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CD/Vinyl STUTTGARTER KAMMERORCHESTER – Thomas Zehetmair mit epochalen Aufnahmen von Werken Beethovens, Brahms‘, Schoenbergs, Schuberts, Bartóks und Adams‘; SKO Records

14.12.2023 | cd

CD/Vinyl STUTTGARTER KAMMERORCHESTER – Thomas Zehetmair mit epochalen Aufnahmen von Werken Beethovens, Brahms‘, Schoenbergs, Schuberts, Bartóks und Adams‘; SKO Records

Diskografischer Paukenschlag aus orchestereigenem Label

Das 1945 gegründete Stuttgarter Kammerorchester, eine traditionsreiche wie innovative Institution in der vielfältigen deutschen Orchesterlandschaft, hat ein eigenes Label namens SKO Records ins Leben gerufen. In kurzen Abständen ab September dieses Jahres sind drei Publikationen erschienen, die allesamt künstlerische Maßstäbe setzen.

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Den Anfang machten Bearbeitungen des Streichquartetts in f-Moll op. 95 („Quartetto serioso“) von Ludwig van Beethoven sowie des Streichquintetts in G-Dur op. 111 von Johannes Brahms (in frühen Ausgaben als „Praterquintett“ bezeichnet), ergänzt um Schoenbergs Streichsextett „Verklärte Nacht“ Op. 4. Die originalen Notentexte wurden jeweils in chorischer Besetzung mit Streichorchester eingespielt.

Wenn eine der programmatischen Ideen hätte gewesen sein können, den Fortschritt in der Musik hörbar zu machen, sieht Zehetmair die Werke vielmehr als absolute Höhepunkte ihrer Zeit, als Monumente für sich. Die 1809, 1890 und 1899 entstandenen Stücke wurden chronologisch angeordnet und in der Folge mit jeweils zwei Streichern plus besetzt. Beim Quintett wurden aus Gründen der Balance die Bratschen und beim Sextett die Celli verstärkt.

Das zweite Album ist Schuberts Streichquartett Nr. 14 „Der Tod und das Mädchen“ gewidmet, das in 17-köpfiger Besetzung eingespielt wurde.

Die vielleicht umwerfendste Veröffentlichung der Trias gilt Béla Bartóks Divertimento für Streichorchester (1939) und John Adams‘ „Shaker Loops“.

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Allen drei Einspielungen ist dank der auf das Existenzielle der Musik abzielenden, bis zu Grenzerfahrungen des Ausdrucks passioniert auslotenden musikalischen Leitung von Wunderwuzzi Thomas Zehetmair gemeinsam, dass das Wissen der Musiker um Bogentechniken, Strich & Co in den Diensten der Radikalität und dramatischen Kühnheiten dieser Meisterwerke steht.  

Alle drei CDs habe ich nun über 10-mal gehört und ich kann nicht genug davon bekommen. Besonders fasziniert haben mich vom allerersten Ton an die bahnbrechenden, ja glühenden Interpretationen der avantgardistischen Schöpfungen von Beethoven, Schoenberg, Bartók und Adams. Was Schuberts „Tod und das Mädchen“ anlangt, so gab es ja bereits eine Bearbeitung für Streichorchester von Gustav Mahler. In der „chorischen“ Version von Zehetmair wechseln einander orchestraler Klang und solistisch besetzte Passagen ab, was mich wesentlich mehr überzeugt als Mahler.

Die Aufnahmen setzen der Hörerschaft so etwas wie eine Vergrößerungsbrille auf, die zur unglaublichen Präzision und artikulatorischen Akkuratesse des Orchesters addierend die Wahrnehmung für Details schärfen aber auch die Empfindung und Aufmerksamkeit für klangliche Möglichkeiten so weit fassen wie kaum je zuvor.

Dazu kommen eine mit der aufnahmetechnischen Brillanz einhergehende Wärme des Sounds als auch ein ökologisches Bewusstsein in der Produktion (auf 100% recycletem Papier gedruckt), das zudem erhärtet, dass dem Inhalt ein höherer Stellenwert einräumt wird als der Verpackung. Die Erläuterungen im Booklet von Susanne Benda – untersetzt mit Interviewfragen an Thomas Zehetmair – sind ebenso informativ wie vorzüglich aufbereitet.

Wenn ich eine diskografische Leistung 2023 als persönlichen Favoriten küren müsste, es wären die drei Silberscheiben bzw. LPs von SKO Records.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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