D-Dur aus dem Zyklus KV 301-306 in seine stets wie unter Strom stehende Interpretation einfließen. Im Laufe Mozarts letzter glückloser Reise nach Paris 1778 entstanden, ersann Mozart erstmals ein dialogisches Wechselspiel der Instrumente, er sah die Rollen von Klavier und Violine pionierhaft in einem gleichberechtigt duettierenden Miteinander.

 

Isabelle Faust steht der Expressivität Melnikovs in nichts nach, sie artikuliert Rede und Gegenrede in selbstbewusst vibratoarmen Linien, hierin der barocken Aufführungstradition folgend. Dynamik, Temporegie und Artikulation folgen aus den kleinstmöglichen Zellen heraus. Auf- und abphrasiert wird knapp, atemlos, an das Essentielle der Motive geknüpft. Da wird nicht geschwätzt und geschwärmt und im schonen Ton gebadet. Dafür profitiert der Hörer von einer dringlichen inneren Spannung und wohl auch von einer opernhaften Dramatik. Das Legato der 10 Jahre später entstandenen Sonate KV 526 in A-Dur  bekommt in dieser Lesart einen unfassbar  melancholisch, aussichtslos traurigen Unterton. Melnikov gelingt hier das Kunststück, den Ton schweben zu lassen, trotz der Kompaktheit im Anschlag in einen vergeistigten Nebel zu tauchen. 

 

Spannend ist, dass das Hauptthema des Finales der Sonate in KV 576 nicht vom Mozart, sondern von Carl Friedrich Abel stammt. Mozart hat es dessen fünftem Klaviertrio Op. 5 entnommen. Als Hommage an den kurz vorher verstorbenen Abel konzipiert, hat Mozart die Violinstimme völlig eigenständig gestaltet. Wie Wolfgang Fuhrmann analysiert, ist diese so unvorhersehbar wie ein Bachscher Kontrapunkt, welche die Symmetrie der Abelschen Vorlage vergessen lässt – als ob er in diesem Werk noch einmal gegen alle Erwartungen seiner Zeit ankomponieren wollte. Gegen alle Erwartungen, das ist das Stichwort auch für dieses Album…

 

Fazit: Es lohnt sich sehr, sich mit der vorliegenden CD auseinanderzusetzen. Ich habe sie mehrfach gehört, bevor ich mich an die Tasten wagte. Der Hörer hat im CD-Katalog die Wahl aus vielen Herangehensweisen. Er muss ja nicht schönen Klang gegen eine titanische Dramatik eintauschen, sondern einfach den perlend, anders ästhetischen Klang des Hammerklaviers mit der dominanteren Spielweise der Violine als Angebot nehmen, diese drei Violinsonaten Mozarts neu hören zu können, ja vielleicht für sich entdecken zu wollen. Die anderen können ja ruhigen Gewissens beim formidablen Duo Clara Haskil/Arthur Grumiaux bleiben.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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