CD: Vítězslav Novák: ORCHESTRAL WORKS • 1 • Moravian Philharmonic Ostrava, Marek Štilec
Böhmischer Impressionismus
Vítězslav Augustín Rudolf Novák wurde am 5. Dezember 1870 im böhmischen Kamnitz an der Linde (heute: Kamenice nad Lipou) geboren. Am Gymnasium in Neuhaus (heute: Jindřichův Hradec) lernte Novák das Klavierspiel und begann zu komponieren. An der Karls-Universität zu Prag studierte er Jurisprudenz und ging parallel als Schüler von Josef Jiránek, Karel Stecker und Antonín Dvořák, Studien am Konservatorium nach, das er 1892 mit seiner Violin-Sonate abschloss. Der Kontakt mit Dvořák brachte Novák ein Stipendium ein und so konnte er bis 1896 am Konservatorium bleiben. Ein Darlehen vom Konservatorium kam hinzu: das Wichtigste dürfte aber der Kontakt mit Musikverlegern gewesen sein. Nováks Stil war anfänglich durch Programmmusik im Sinne von Mendelssohn, Schumann und Grieg. Bleibenden Einfluss hatte dann ein Aufenthalt Nováks in der Mährischen Walachei (Region im Nordosten Mährens) und der Kontakt mit deren Volksmusik. Er begann die entsprechenden Volkslieder zu sammeln und analysieren. Von 1909 bis 1939 hatte Novák eine Professor für Kompositionslehre am Prager Konservatorium inne und war von 1920 bis 1922 und 1927/1928 dessen Rektor. In der Zwischenkriegszeit begann Nováks Stern zu sinken. Ein wichtiger Grund dafür, war das durch die Polemiken von Zdeněk Nejedlý (1878-1962) ausgelöste Schisma von «wahrer tschechischer Musik» (Smetana) und «deutschen Kompromissen» (Dvořák). Am 18. Juli 1949 starb Novák im ostböhmischen Skuteč (Skutsch).
Die beiden hier eingespielten Werke sind spätromantischer Natur, aber auch schon vom französischen Impressionismus geprägt. Die «Südböhmische Suite» («Jihočeská svita») Op. 64 entstand 1936/1937, also in den späten Jahren von Nováks Karriere und kurz vor dem Untergang der ersten Tschechoslowakischen Republik. In der vierteiligen sinfonischen Dichtung («Pastorale», «Träumerei», «Der Marsch der Hussiten» und «Meine Heimat») mit Volkslieder aus der Region kehrte er nochmal zu seinen grossen Erfolgen zurück. Die sinfonische Dichtung «Toman und die Waldfee» («Toman a lesní panna») op. 40, entstanden 1906/1907, schildert die Geschichte von Toman, der, von einer seltsamen Ruhelosigkeit und bösen Vorahnungen angetrieben, am Mittsommerabend entschied seine Geliebte besuchen. Tomans Ahnungen bestätigten sich: sie hatte ihn für jemand anderen verlassen. So ging er in den Wald, um in den Armen einer Wald-Fee zu sterben.
Das Moravian Philharmonic Ostrava unter Marek Štilec setzt Nováks Musik mit wunderbar farbigem, prächtigem Klang um und begeistert für einen im deutschen Sprachraum wenig bekannten Komponisten.
07.05.2023, Jan Krobot/Zürich