Verdi komplette Ballettmusiken bei BR Klassik erschienen
Kompakte Wucht
Auch Raritäten finden sich auf dieser interessanten CD-Box mit dem Ballettmusiken von Giuseppe Verdi, die das Münchner Rundfunkorchester unter der temperamentvollen Leitung von Ivan Repusic präsentiert. So begegnet man „Airs de ballet“ aus der Oper „Jerusalem“, die so gut wie unbekannt ist. „Jerusalem“ war das erste Bühnenwerk, das Verdi für eine Uraufführung an der Pariser Opera komponierte. Soldaten- und Pilgerchöre beherrschen hier die Handlung um eine Frau, die zwischen zwei Männern steht. Das Münchner Rundfunkorchester musiziert mit kantablem Feinschliff und nie nachlassender Energie. Die kürzeste seiner Ballettmusiken schuf Verdi übrigens für die Umarbeitung von „Otello“. Kurze, orientalisch wirkende Abschnitte schaffen hier neuartige Klangfarben. Ein starker Kontrast hierzu ist der Tanz venezianischer Matrosen mit dem Titel „La muranese“, dessen unmittelbarer Klangzauber den Hörer fesselt. Die typisch neapolitanische Tarantella sticht bestrickend hervor. Für seine Umarbeitung von „Macbeth“ komponierte Giuseppe Verdi für die zweite Szene des dritten Aktes eine umfangreiche, aus drei Sätzen bestehende Ballettmusik, welche die Hekate-Szenen beschreibt. Hochgetürmte dynamische Steigerungen und Bläser-Einwürfe verdeutlichen die unheimliche Atmosphäre um die „Lady Macbeth“ und ihren mörderischen Gatten. Hervorragend gelingt hier auch „Le ballet de la Reine ‚La Peregrina'“ und das furios musizierte Prestissimo-Finale aus dem 1867 entstandenen „Don Carlos“. In den Gärten der Königin Elisabeth wird dabei ein „Ballet de la Reine“ mit dem Titel „La Peregrina“ veranstaltet, um das Krönungsjubiläum des spanischen Königs Philipp festlich zu feiern. Differenzierte Harmonik und feingliedrige Rhythmik werden bei dieser Aufnahme in ausgezeichneter Weise herausgearbeitet. Die melodischen Eingebungen strömen auch bei der Ballettmusik zu „Aida“ in leidenschaftlicher Weise dahin. Eine orientalisch-sakral erscheinende Melodie prägt den Heiligen Tanz der Priesterinnen. Flöte, Oboe und Klarinette erklingen reizvoll zu Triangel-, Pauken- und Beckenschlägen beim Tanz der kleinen maurischen Sklaven. Und das „Ballabile“ in der nachfolgenden Triumphszene imponiert mit vollem Orchestereinsatz. Bei seinem Opernballett zu „Il trovatore“ war Verdi bestrebt, eine enge musikdramatische Verknüpfung mit der Bühnenhandlung herzustellen. Das im dritten Teil zwischen Soldatenchor und Terzett eingefügte, mit Energie und Verve gespielte „Divertissement“ wurde von Petipa choreographiert. „Die Sizilianische Vesper“ war das 1855 herausgebrachte zweite Werk, dessen Uraufführung in Paris stattfand. Während eines Maskenballs im Palast des Gouverneurs von Sizilien sorgt hier die fast gespenstisch anmutende Ballettmusik „Les quatre saisons“ für eine gewaltige Spannungssteigerung! Alles in allem: Unbedingte Empfehlung für diese Einspielung!
Alexander Walther