CD WOLFGANG AMADEUS MOZART „CONCERTANTE“ – ALEKSANDRA KURZAK, MORPHING CHAMBER ORCHESTRA; aparte
Kurzak enttäuscht – keine Königin der Nacht (mehr)
Beginnen wir mit dem Positiven. Am Ende des mit „Concertante“ betitelten Mozart-Albums hören wir eine flott und animiert musizierte und dennoch gut ausgewogene Aufnahme von Mozarts „Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester“ in Es-Dur; KV 364/320d. Der Konzertmeister des Morphing Chamber Orchestra, der fabelhafte Yuuki Wong, trifft als Sologeiger auf den grandiosen Bratschisten Thomas Wabnic. Dem Orchester und den beiden Solisten gelingt dieses ungeduldige einander Zuspielen der motivischen Bälle und Phrasen vortrefflich. Dieses gewitzte Wechselspiel, dieser originelle und launische musikalische Plauderton so ganz nach Pariser Art erfreut auf ganzer Linie. Wenn man diese quirlige und quicklebendige Aufnahme aus dem Wiener Casino Baumgarten vom Februar 2021hört, ist wieder einmal zu verstehen, warum sich so viele Filmemacher, nicht zuletzt Milos Miloš Forman in „Amadeus“, auf diese unwiderstehliche Komposition gestürzt haben.
Ganz anders ist es um Aleksandra Kurzak als Mozart-Sängerin in der jetzigen Phase ihrer Karriere bestellt. Als vielseitige Sopranistin ist sie vorwiegend im italienischen Fach international etabliert. Hier hat sie auch große Erfolge vor allem mit den großen Puccini- und Verdifiguren erzielen können. Jetzt versucht sie sich auf Tonträgern wie einst in ihrer Bühnenlaufbahn als Mozart-Sängerin: Die Arie der Königin der Nacht ,Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen‘ aus der „Zauberflöte“, die Arie der Aspasia ,Lungi da te, mio bene‘ aus der Oper „Mitridate, re di Ponto“, die Arie der Vitellia ,Ecco il punto…non più di fiori‘ aus „La Clemenza di Tito“, die Arie der Fiordiligi ,Ei parte..Per pietà“ aus „Così fan tutte“ und schließlich die große Arie der Konstanze aus „Die Enführung aus dem Serail“: Welcher Kummer…. Traurigkeit ward mir zum Lose“.
Kurzaks Sopran mit interessanter, kühl silberner Mittellage neigt auf der neuen CD in höchsten Lagen zu Vokalverfärbungen und einem harten Vibrato. Mit der Königin der Nacht, ganz hochdramatisch wie einst Edda Moser angegangen, ist sie trotz noch immer gestochen scharf und sauber servierten Koloraturen überfordert. Spätestens mit dem dritten ,Hört‘ in „Hört, hört ihr Rachegötter, hört der Mutter Schwur“ am Ende der Arie kommt es zum Offenbarungseid. Das ist nur noch ein irgendwie hingequetschter Ton, von einer souveränen Beherrschung kann bei diesem Ausflug in die Koloraturvergangenheit der Sängerin keine Rede sein. Dafür ist es nach Butterfly und Tosca einfach zu spät.
Am besten gelingen Kurzak erstaunlicherweise das lyrische ,Ruhe sanft, mein holdes Leben‘ aus der Oper „Zaide“ sowie das schuldgeplagte ,Per pietà der Fiordiligi. Die sehr schönen, wenn auch monochrom gefärbten Piani alleine können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich sehr viel von dem, was ich bei Mozart hören will, den volkstümlichen bis fragil zerbrechlichen Seelenton, die Verschmelzung von Gesangsstimme mit den vielschichtigsten Emotionen einer Arie weit über Technikfragen hinaus, die Farbenvielfalt und Geschmeidigkeit im Ton bei Kurzaks Mozart schmerzlich vermisse. Natürlich merkt der Hörer kognitiv an, dass die Künstlerin Mozart-erfahren ist und stilistisch kongruent phrasieren kann. Das alleine löst (bei mir) allerdings keine Begeisterung aus.
Dr. Ingobert Waltenberger